Geld als Hebel zur Selbstbestimmung
Claudia Müller im Zoom-Gespräch mit den BJV-Frauen
Claudia Müller im Zoom-Gespräch mit den BJV-Frauen
Die Ökonomin Claudia Müller sprach vor mehr als 80 Teilnehmerinnen der Fachgruppe Chancengleichheit über „Finanzen für Frauen“
„Wir müssen nicht reich sein, um zu investieren; aber wir müssen investieren, damit es reicht“, sagte Claudia Müller. Die Fachgruppe Chancengleichheit des BJV hatte die Ökonomin und Gründerin des „Female Finance Forums“ zu einem Online-Vortrag zum Thema „Finanzen für Frauen“ eingeladen. Mehr als 80 Teilnehmerinnen schalteten sich zu, mit dem Thema hatte Fachgruppenvorsitzende Daniela Wartelsteiner ins Schwarze getroffen.
Erkenntnis: Geld ist Macht
Kennengelernt hatte sie die Referentin beim Herbstreffen der „Medienfrauen“ der öffentlich-rechtlichen Sender. Jetzt erzählte Wartelsteiner: Claudia Müller wollte wohl bereits als Kind Gutes tun und landete später beruflich zunächst in der Entwicklungsarbeit. Hier spielte ihr jedoch die Politik zu intensiv hinein. Müller aber nahm für sich mit: Geld ist Macht.
Nach einem beruflichen „Zwischenstopp“ bei der Deutschen Bundesbank, wo sie für nachhaltige Geldanlagen verantwortlich zeichnete, machte sich Müller vor vier Jahren mit ihrem Unternehmen „Female Finance Forum“, einem Bildungsanbieter, selbstständig – und zwar vor allem auch aus der Überzeugung heraus, dass Geld ein entscheidender Hebel zur Gleichberechtigung und Selbstbestimmung ist.
2020 ist ihr Buch „Finanzen – Freiheit – Vorsorge. Der Weg zur finanziellen Unabhängigkeit – nicht nur für Frauen“ erschienen. Regelmäßig wird sie von Medien inzwischen als Expertin angefragt.
Geld macht „zu authentischeren Menschen“
„Ich glaube, dass Geld uns zu authentischeren Menschen macht“, sagte sie nun zu den BJV-Frauen. Sei es, um als Freiberuflerin einen Auftrag, der nicht zum eigenen Weltbild passt, abzulehnen; um Geld zu spenden; oder auch um den Ehemann verlassen zu können, wenn er Frau und Kindern nicht gut tue. Auch betonte Müller: Geld ermögliche gesellschaftliche Teilhabe und stärke die Demokratie.
Bei einer Befragung der Bundesregierung, was Lebensqualität für die Bevölkerung bedeutet, landete direkt hinter „Frieden und Sicherheit“ an zweiter Stelle die finanzielle Absicherung. Eine Studie überdies zog die Ökonomin heran, um zu belegen, dass Armut intellektuell einschränke. Getestet wurde der Intelligenzquotient von Zuckerrohrbauern. Direkt nach der Ernte, also zum Zeitpunkt des vollen Geldbeutels, lag dieser demnach im Schnitt um 13 IQ-Punkte höher als vor der nächsten Ernte.
Jetzt anfangen, die Rentenlücke zu schließen
Ausführlich analysierte die Referentin anhand zweier Durchschnittspersona, Anna und Marc, auch, weshalb Frauen die größte Risikogruppe für Altersarmut bilden – angefangen bei befristeten Verträgen, über Arbeit in Teilzeit, Kindererziehungszeiten, weniger Rentenpunkten bis hin zur längeren Lebenserwartung.
Claudia Müller verwies gleichzeitig auf die Faustregel, dass es im Rentenalter 70 Prozent des Bruttolohns brauche, um den Lebensstandard zu halten. Die Rentenbezüge liegen jetzt allerdings schon nur noch bei 44,4 Prozent, Tendenz sinkend.
