Feines Hörwerk aus der Podcast-Schmiede
Das „Kugel und Niere“-Team (von links): Christian Alt, Michael Bartlewski, Anna Bühler und Elisabeth Veh
Das „Kugel und Niere“-Team (von links): Christian Alt, Michael Bartlewski, Anna Bühler und Elisabeth Veh
„Kugel und Niere“ erzählen und produzieren mit viel Leidenschaft Audio-Shows
Obacht, Sie könnten hier eventuell dazu animiert werden, überhaupt oder noch mehr als bisher schon gute Podcasts anzuhören. Mit dem Produzieren sogenannter immersiver Podcasts möchte die Münchner Kugel und Niere GmbH, „die Hörer*innen vergessen lassen, dass sie eigentlich schon vor drei Stationen aus U-Bahn hätten aussteigen müssen.
Sie wollen fesselnde Audio-Geschichten erzählen, die Menschen bewegen sollen“, lobte 2019 eine Fachjury das Podcast-Team, seither zählt es zu den „Kultur- und Kreativpilot*innen Deutschland”. „Wir lieben das Geschichten erzählen. Egal ob dokumentarisch, journalistisch oder in Unterhaltungsshows – unser Herz schlägt für gute Storys“, sagen sie über sich selbst.
Sie produzieren Podcasts als Auftragsarbeiten unter anderem für das ZDF-Wissenschaftsformat „Terra X“, Audible (Anbieter von Hörbuch-Downloads), den Spiegel, den Audio-Streaming-Dienst Spotify, die Bundeszentrale für politische Bildung („Netz aus Lügen“) oder den Bayerischen Rundfunk. Dort habe auch alles angefangen, erzählt Christian Alt aus dem vierköpfigen Geschäftsführungsteam beim Besuch in den Büroräumen von Kugel und Niere. Der Firmenname benennt übrigens die beiden gängigsten Mikrofontypen.
Bei „Puls“, dem jungen Content-Netzwerk des BR, arbeiteten die vier späteren Gründer*innen unter anderem am ersten Storytelling-Podcast des BR „Einfach machen“. Dort sprang auch der Podcast-Funke endgültig auf das Quartett über. „Wir wollten noch mehr und auch unabhängiger machen“, sagt Alt. Das Team habe beschlossen „in Vollzeit Podcasts zu machen“. Bereut habe er das nie. Angefangen habe man im Januar 2018 mit „Der Moment“ bei Audible, 72 Folgen erschienen. Die Macher*innen erzählten darin Geschichten über die größten Abenteuer im Leben: „Geschichten von Ruhm und Risiko, vom Aufsteigen und Fallen. Wie gehen Menschen damit um?“.
Ganz unterschiedliche Zielgruppen bedienen zu können, sei Teil der Herausforderung, aber auch Teil des Charmes dieses Jobs. Man könne unterschiedliche Herangehensweisen austesten, erklärt Alt. Der 34-Jährige studierte Germanistik und Philosophie und widmet sich in Zuge seiner journalistischen Arbeit gerne der Pop- und Netzkultur.
Launemacher „Darwin gefällt das“
Neben Auftragsarbeiten produziert die mittlerweile auf zwölf Mitarbeiter*innen gewachsene GmbH als zweite Säule Eigenproduktionen. Eine davon ist „Darwin gefällt das“, ein Podcast „über die Irrwege, die ‚Epic Fails‘ der Geschichte“. Vermarktet wird das Angebot von verschiedenen Anbietern. Das Format fesselt und macht gleichermaßen gute Laune.
Doch lässt sich damit auch Geld verdienen? Der Werbemarkt fürs Genre wachse in Deutschland stetig, sagt Alt. Besonders schätzten Vermarkter Host-Reads – von den Produzenten Produzenten selbst eingesprochene Werbebotschaften. „Von der Konzeption und Produktion über die Autorenschaft und das Hosting machen wir alles“, zählt Alt auf.
Außerdem biete man Beratungen und Schulungen an. Den Hörstücken merkt man an, dass darin immens viel Arbeit steckt: Für den wöchentlichen 30-Minüter „Wissen weekly“ (bei Spotifiy), ein wissenschaftsjournalistisches Format für Leute um die 25, müssen mehrere Gesprächspartner*innen gefunden werden, die Sendung müsse geskriptet und durchproduziert werden.
‚Bald feiere man die hundertste Folge. Selbst in der Wissenschaft sei diese „Wissenschafts-Show für junge Menschen“ inzwischen ein Begriff, bei Spotify ranke sie weit oben. Und „herzerfüllend“ sei zuweilen die Resonanz der Hörer*innen. Auf einen Aufruf bei „Darwin gefällt das“ erfolgten in dieser Woche wohl um die 200 Reaktionen via Instagram. Zugehört wird in den verschiedensten Situationen – von der U-Bahn-Fahrt bis hin zur Küchenarbeit. Um so weit zu kommen, brauchte es viel Einsatz.
Das Unternehmen sei organisch gewachsen und eigenfinanziert. Betriebswirtschaftliches eignete man sich selbst an und gelernt habe man, sagt Alt, dass „Anwälte nie raugeschmissenes Geld“ sind. Die Zukunft übrigens ist längst angekommen bei „Kugel und Niere”. Man nutze KI seit einigen Jahren, beispielsweise mit automatischen Transkriptionsprogrammen, die den Workflow sehr verschnellert hätten. Und angedacht ist eine Klausur, um konzentriert über den Nutzen weiterer Tools nachzudenken – etwa das automatische Erstellen von Folgenzusammenfassungen oder das Umwandeln sprachlich anspruchsvoller Podcasts in einfache Sprache oder die Sprach- und Stimmsynthese.
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Erschienen im BJVreport 2/2023 (blätterbare Version / PDF-Version)
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