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Cool, aber streitbar

21.06.2022

Ausriss von der Website von Regensburg-Digital

Ausriss von der Website von Regensburg-Digital

Regensburg Digital startete einst mit dem Slogan „unabhängig, mutig, unterfinanziert”

Für ihn sei Stefan Aigner einst das Vorbild für sein eigenes Blog gewesen, sagte vor einigen Wochen bei einer BJV-Veranstaltung Stephan Hörhammer, Mitgründer von des Blogs Hog’n.

Seit 2008 betreibt der 48-jährige Aigner das „unabhängige Nachrichtenportal“ regensburg-digital.de. Imponierend sei vor allem, dass Aigner bis heute investigativen Journalismus betreibe, lobte der Kollege aus Hinterschmiding-Herzogsreut.

Mittlerweile haben sich Aigner und seine Mitstreiter*innen bundesweit mit ihrer Art der lokalen Berichterstattung einen Namen gemacht.

Gerichtsprozesse gefährden Existenz
Die kritische Haltung gefällt nicht jedem. Gerichtsprozesse mit Gegnern wie dem Rüstungskonzern Diehl, der Möbelkette XXXLutz oder dem Bistum Regensburg gefährdeten in den letzten Jahren die Existenz des Portals und seines Betreibers.

Bislang kam er immer glimpflich aus Streitereien heraus. Doch jedes Mal entstanden Anwaltskosten – und freilich zehre so etwas am Nervenkostüm, gesteht der aus
dem Bayerischen Wald stammende Journalist ein. „Hauptsache es kostet mich Zeit und Geld“, scheine oft das Motiv hinter juristischen Beschwerden gegen Regensburg Digital zu sein.

Förderverein als Haupteinnahmequelle
Doch Aigner kann sich auch über starke Rückendeckung freuen. Die Haupteinnahmequelle für das Portal ist seit dem Start ein Förderverein, der für etwa 70 Prozent der Einnahmen neben der Bannerwerbung und sonstigen Einnahmen durch Spenden sorge. Rund 280 Mitglieder zahlen regelmäßig freiwillige Beiträge ein, berichtet der zweite Vorsitzende des Vereins zur Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt e.V., Peter Sturm.

Mit den Einnahmen werden Journalistenhonorare und Internet-Kosten finanziert. Sturm, der eine kleine Druckerei betreibt und sich Räume mit Aigner teilt, betont jedoch, dass der Verein nicht in die Berichterstattung eingreife. Dieser habe sich sehr gut entwickelt, die Mitgliederzahlen wachsen, um die 20 neue Mitglieder könne man jährlich gewinnen. Regensburg mit seinen gut 150.000 Einwohnern habe die Mindestgröße für so einen Förderverein, erklärt Sturm. Für Kosten bei Rechtsfällen sei vom Verein ein eigenes Sonderkonto eingerichtet worden.

„Old School-Format“
Aigner besetzt die einzige Vollzeitstelle, sein Salär sei nach wie vor ein besseres Volontärsgehalt, sagt er, doch wirkt darüber nicht unglücklich. Freie unterstützen ihn. Geplant sei, einmal in der Woche ein Videoformat auszuprobieren. „Wir sind halt ein ‚old school-Format‘, sagt Aigner und lacht. Die Nutzerzahlen seien stetig steigend, bis zu 200.000 Zugriffe zähle man monatlich.

Sinkende Einnahmen bei der Werbung in der Corona-Zeit habe es bis dato kaum gegeben. Die neue Konkurrenz durch eine verstärkte Lokalberichterstattung der Regensburger Zeitung des Straubinger Verlegers
Martin Balle (wir berichteten im BJVreport 5/2021: Verleger-Monopoly in Ostbayern) seit August 2021 spüre man kaum. Balles Blatt schaltet sogar Anzeigen auf Aigners Portal.

Stefan Aigner bleibt streitbar
„Ich bin etwas cooler geworden“, sagt Aigner bezüglich der nicht immer ganz einfachen Lage für sein Portal. 2008 war er mit dem Leitmotiv „Unabhängig, mutig, unterfinanziert“ gestartet, alles bewahrheitete sich wie ein Omen im Laufe der Jahre.

Wenige Tage nach dem Gespräch mit Aigner meldet das Portal: „Im Rechtsstreit unserer Redaktion mit der BTT Bauteam Tretzel GmbH hat das Oberlandesgericht Nürnberg die Berufungsklage des millionenschweren Unternehmens nahezu vollständig abgewiesen und die Zulässigkeit unserer Berichterstattung in allen zentralen Punkten bestätigt.“

Doch Aigner ist trotz dieses binnen gut zwei Jahren mühsam erfochtenen Erfolgs nicht milde gestimmt: „Sollte die Notwendigkeit einer neuerlichen Berichterstattung zu BTT oder Herrn Tretzel gegeben sein, werden wir uns auch weiterhin nicht davon abhalten lassen, diese zu veröffentlichen“, teilt er seinen Leser*innen mit.

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+++ 23.12.2022, Regensburg Digital: Kleine Bilanz, großer Dank – und kurze Pause

+++ 11.05.2023, Regensburg Digital: Rechtsstreit um Fechter-Recherche: Landgericht Regensburg gibt uns recht

Erschienen im BJVreport 3/2022 (blätterbare Version / PDF-Version)

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