Es geht also darum zu überlegen, wie sich diese Lücke schließen lässt. Altersvorsorge – Müller spricht eigentlich lieber von Altersvorfreude – basiere, so man seinen Lebensstandard halten wolle, immer auf den drei Säulen der gesetzlichen Rente, der betrieblichen Rente (im Falle freiberuflicher Journalist*innen stattdessen etwa auch der Künstlersozialkasse) und der privaten Vorsorge.
Clever investieren, statt Geld auf dem Sparkonto zu lagern
Keine gute Idee ist es in zinsfreien Zeiten, das gesamte Vermögen auf dem Sparkonto liegen zu lassen. Durch den Zinseszinseffekt verbleibt dann nach 30 Jahren von 10.000 Euro nur noch die Hälfte.
Wer dagegen clever investiert, kann aus 10.000 Euro 58.000 machen. Wo aber informieren? Vom Gang zum Bankberater riet Müller ab, er wolle die Produkte der eigenen Bank verkaufen und sei entsprechend nicht Berater, sondern Verkäufer. Eher empfahl sie den Gang zum unabhängigen Honorarberater oder der Verbraucherzentrale.
Liquidität, Absicherung, Altersvorsorge
Das „Finanzhaus“, das die Referentin nun aufbaute, bestand aus den Etagen Liquidität, Absicherung, Altersvorsorge sowie Vermögen. Vorneweg brauche es Transparenz. Müller empfahl, mindestens drei Monate lang ein Haushaltsbuch zu führen, um zu verstehen, wohin das eigene Geld überhaupt fließt.
Als nächstes gehe es darum, klare Prioritäten zu setzen und „bewusst weniger Geld auszugeben, für Dinge, die mir weniger wichtig sind, um Geld für die Dinge zu haben, die mir wichtig sind“. Im Budget eingeplant sein sollte eine Sparrate, dieses Geld sollte auf einem separaten Konto liegen, um sich das Prinzip „aus den Augen aus dem Sinn“ zunutze zu machen.
Vorneweg: Einen Notgroschen ansparen
Anfangs, so Müller, sollten 20 Prozent des Gehalts komplett in einen Notgroschen fließen; je nach Lebenssituation und eigenem Sicherheitsempfinden riet sie dazu, drei bis sechs Monatsgehälter anzusparen. Ist der Notgroschen aufgebaut, kann gesplittet werden und ein größerer Teil der Sparrate investiert werden.
„Jeder Cent zählt“
„Jeder Cent zählt“, betonte Müller, ehe sie aufs „magische oder auch frustrierende Dreieck der Geldanlage“ aus Rendite, Liquidität und Sicherheit einging. Denn bedient werden können eigentlich immer nur zwei der drei Ecken.
Entsprechend sollte einer Finanzplanung eine Lebensplanung vorausgehen, bei der man sich bewusst macht, wie viel Geld kurz- oder mittelfristig verfügbar sein sollte. Warum? Kurzfristig sei die Börse eine Achterbahn, langfristig jedoch ein Renditebringer.
Als großen Vorteil gegenüber Geldanlagen in Immobilien machte die Referentin die niedrige Einstiegshürde aus: „Ich kann auch mit zehn Euro starten.“ Und: Wer global und breit gestreut auf verschiedene Branchen setzt, spekuliere nicht, sondern investiere. Ausführlich erläuterte sie die Unterschiede zwischen Fonds und ETF-Sparplänen und sprach über die ersten Schritte an die Börse.
Führerschein ja, Mechanikerin nein
Müller riet dazu, sich einzulesen, sagte aber auch: „Du musst den Börsenführerschein haben, aber keine Automechanikerin sein, um zu investieren.“ Sie selbst macht nur einmal im Jahr „Dagobert-Duck-Tag“, an dem sie die Investitionen hinterfragt. Die übrige Zeit lässt sie ihr Geld für sich arbeiten.
Michaela Schneider