Bayern muss von Rückforderungen der Corona-Soforthilfe bei freien Journalisten absehen
In einem Schreiben an Markus Söder und Hubert Aiwanger weist der BJV auf die prekäre Lage der Freien hin.
Viele freie Journalistinnen und Journalisten erreichte im Dezember überraschend Post vom bayerischen Wirtschaftsministerium (StMWi). Es handelte sich um eine Aufforderung, ihre Umsätze während der Bezugszeit für die sogenannte Corona-Soforthilfe online zu erfassen. Die Folge für viele Freie dürften hohe Rückzahlungsforderungen sein. Dabei hatte das Bayerische Wirtschaftsministerium eine allgemeine Überprüfung der Corona-Soforthilfe zuvor ausgeschlossen. Viele Solo-Selbstständige hatten sich zudem darauf verlassen, dass die Corona-Soforthilfe von 5000 Euro nicht zurückgezahlt werden müsse, wie zunächst von der Politik suggeriert.
Der Bayerische Journalisten-Verband wies bereits vor Weihnachten des vergangenen Jahres Ministerpräsident Markus Söder und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger auf die fatalen Folgen ihres Vorgehens für freie Journalist:innen hin. In einem Schreiben erklärten Sie die existenzbedrohende Lage, die vielen freiberuflichen Journalistinnen und Journalisten durch die Rückzahlungen droht, und forderten, auf diese zu verzichten.
„Unsere freiberuflichen Kolleginnen und Kollegen haben sich von der Corona-Krise kaum erholen können. Durch die hohe Inflation und immer neue Sparmaßnahmen journalistischer Medien sind die finanziellen Polster bei vielen aufgebraucht“, sagt der BJV-Vorsitzende Michael Busch: „Die bayerische Regierung muss davon absehen, die betroffenen freien Journalistinnen und Journalisten durch Rückzahlungen zusätzlich zu belasten. Diese bedrohen Existenzen und letztendlich auch die Medienvielfalt in Bayern, wenn sich Solo-Selbstständige den Journalismus als Beruf nicht mehr leisten können.“
Definitions-Lücken sorgen für Unsicherheit
Anträge für die Corona-Soforthilfe konnten von März bis Mai 2020 gestellt werden. Unkompliziert, unbürokratisch und nicht rückzahlungsfällig sollte die Hilfe sein, wie die Verantwortlichen nicht müde wurden zu betonen.
Die erste Bekanntmachung des Bayerischen Wirtschaftsministeriums vom 17. März nannte als Voraussetzung für die Finanzhilfe eine „aufgrund der Corona-Krise entstandene existenzgefährdende Wirtschaftslage bzw. die Liquiditätsengpässe“, die eidesstattlich zu versichern waren. Genauer definiert wurde dies jedoch nicht. Folglich gingen freie Journalistinnen und Journalisten davon aus, dass ein signifikanter Umsatzrückgang von bis zu 100 Prozent sie selbstverständlich in die genannte existenzgefährdende Wirtschaftslage bzw. den Liquiditätsengpass bringen würde – und stellten Anträge auf die Corona-Soforthilfe.
Erst etwa zwei Wochen danach definierte das bayerische Wirtschaftsministerium den Liquiditätsengpass neu, ohne großes Aufsehen darum zu machen. Nun sollte die Hilfe auf einmal nur noch für Geschäftsausgaben wie etwa Mieten von Geschäftsräumen verwendet werden dürfen, die mangels Einnahmen nicht bezahlt werden konnten. Freie Journalistinnen und Journalisten haben in der Regel nur geringe Betriebsausgaben. Der überwiegende Teil ihres Einkommens finanziert direkt ihren Lebensunterhalt. Ein Unternehmerlohn wird allerdings auf der Kostenseite nicht anerkannt.
