„Männer gründen, Frauen machen das Marketing“, so sei häufig noch das Rollenbild in der Start-up-Szene, berichtete Johanna Wild
Foto: Michaela Schneider

BJV-Landesvorstand

„Ich bin jetzt auch nicht die Messer werfende Alphafrau“

Erfolgreiche Journalistinnen sprechen bei BJV-Podiumsdiskussion über ihre Arbeit

München, 24.10.2017

Sie gründen Start-ups, leiten Redaktionen oder schulen die nächste Journalist(inn)engeneration. „Frauen bewegen Medien“ – unter diesem Motto hatten der BJV und der Internationale Presseclub München erfolgreiche Journalistinnen zur Podiumsdiskussion geladen.

Frauen in Medienberufen verdienten im Schnitt weniger, seien seltener Preisträger, säßen nicht so oft in Jurys, bekleideten weniger Führungspositionen. „Doch darum soll’s heute nicht gehen“, moderierte BR-Journalistin Andrea Roth den Abend an. „Wir wollen wissen, was erfolgreiche Frauen tatsächlich zum Erfolg geführt hat.“

Über ihre persönlichen Erfahrungen auf dem Weg an die Spitze erzählten Henriette Löwisch, Leiterin der Deutschen Journalistenschule in München, Andrea Rexer, Redaktionsleitung Plan W sowie Teamleitung Finanzen, Süddeutsche Zeitung, Jeanne Rubner, Redaktionsleiterin der Fernseh- und Hörfunkredaktion Wissen und Bildung Aktuell beim BR, und Johanna-Wild, Online-Journalistin und Unternehmensgründerin (Kurzporträts zu Rexer, Rubner und Wild können im BJVreport 05/2017 nachgelesen werden; im BJVreport 04/2017 (PDF 1 MB) erzählt Löwisch in der Rubrik „Sagen Sie mal“ von ihrer Arbeit).

In Ruanda 50 Prozent Frauen in Redaktion geholt
Ihre Erfahrungen in einer von Männern dominierten Arbeitswelt machte Johanna Wild, denn vier Jahre lang betreute sie ab 2011 in verschiedenen afrikanischen Ländern Medienprojekte. Unter anderem baute sie in Ruanda eine Redaktion auf – und holte 50 Prozent Frauen ins Redaktionsteam. „Unter Riesenprotesten, aber es ging“, sagte die Onlinejournalistin.

Dann kehrte sie zurück nach Deutschland und gründete hier mit einer Kollegin die Factchecking-Agentur Wafana. Endlich raus aus der Männerdomäne? Von wegen. Die Zahl der Gründerinnen in Bayern bewegt sich im einstelligen Bereich. Was Wild vor allem erschreckte, war das konservative Denken in weiten Kreisen der jungen Start-up-Szene: Männer gründen, Frauen machen das Marketing, so die weitläufige Meinung „Es gibt noch nicht genug Vorbilder“, sagt sie.

Frauen sind keine „Hau-Drauf-Typen“
Andrea Rexer, Finanzredakteurin der SZ, hat zum 1. Juli zusätzlich die Leitung von Plan W übernommen. Die Idee hinter dem Magazin: Es soll Frauen in ihrer Fachexpertise zeigen, Frauen porträtieren, die Tolles gemacht haben und Frauen in der Wirtschaft sichtbar machen.

„Was mich manchmal in den Wahnsinn treibt: Frauen sind viel vorsichtiger als Männer“, berichtete Rexer. Es sei schwieriger, Gesprächspartnerinnen zu finden und auch in Interviews selbst äußerten sie sich oft vorsichtiger. Das seien eben keine „Hau-Drauf-Typen“. Liegt’s also an den Frauen selbst, dass sie in den Medien wenig nicht sichtbar werden? Nur teilweise, sagte Rexer.

