BJVreport
Bloß nicht übers Stöckchen springen
Artikel aus dem BJVreport von
Thomas Mrazek
Im Umgang mit der AfD ist von Medien Pragmatismus und Professionalität gefordert.
Johannes Reichart beschäftigt sich bei seiner Arbeit als Reporter des Bayerischen Rundfunk seit sechs Jahren intensiv mit der AfD. Er war für seinen Sender an verschiedenen Recherchen über die Partei beteiligt, etwa 2021 als der BR AfD-Telegram-Chats enthüllte, die Umsturzpläne gegen den Staat beinhalteten, oder im Februar dieses Jahr als rassistische Parolen in einer Diskothek im Umfeld des AfD-Parteitags in Greding gegrölt wurden. Darüber erzählt er am Tag der Pressefreiheit Anfang Mai auch bei einer Podiumsdiskussion des BJV zum Thema „Feindbild Journalismus – Pressefreiheit unter Druck von rechts außen“ (bjv.de/podium-feindbild). Anlass für den BJVreport, überdies mit Redaktionen über ihren Umgang mit der AfD zu sprechen.
Vorneweg zurück zum Fall Johannes Reichart. Am 1. März hatte der BR in einer Presseausendung mitgeteilt, dass die AfD-Landtagsfraktion und der AfD-Landesverband nicht mehr mit Reichart „zusammenarbeiten“ wollten und man ihm zugleich ein Hausverbot für alle Veranstaltungen der AfD Bayern erteilt habe. „Die Vorsitzende der AfD-Fraktion Katrin Ebner-Steiner hat dem BR vergangene Woche mitgeteilt, ein Mitarbeiter aus der Redaktion Landespolitik habe sie beleidigt.“ Der AfD-Landesvorsitzende Stephan Protschka sprach dem BR-Experten die Objektivität ab.
Die konkreten Vorwürfe gegen den Reporter wurden nicht offen kommuniziert. Sie seien „völlig abwegig“, sagt Reichart, er habe eine eidesstattliche Versicherung für deren Haltlosigkeit abgegeben. Von Kolleg*innen aus anderen Bundesländern wisse er, dass die Partei ähnlich gezielt auch gegen sie vorgehe. „Diese Strategie gegen einen einzelnen Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist jedoch ohne Beispiel“, sagt der 39-Jährige. Das sei für ihn „nicht ganz einfach“: Kontaktpersonen seien eingeschüchtert; Führungspersonen legten auf, wenn er anrufe. Bei seiner mehrjährigen Arbeit über die in Teilen als rechtsextremistisch eingestufte Partei hat sich der 39-Jährige ein gutes Netzwerk aufgebaut.
Reichart schildert auch, wie Protschka kürzlich vor dem Münchner Verwaltungsgericht ein Interview mit ihm ablehnte, mit seiner BR-Kollegin wollte er jedoch sprechen – es kam kein Interview zustande. Bei dem Prozess ging es um die Klage der AfD gegen die Beobachtung der Partei durch den bayerischen Verfassungsschutz. Der AfD-Telegram-Chat, über den der BR berichtet hatte, war ein Beweismittel in diesem Prozess. „Da sieht man, welche Tragweite so eine Arbeit haben kann“, sagt Reichart. Er selbst werde „unter erschwerten Bedingungen“ versuchen, weiterhin Recherchen zur AfD voranzutreiben. So berichtete er am 1. Juli in der „Tagesschau“ aus dem Gericht, dass die AfD den vorgenannten Prozess verloren habe und somit eine weitere Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz gerechtfertigt sei.
