„Gemeinsam kann man unheimlich viel erreichen“
Cover des Grafikmagazin 02/2022 „Wissenschaft & Kommunikation“
Cover des Grafikmagazin 02/2022 „Wissenschaft & Kommunikation“
Crowdfunding-Kampagne zeigte: Viele glauben an das neue Grafikmagazin
In der Corona-Krise ein hochwertiges und relativ teures Printmagazin zu gründen – das klingt eigentlich ziemlich verwegen. Mitte 2020 kündigte der Grünwalder Stiebner Verlag an, dass er seine Monatszeitschrift novum – World of Graphic Design nicht weiterführen werde; das 1924 gegründete Magazin sollte nur noch bis Januar 2021 erscheinen und mit einem anderen Heft kooperieren.
Für die Mitarbeiter*innen, die zum Teil schon Jahrzehnte an diesem optisch sehr edlen Heft arbeiteten, war das ein Schock. Der Arbeitsmarkt in diesem Segment ist überschaubar. Vier Kolleg*innen rauften sich zusammen, ein Art Director, ein Marketingspezialist sowie die Journalistinnen Sonja Pham und Christine Moosmann, die schon über 20 Jahre für novum arbeitete, zuletzt als Chefredakteurin.
Die Marke novum vom Verlag abzukaufen, kam nicht in infrage, die Preisvorstellungen seien zu hoch gewesen, sagt Moosmann. „Erstmal sind wir in Urlaub gegangen, jeder sollte für sich bis Ende August entscheiden, wie es weitergehen könnte“, erzählt Pham. Dann war man sich einig: „Wir haben wirklich Lust drauf – wir gründen unser eigenes Heft.“
So entstand die Idee für das Grafikmagazin. Freilich hieß das, dass man alle Dinge, die mit einer Gründung zusammenhängen „von der Pike auf lernen musste“, so Pham. Als große Stütze erwies sich dabei eine Kolumnistin der novum, die Rechtsanwältin Andrijana Kojic, die zur Gründung einer Unternehmergesellschaft (UG) für den Verlag riet.
Neben ihrer Arbeit für die novum beschäftigten sich die Gründer*innen bis zum Jahresende mit ihrem neuen Projekt: dem Phoenix Verlag für Grafikdesign UG. „Das war sportlich“, lacht Pham, die in dieser Phase ein Kind zur Welt brachte. Der Name Phoenix wurde als Reverenz an die Geschichte der novum gewählt, im Berliner Verlag Phönix Druck erschien das Heft in den 1920erJahren erstmals, erzählt Moosmann.
Keine Ahnung vom Verlegerhandwerk
Vom Handwerk des Verlegers hatte man indes keine Ahnung und musste sich von vielen Menschen beraten lassen, schildert die Grafikmagazin-Chefredakteurin. Stark unterstützt habe sie dabei etwa der Verband Druck Medien Bayern, ebenso die Druckerei, in welcher die novum entstanden ist und die auch das neue Magazin druckt, F&W aus Kienberg.
Erfolgreiches Crowdfunding
Über das Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft der Stadt München, #kreativmuenchen, gelang es, an sehr günstige, aber auch repräsentative Büroräume in der Innenstadt zukommen. Über die Kooperation von #kreativmuenchen mit der Crowdfunding-Plattform „Startnext“ konnte eine Crowdfunding-Kampagne für das Grafikmagazin gestartet werden (startnext.com/grafikmagazin).
Es gibt viele Leute, die an diese Idee glaubten“, schildert Pham, die als stellvertretende Chefredakteurin fungiert. 8000 Euro wollte man von Mitte Dezember 2020 bis Ende Januar 2021 einnehmen – 534 Unterstützer*innen sorgten für eine Fundingsumme von 35.688 Euro.
Anfang März war das Grafikmagazin mit einer Auflage von 4000 Exemplaren mit seiner ersten Ausgabe auf dem Markt. Gut die Hälfte habe man verkauft, man sei besser als erwartet gestartet, sagt Moosmann. Die zweite Ausgabe ist jetzt auch erhältlich. Dass das Heft handwerklich einwandfrei ist, versteht sich fast von selbst. „Wenn ein Team gut aufgestellt ist, kann man gemeinsam unheimlich viel erreichen“, resümiert Moosmann. Das Grafikmagazin erscheint sechs Mal jährlich, ein Einzelheft kostet 19,80 Euro. Eindrücke unter grafikmagazin.de.
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Erschienen im BJVreport 3/2021 (blätterbare Version / PDF-Version)
Update Juni 2022
Die Kolleg*innen veranstalten in der Arbeitsgemeinschaft creative paper conference die gleichnamige Tagung am 26. und 27. Juli 2022 in der Alten Kongresshalle in München.
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