Straßburger Arte-Zentrale: Von Anfang an ein Experimentierfeld
Foto: Rainer Reichert

Fachgruppe Europa

Arte: Zwischen Kreativität und Quote

DJV-Fachausschuss Europa auf Visite in der Straßburger Zentrale

Straßburg, 27.10.2014

Journalismus kann mehr! Vorausgesetzt man lässt der Kreativität freien Lauf und die Einschaltquoten außer Acht. Ein wenig an Popularität könnte der europäische Kulturkanal Arte allerdings in dieser Woche zugelegt haben. Die Mitglieder des DJV-Fachausschusses Europa besuchten am vergangenen Montag (20. Oktober) die Straßburger Arte-Zentrale und zeigten sich durchaus beeindruckt.

Ein Prozent Marktanteil
Florian Hager, stellvertretender Programmdirektor und Hauptabteilungsleiter Programmplanung, machte aus den Einschaltquoten und Zuschauerzahlen auch gar kein Geheimnis: In Deutschland liegt der Marktanteil bei knapp einem Prozent, in Frankreich immerhin bei 2,3 Prozent, und das Durchschnittsalter der Zuseher beträgt rund 57 Jahre.

Damit sei Arte im deutschen Fernseh-Vergleich allerdings kein Senioren-Sender: „Die Baby-Boomers kommen eben langsam ins Rentenalter und haben mehr Zeit zum Fernsehgucken!“ So Hagers lakonische Erklärung. Selbst bei RTL liege das Durchschnittsalter bei 50.

Riesiges Internet-Angebot
Um rund zehn Jahre jünger seien im Durchschnitt die Internet-Surfer, die zum Beispiel die Arte-Mediathek nutzten. Mit einer wahren Flut an Internet-Angeboten, mit Dokumentationen zu Themen, an die sich die anderen nicht herantrauten, mit Büchern, DVDs und mit viel Kultur versuche Arte darauf zu reagieren. Offensichtlich wächst hier zusammen, was durchaus zusammen passt, nämlich Fernsehen und neue Medien. Rund 70 Prozent des jährlichen Budgets fließe direkt in die Programme, berichtete Hager.

Das deutsch-französische Medienprojekt setzt sich aus der Zentrale Arte GEIE und den beiden Mitgliedern Arte France und Arte Deutschland TV GmbH zusammen. Finanziert wird der 1991 gegründete Sender zu 95 Prozent über die in Deutschland und Frankreich erhobenen Fernsehgebühren.

Aufgabe der Straßburger Zentrale mit ihren 434 deutschen und französischen Mitarbeitern sind unter anderem Fragen der Programmstrategie, der Konzeption und der Planung. Sie ist zuständig für die Ausstrahlung der Sendungen, der Programmpräsentation und verantwortlich für die Produktion der Info-Sendungen und dergleichen mehr.

Prophylaxe gegen Borniertheit und Nationalismus
Arte sei von Anfang an ein „Experimentierfeld“ gewesen, erläuterte BJV-Ehrenmitglied Dr. Wolfgang Stöckel in seiner Funktion als frisch ernannter Vorsitzender des Arte-Programmbeirats. Als öffentlich-rechtlicher Sender habe Arte den Auftrag, „Fernsehsendungen zu konzipieren, zu gestalten und auszustrahlen, die in einem umfassenden Sinne kulturellen und internationalen Charakter haben und geeignet sind, das Verständnis und die Annäherung der Völker in Europa zu fördern“.

Das Arte-Programm wird europaweit ausgestrahlt und wird selbst noch in Nordafrika mit großem Interesse gesehen. Mit vielen öffentlich-rechtlichen Sendern Europas bestehen Partnerschaften für Koproduktionen und den Programmaustausch. Trotz der homöopathischen Dosis in Sachen Einschaltquote also eine gewichtige Prophylaxe gegen Borniertheit und Nationalismus! Und das entspricht genau dem Selbstverständnis des „Zusammenschluss bezüglich des europäischen Fernsehens“, auf Französisch: Association Relative à la Télévision Européenne, abgekürzt ARTE.

Der deutsch-französische Programmbeirat, der mit jeweils acht Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft und Politik, besetzt ist, trifft sich alle drei Monate und berät den Arte-Vorstand und die Mitgliederversammlung in Programmfragen. Durchaus kritisch bewertete Stöckel die „komplizierte Besetzungsstrategie“ dieser Gremien auf deutscher Seite. Aus Sorge um politische Ausgewogenheiten verliere man allzu schnell die Berücksichtigung des Sachverstandes aus dem Blick. „Die Franzosen sind da anders“, wusste Wolfgang Stöckel.

Markus Mauritz

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