Fehlende Reife im Umgang mit den Medien
Solche Vorgehensweisen der AfD gegen die Presse scheinen in Bayern bislang eine Ausnahme zu sein. Dennoch macht es die Partei Medien oft nicht einfach, sachlich zu berichten. „Eine fehlende Reife der AfD im Umgang mit Medien und der Öffentlichkeit“, konstatierte im Juni Roland Preuß, Redakteur der Süddeutschen Zeitung im Parlamentsbüro Berlin, in seinem Blatt: „Viele AfD-Funktionäre ziehen sich in die eigene Medienblase zurück, bedienen extremistische und abseitige Portale und Internetsender, in denen man sich gegenseitig bestärkt und niemand dagegenhält. Fragen klassischer Medien wie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, von Zeitungen und Magazinen beantwortet man nicht oder nichtssagend.“
„Dass die Partei uns das Leben schwer macht, ist nicht der Fall“, sagt indes Gudrun Bayer, Chefredakteurin der Fränkischen Landeszeitung auf Nachfrage des BJVreport. Was sie und ihre Kolleg*innen eher beschäftige, seien Leute, die mit „AfD-Gedankengut“ in Leserbriefen oder den Sozialen Medien kommentierten. Die Redaktionsleiterin bearbeitet diese Einsendungen selbst und beobachtet: „Die können es beispielsweise nicht akzeptieren, wenn ich Leserbriefe ablehne.“ Ansonsten sei es „sehr ruhig“, sagt Bayer. Sie könne bestätigen, dass die AfD journalistische Angebote wie ihre Zeitung nicht benötige: „Die Älteren haben sie schon erwischt und die Jüngeren erreichen sie auf Social Media.“ Der Politikberater Johannes Hillje spricht in einem Fachartikel von einer „digitalen Propagandapartei“. Bayer erinnert sich an die Anfragen ihrer Redaktion an die Kandidaten für Porträts zur Landtagswahl 2023: „Einige antworteten da gar nicht.“
Michael Husarek, Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten, erwähnt Probleme, die es bei Fragebögen an Mandatsbewerber der AfD vor Wahlen gab: „Wir drucken keinen AfD-Sprech ab (‚Altparteien‘, ‚Systemparteien‘ oder ähnliches), sondern weisen darauf hin, auf solche Begriffe zu verzichten. Andernfalls verzichten wir auf eine Veröffentlichung.“
Der stellvertretende Chefredakteur der Würzburger Main-Post, Achim Muth, weist darauf hin, dass seine Redaktion keine Informationen zu Aktivitäten der unterfränkischen AfD erhält. „Zudem werden Anfragen nicht selten mit angeblichen Hintergrundinformationen versehen, die allerdings unter Androhung von Rechtsmitteln nicht redaktionell genutzt werden sollten.“ Man frage sich regelmäßig: „Müssen wir über jedes Stöckchen springen, das uns die AfD hinhält?“ Muth verneint, man versuche „die AfD inhaltlich zu stellen”. Dazu gehörten eine intensive Gesprächsvorbereitung sowie Fakten-Checks der getätigten Aussagen. Zum Vorgehen gegen Johannes Reichart hat die Zeitung eine klare Haltung: „Das Verurteilen wir. Unser Münchner Korrespondent wird deshalb, wie viele andere Kolleginnen und Kollegen des Vereins Landtagspresse, die Teilnahme an Hintergrundgesprächen mit der AfD so lang ablehnen, bis die AfD den als ‚unerwünscht‘ erklärten BR-Reporter wieder zu ihren Veranstaltungen zulässt.“
Bei der Berichterstattung über die AfD seien bei seiner Zeitung bislang keine größeren Probleme aufgetaucht, sagt Peter Müller, Chefredakteur der Augsburger Allgemeine. Natürlich könne man sich als Journalist mit gemäßigten AfD-Mitgliedern austauschen, sagt Müller. „Allerdings stellt sich dann die Frage, was sie bewegt, weiterhin Mitglied in einer Partei zu sein, die sich zunehmend radikalisiert.“ Wichtig ist aus Müllers Sicht auch, dass gerade über die Themen berichtet werde, die die AfD stark machen: „Wir berichten kritisch über Themen wie Migration, wir drücken das nicht weg. Wir haben gestandene Lokalchefinnen und Lokalchefs, die wissen sehr gut, wie man auch sensible Themen richtig anpackt.“
Wahlforum mit Björn Höcke
Marcel Auermann ist Gesamt-Chefredakteur der Verlagsgruppe Hof, Coburg, Suhl und Bayreuth (HCSB) und verantwortet die Frankenpost in Hof, die Neue Presse, Coburg, den Nordbayerischen Kurier, Bayreuth und das Freie Wort in Suhl. Probleme mit der AfD gebe es keine. In Thüringen wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt. Auermann fällt hier auf, dass sich die AfD gegenüber den Medien zurückhalte, es gebe kaum Pressemitteilungen. Die Partei nutze aber intensiv die Sozialen Medien: „Unter der Hand dürfte es wohl heißen: Die traditionellen Medienmarken müssen wir gar nicht so stark bedienen.“ Für ein Wahlforum des Freien Worts habe die Partei zugesagt. Neben Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt soll der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke auf dem Podium sitzen. Der Chefredakteur werde diese Runde selbst mit einem Kollegen moderieren. Ein rechtsextremer Politiker, den man auch als Faschisten bezeichnen darf, auf dem Podium? Auermann sieht es so: „Wir machen ganz neutrale, unabhängige, überparteiliche Berichterstattung.“ Die AfD nicht einzuladen, fände er angesichts der Umfragezahlen fatal. Die Prognosen in Südthüringen schwankten derzeit bei +/- 30 Prozent für die AfD, „da muss man auch davon ausgehen, dass das +/- 30 Prozent unserer Leser sind“.
Weitere Informationen unter bjv.de/afd-berichterstattung
Dieser Artikel erschien zuerst im BJVreport 3/2024.