Kehrtwende der Politik beim Rückmeldeverfahren
Mit den Schreiben an die Soforthilfe-Bezieher:innen vom Dezember 2022 änderte das bayerische Wirtschaftsministerium sein Vorgehen ein weiteres Mal signifikant. Auf der Website des Ministeriums wurde zuvor monatelang verkündet:
„Die Soforthilfen wurden als Billigkeitsleistung beruhend auf seriösen Prognosen der Antragsteller in einem vereinfachten Verwaltungsverfahren gewährt. Es handelt sich dabei um kein Förderprogramm, in dem entsprechend den Vorgaben im Bewilligungsbescheid im Nachgang ein Nachweis über die Verwendung der gewährten Mittel vorzulegen ist (Verwendungsnachweis). In Bayern wird auch kein allgemeines Rückmeldeverfahren durchgeführt, da die Bewilligungsstellen bereits im Rahmen der Gewährung der Soforthilfen den Liquiditätsengpass zum Teil umfassend geprüft haben.“ (Archiv-Link)
So erweckte man den Eindruck, dass das Land Bayern auf Rückmeldungen und Rückzahlungen verzichte und den Vorgang abgeschlossen habe. Noch im September 2022 hieß es auf der Website des Ministeriums zur Corona-Soforthilfe: „Die Soforthilfen wurden als Billigkeitsleistung in einem vereinfachten Verwaltungsverfahren gewährt, sodass im Nachgang kein Kostennachweis über die Verwendung der gewährten Mittel vorzulegen ist (sog. Verwendungsnachweis).“ (Archiv-Link)
Nun sollen hunderte freie Journalistinnen und Journalisten in Bayern, die Corona-Soforthilfe beantragt und bewilligt bekommen hatten, doch noch Berechnungen für die Rückmeldung anstellen. Abgesehen vom Aufwand für diese droht voraussichtlich vielen eine Rückzahlung der sicher geglaubten Hilfe. Der BJV setzt sich dafür ein, dass das Bayerische Wirtschaftsministerium den Ernst der wirtschaftlichen Lage für freiberufliche Journalist:innen erkennt und auf Rückforderungen an diese verzichtet.
Was Betroffene jetzt tun sollten
Betroffen ist, wer von März bis spätestens 31. Mai 2020 die Corona-Soforthilfe beantragt hat. Wer andere, spätere Hilfsprogramme während der Corona-Pandemie beantragt hat, ist nicht betroffen.
Derzeit ist nicht absehbar, ob eine positive politische Lösung, für die der BJV sich einsetzt, gefunden werden kann. Ebenso gibt es zu den Rückforderungen noch keine Präzedenzurteile in Bayern. Zur eigenen Absicherung sollte man daher unbedingt Rücklagen für eine entsprechende Rückforderung bilden, sofern man dazu in der Lage ist.
Tendenziell haben diejenigen, die vor dem 31. März Corona-Soforthilfe beantragt haben, bessere Chancen, keine Rückzahlung leisten zu müssen, wenn sie ein entsprechender Bescheid erreicht, da bis zu diesem Zeitpunkt der „Liquiditätsengpass“ noch nicht genauer definiert war. Da dieser bei späteren Anträgen klar definiert war, sind hier die Chancen, einer Rückzahlung zu entgehen, entsprechend schlechter. Es spielen jedoch bei allen Anträgen, auch vor dem 31. März, zahlreiche individuelle Faktoren, wie zum Beispiel das private Vermögen im Antragszeitraum, eine Rolle in der rechtlichen Bewertung.
Um die möglichen Folgen für sich abschätzen zu können, sollten Betroffene den Betrag der möglichen Rückforderung berechnen (vom StMWi „Überkompensation“ genannt). Dazu muss zunächst der sogenannte „Liquiditätsengpass“ für die Bezugsmonate berechnet werden (Geschäftliche Ausgaben minus Einnahmen). Die Differenz zwischen diesem „Liquiditätsengpass“ und der erhaltenen Corona-Soforthilfe entspricht der voraussichtlichen Rückforderung. Auf der Website des StMWi gibt es eine Berechnungshilfe.
Zwar soll die Berechnung der „Überkompensation“ laut der FAQ des StMWi sofort geschehen, dies ist auch für die eigene Finanzplanung sinnvoll. Für die Rückzahlung und -meldung ist allerdings eine Frist bis zum 30. Juni 2023 gesetzt. „Sollte dies aufgrund der besonderen wirtschaftlichen Situation nicht möglich sein“, heißt es in der FAQ: „besteht die Möglichkeit, bis Juni 2023 einen Teilbetrag anzusparen und ab Mitte Juni 2023 im begründeten Einzelfall Ratenzahlung für den Restbetrag zu beantragen.“
Eine Servicehotline und -Mailadresse des BayStMWi scheint derzeit überlastet zu sein.
Bei weiteren Fragen können sich betroffene BJV-Mitglieder an rechtsberatung@bjv.de wenden.
Benedikt Frank