Corona-Hilfen: Ein Vorschuss für fiktive Betriebskosten
Rechtsanwalt Jakob Bürner gestikuliert mit seiner Hand
BJV-Justiziar Jakob Bürner informierte über die Neustarthilfe des Bundes
BJV-Justiziar Jakob Bürner erklärte, worauf Freie bei der Beantragung der Neustarthilfe des Bundes achten sollten
Im Soforthilfe-Dschungel von Ländern und Bund als Soloselbständige*r den Überblick zu behalten, ist alles andere als einfach. Als die Fachgruppe freie Journalist*innen vor Kurzem über das Soloselbstständigenprogramm des Freistaats Bayern informierte, blieben vor allem auch Fragen zur Bundeshilfe für künstlerische Berufe, der so genannten „Neustarthilfe“, offen. Neu war dabei für viele, dass unter Umständen beide Hilfen auch parallel in Anspruch genommen werden können.
Die Fachgruppe lud deshalb erneut zu einer FREIstunde EXTRA ein, der stellvertretende Fachgruppen-Vorsitzende Martin Semmler moderierte. BJV-Anwalt Jakob Bürner gab den rund 25 Teilnehmer*innen beim Online-Info-Abend diesmal jede Menge Hintergrundwissen zur Neustarthilfe des Bundes an die Hand. Diese gewährt eine fiktive Betriebskostenhilfe.
Der Unterschied zur Überbrückungshilfe III
Mit anderen Worten: Die Neustarthilfe geht von einem fiktiven Betriebskostenumfang aus, der dann auch direkt ausgezahlt wird. Die ebenfalls vom Bund verabschiedete Überbrückungshilfe III indes wird nur ausgezahlt für tatsächlich angefallene Betriebskosten. Das heißt: Für Selbstständige mit sehr hohen Betriebskosten ist eine Beantragung der Überbrückungshilfe III sinnvoll. Bei freiberuflichen Journalist*innen allerdings fallen meist nicht allzu hohe Betriebskosten an. Hier ist die Beantragung der Neustarthilfe geeigneter.
Neustarthilfe
Die Neustarthilfe ist quasi eine besondere Antragsart der Überbrückungshilfe III, dadurch stehen die beiden Bundeshilfen laut Bürner im absoluten Konkurrenzverhältnis. Das heißt: Beantragt werden kann in dem Fall entweder die eine oder die andere Hilfe. „Man muss sich entscheiden, welche Variante geeigneter ist“, sagte der Jurist. Und zwar im Vorhinein, denn der Antrag kann nur einmal gestellt werden, auch nachträgliche Korrekturen sind nicht möglich. „Man muss sich Zeit nehmen und alle Angaben gründlich und richtig machen“, erklärte der BJV-Justiziar.
Steuerberaterkosten können angerechnet werden
Die Überbrückungshilfe III kann desweiteren nur über Steuerberater*in oder Anwalt/Anwältin beantragt werden. Die Neustarthilfe indes kann auch als Direktantrag gestellt werden. Die Kosten bei Zuhilfenahme eines Steuerberaters oder einer Steuerberaterin sind aber dennoch förderungsfähig bis zu einer Höhe von 250 Euro oder, bei einem höheren Förderungsvolumen, mit bis zu fünf Prozent der Fördersumme. „Wer sich den Direktantrag nicht selbst zutraut, kann dies also sehr wohl auch durch einen Steuerberater machen lassen“, riet Bürner.
Antragsberechtig ist, wer hauptberuflich selbstständig ist, das heißt, man muss seinen Umsatz aus mindestens 51 Prozent der selbstständigen Tätigkeit erzielen. Man darf, wie erwähnt, noch keinen Antrag im Zuge der Überbrückungshilfe III oder der Neustarthilfe gestellt haben. Und der Beginn der selbstständigen Tätigkeit muss vor dem 1. Mai 2020 erfolgt sein.
Bei geringem Umsatzrückgang droht Rückzahlung
Die Hilfe existiert laut Bundesregierung, um erhebliche Umsatzrückgänge zu kompensieren. Die Rede ist in Zusammenhang mit der Neustarthilfe regelmäßig von einem Umsatzrückgang von mindestens 60 Prozent.
Hier betonte Bürner mehrfach: Dies sei jedoch keine Antragsvoraussetzung, zumal ein Selbstständiger oder eine Selbstständige zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht sagen könne, wie hoch der Umsatzrückgang am Ende tatsächlich ausfällt. Allerdings droht bei einem möglicherweise nur geringen Umsatzrückgang, dass ein großer Teil des Geldes oder auch der komplette Betrag wieder zurückgezahlt werden muss. „Es macht meiner Meinung nach keinen Sinn einen Antrag zu stellen, wenn man nur mit geringen Umsatzrückgängen rechnet“ sagte Bürner.
Der Betriebskostenvorschuss, wie die Auszahlung genannt wird, wird nach der Beantragung im gesamten Betrag ausgezahlt, in der Regel geschieht dies zügig. In der zweiten Jahreshälfte muss der Soloselbständige dann bis spätestens 31. Dezember 2021 die tatsächlichen Umsätze des ersten halben Jahres eintragen. Anhand dieses Betrags wird dann errechnet, inwieweit ein Teil des Vorschusses oder auch das gesamte Geld zurückgezahlt werden muss.
So berechnet sich der Referenzumsatz
Die Höhe des Vorschusses für den Antragszeitraum Januar bis Juni 2021 berechnet sich wie folgt: Um den Referenzumsatz 2019 zu bestimmen, wird der durchschnittliche monatliche Umsatz des Jahres 2019 zugrunde gelegt, sprich, der Jahresumsatz wird durch zwölf geteilt und dieser Betrag dann wieder versechsfacht. Einfacher formuliert: Der Referenzumsatz beträgt in der Regel 50 Prozent des Gesamtumsatzes im Jahr 2019. Davon wiederum werden 50 Prozent aber maximal 7500 Euro erstattet. Dieser Vorschuss wird dann komplett ausgezahlt.
Bei einem Umsatzrückgang von 60 Prozent oder mehr, kann der Antragsteller den gesamten Vorschuss ohne Kürzung behalten. Bekannt ist auch, dass er komplett zurückzuzahlen ist bei einem Umsatzrückgang von weniger als zehn Prozent. Bislang nicht veröffentlich ist, wie hoch die anteilige Rückzahlung ausfällt bei einem Umsatzrückgang von weniger als 60 aber mehr als zehn Prozent. Entsprechend konnte Jurist Jakob Bürner hierzu keine Angaben machen.
Antrag bis Ende August möglich
Gestellt werden kann der Antrag auf die Neustarthilfe bis Ende August, nötig ist dafür das Elsterzertifikat. Hier geht es zum Direktantrag. Als hilfreiches Erklärtool zur Antragstellung verwies Bürner abschließend auf ein Schritt-für-Schritt-Tutorial der IHK Oldenburg.
Michaela Schneider