Als ganz besonders perfide bezeichnete sie es, dass manches Unternehmen seine erfolgreichen Frauen nicht zeigen will. Warum? Aus Angst, dass diese sonst von anderen Unternehmen abgeworben werden könnten. Wie aber lassen sich Frauen und frauenspezifische Themen generell sichtbar machen in den Medien? Johanna Wild erlebte in Ruanda: Mit 50 Prozent Frauen in der Redaktion veränderten sich auch die Themen der Sendung ganz stark.

Expandierendes Unternehmen als Chance
Henriette Löwisch, heute Leiterin der Deutschen Journalistenschule in München, berichtete zuvor viele Jahre aus Brüssel und Washington für die Agence France Presse (AFP), dann, im Jahr 2001, übernahm sie die Chefredaktion von AFP Deutschland. Wie schafft man so etwas als Frau? Als sehr nützlich habe es sich damals für sie erwiesen in einem Unternehmen zu arbeiten, das expandiert. „Ich bin jetzt auch nicht die Messer werfende Alphafrau“, sagte sie.

Hilfreich war für sie, dass sie aus einer Familie stammt, die immer vorlebte, dass Töchter genauso wie Söhne Karriere machen sollen und wollen. Und als ein Vorteil erwies sich in ihrem Fall auch, im Alter zwischen 28 und 38 Jahren keine Kinder zu bekommen. Das sei genau die Zeit, in der Posten im mittleren Management besetzt würden.

Karriere und Familie: „Man muss es wollen“
Sind also Karriere und Familie tatsächlich nicht vereinbar? Doch, sagte Jeanne Rubner. „Das ist eine Kopfsache, man muss es wollen.“ Sie leitet mit „Wissen und Bildung Aktuell“ beim BR eine Großredaktion – und ist Mutter von vier Kindern.

Als das erste Kind geboren wurde, arbeitete sie noch bei der SZ, ihr Chef sei schockiert gewesen, als sie schwanger wurde. Die Tageszeitung bezeichnet sie in der Medienlandschaft als „die männlichste Domäne, je höher man kommt“. Bei der SZ säßen immer noch Männer mit sehr traditionellem Bild, als Frau habe man „keine Redaktionsleitung nachgeschmissen bekommen“.

Rubner ließ sich nicht beirren, kam spätestens ein Jahr nach der Geburt ihrer Kinder jeweils wieder in die Arbeit zurück. Eines Tages rief der BR an und bot ihr die Redaktionsleitung an. Dass Sie Familie und Karriere unter einen Hut brachte, sagte sie, lag nicht zuletzt auch am Vater der Kinder. Andrea Rexer, ebenfalls Mutter, ergänzt: „Die wichtigste Karriereentscheidung ist der Partner.“

Verbündete, Veränderungen, Netzwerke
Und jede Menge weitere Tipps für Frauen auf dem Karriereweg arbeitete das Podiumsquintett im Laufe der zweistündigen Diskussion heraus. „Suchen Sie sich Verbündete und Fürsprecher, werden Sie sich klar darüber, wo ihre Stärken liegen und rücken Sie ihre eigenen Qualitäten ins rechte Licht“, riet Löwisch. Man sollte immer Veränderungen anstreben, empfahl Rubner. Jeder Wechsel erhöhe den Marktwert. Nicht unterschätzen sollten Frauen bei der Karriereplanung den Netzwerkfaktor, ergänzte Rexer.

Und was können Frauen tun, wenn sie bei der Arbeit tatsächlich mit Sexismus konfrontiert werden? Bei ihr habe sich sehr bösartiger Humor in Konfliktsituationen gut bewährt, sagte Löwisch. Statt über Prinzipien zu diskutieren, schieße sie viel schärfer zurück.

Und Johanna Wild hat in Afrika für sich die Erfahrung mitgenommen: Sich nicht aufregen, ruhig bleiben, einen sarkastischen Kommentar machen – und schnell auf die Sachebene zurückkehren. „Aufregung versetzt nur in eine schlechtere Position“, resümierte sie.

Michaela Schneider

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