Auch mal Kante zeigen
Logo der Tegernseer Stimme
Seit 2010 gibt es das Nachrichtenblog Tegernseer Stimme
Die Tegernseer Stimme ist zum selbstbewussten Medienunternehmen gewachsen
„Kann man das nicht besser machen?“ Die Unzufriedenheit über die lokale Berichterstattung des „Monopolblatts“ war 2010 für den in Gmund am Tegernsee lebenden Betriebswirt Peter Posztos Grund genug, es mit einer zweiten journalistischen Stimme in der Region zu probieren.
Er gründete das Blog Tegernseer Stimme. Am Anfang war alles noch bescheiden, gerade mal 200 Nutzer*innen besuchten die Seite täglich. Schon zwei Jahre später hatte sich das Angebot bei den 20.000 Einwohnern um den See rumgesprochen und 2000 rezipierten es täglich. Heute seien es 15.000 bis 20.000 Unique User am Tag, berichtet Chefredakteurin Nina Häusinger.
Der Gründer Peter Posztos hat unter dem Dach der Lokale Stimme GmbH 35 Arbeitsplätze geschaffen, für die Tegernseer Stimme arbeiten heute sechs redaktionelle Mitarbeiter*innen, „die auch ordentlich bezahlt, werden“, versichert Posztos. 2014 entwickelte der 44-Jährige neben dem journalistischen Blog mit den Oberland-Jobs.de ein regionales Jobportal, das mittlerweile auch einige eigenständige Ableger etwa in Baden-Württemberg hat. Man baue dieses Produkt Stück für Stück aus und zähle inzwischen 1500 Kunden.
Eines seiner Erfolgsrezepte sei neben der Professionalität die Nähe zu den Regionen: „Uns interessiert tatsächlich, was hier passiert und die Macher sind dort verwurzelt.“ Von dem Jobportal lebt das journalistische Angebot der Stimme. Ohne dieses würde die Seite durch Direktanzeigen, Sponsored Content und Google Ads gerade mal eine „schwarze Null“ schreiben, sagt Posztos.
2011 habe man probiert, eine kostenlose Printausgabe unter dem Titel TegernseerStimme.de – Menschen. Leben. Lokal. Das Magazin für’s Tal zu etablieren. Zwar fanden sich für das mit einer Auflage von 20.000 Exemplaren gestartete zweimonatliche Magazin einige Anzeigenkunden. Doch langfristig getragen hätte es sich wohl nicht. Der Betriebswirt stellte es nach fünf Ausgaben ein.
Rechtsstreit mit Millionär
Rückschläge erleben Journalist*innen zuweilen durch Menschen, die sich und ihr Tun gänzlich aus der Öffentlichkeit raushalten möchten. So einer ist der Freisinger Baustoffunternehmer Franz Haslberger mit Wohnsitz in Bad Wiessee. Für die Tegernseer Stimme hatte 2013/2014 der Journalist Klaus Wiendl kritisch über Haslbergers Gebaren berichtet. „Ein Mann der Millionen, der trotzdem immer wieder an den Behörden scheitert“, schrieb er damals.
Das Portal erhielt eine Unterlassungserklärung von Haslberger. Man traf sich 2014 vor dem Münchner Landgericht wieder, wo es in einem Vergleich endete. „Eine klare Niederlage für die Pressefreiheit“, kommentierte Wiendl damals (BJVreport 2/2014).
Ende 2021 ließ Haslberger über seinen Anwalt erneut aufhorchen: Er erteilte allen Mitarbeitenden der Tegernseer Stimme ein Hausverbot. Auslöser war wohl ein wenige Tage zuvor erschienener Artikel über die Eröffnung seiner Gastronomie „Saurüsselalm“ in Bad Wiessee.
Der Bericht sei „positiv und nett“ gewesen,schreibt die Redaktion. Vermutlich hatte den Millionär die jahrelange kritische Berichterstattung über die umstrittene Immobilie inspiriert. Der Bayerische Rundfunk widmete im April in seinem Magazin „quer“ unter dem Titel „Betonbaron oder Saurüssel-Pate? Ein Millionär und seine Regeln“ dem Thema einen fünfminütigen Beitrag. Darin wird erwähnt, dass auch der BR und das ZDF bereits von Haslberger verklagt wurden.
Die Tegernseer Stimme erhob im März, vertreten durch eine Münchner Kanzlei, vor dem Münchner Landgericht II Klage gegen Franz Haslberger und das durch seine Anwälte ausgesprochene Hausverbot. Man sehe sich seines presserechtlich garantierten Anspruchs auf Informationsfreiheit beraubt. Die Verhandlung soll im Herbst stattfinden. Dass sich das Medium wehrt, wird es vermutlich 10.000 Euro kosten.
Zu viel Belanglosigkeiten
Der vorgenannte Klaus Wiendl betrachtet die Arbeit der Tegernseer Stimme inzwischen kritisch. Sich selbst bezeichnet er als „alten Hasen des investigativen Journalismus“. Unter anderem war er 28 Jahre für den BR als Reporter bei „report München“ tätig und einer der Gründer des Netzwerk Recherche.
Von 2013 bis Anfang 2020 arbeitete Wiendl frei für die Tegernseer Stimme. Im Telefonat erzählt er, dass er unzufrieden über das Niveau des Online-Angebots gewesen sei und deshalb seine Tätigkeit dort einstellte. Vor allem der hohe Anteil von Polizei-, Verkehrs- und Wettermeldungen störe ihn.
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Erschienen im BJVreport 4/2022 (blätterbare Version / PDF-Version)
+++ Aktualisierung 1. März 2023
BJVreport 1/2023: „Betonbaron“ erschwert Journalisten die Arbeit (blätterbare Version / PDF-Version)
Das für den 27. Februar 2023 angekündigte Urteil im Prozess Lokale Stimme GmbH (Tegernseer Stimme) ./. Haslberger, F. wird nun am 20. März 2023 verkündet.
Thomas Mrazek
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