„Influencer posten Essen und Strand. Wir haben eine spannende Geschichte.“
Selina Bettendorf, Autorin des Buchs „Instagram-Journalismus für die Praxis“
Selina Bettendorf, Autorin des Buchs „Instagram-Journalismus für die Praxis“
Beim letzten FREItag 2021 der BJV-Fachgruppe Freie ging es um „Instagram-Journalismus“
Es ging zum Beispiel um die eigene Markenbildung, um SEO für Journalist*innen, um gendersensibles Schreiben oder auch um den Weg zum eigenen Buch als Selfpublisher: Vier digitale „FREItage“ im Oktober hatte die BJV-Fachgruppe freie Journalistinnen und Journalisten vollgepackt mit praktischen Tipps und kompaktem Wissen für den Arbeitsalltag. Die insgesamt acht Workshops konnten einzeln gebucht werden oder auch als Paket. Die Reihe endete 2021 mit dem Thema „Instagram-Journalismus – Praktische Tipps fürs Storytelling“, rund 35 Teilnehmer*innen hatten sich per Zoom zugeschaltet.
Als Referentin hatte der Fachgruppenvorstand Selina Bettendorf gewinnen können, Journalistin in der Tagesspiegel-Politikredaktion. 2018 hatte die Berlinerin ihre Masterarbeit über Journalismus und Instagram geschrieben, ihr Buch „Instagram-Journalismus für die Praxis“ liegt beim Axel-Springer-Verlag inzwischen in überarbeiteter und ergänzter Auflage vor.
Ein Publikum unter 35 Jahren erreichen
Instagram sei die perfekte Plattform, um Leute unter 35 Jahren zu erreichen – auch mit journalistischen Inhalten, sagte Bettendorf. Der Haken dabei: Influencer könnten über die Plattform Geld verdienen, Journalisten nicht. Und auch was Reichweiten angeht, können selbst sehr erfolgreiche Medien-Accounts – etwa der New York Times oder der Tagessschau – mit Promiaccounts in keinster Weise mithalten. Als Zielsetzung könne hinter Insta-Journalismus aber die Idee stehen, „Leute auf die Website zu bringen, die den Artikel sonst nicht klicken würden“.
Als Basics erläuterte Selina Bettendorf vorneweg unter anderem den Unterschied zwischen den sich nach 24 Stunden automatisch löschenden Instagram-Stories und dem Instagram-Newsfeed als Startseite, etwas vergleichbar mit Facebook.
Wiederkennungswert und Regelmäßigkeit
Sie legte zudem eine ganz Liste ein Qualitätskriterien vor, die ein guter Instagram-Account mitbringen sollte: Homogenität und Wiedererkennungswert; sehr regelmäßige Veröffentlichungen; positive und negative Themen; keinen Ton in Videos, dafür selbst erstellte Untertitel; einfache Ergänzungen wie Hashtags, Standort und vielleicht auch Verlinkungen für zusätzliche Reichweite; die Interaktion und Kommunikation mit den Nutzern; journalistische Inhalte mit Mehrwert und neben aktuellen Inhalten vor allem auch eigene Recherchen, Infografiken oder Zusammenfassungen; typische Formate im Newsfeed wie Nachrichtenkacheln, Zitatkacheln, Bildergalerien, Videos, Reels (eine kurze Videoform) oder Guides (Artikel).
Instagram-Storys nicht vor 18 Uhr publizieren
Die Referentin empfahl, angereichert um viele praktische Beispiele, Instagram-Storys nach 18 Uhr zu publizieren, sprich zum Feierabend der Follower. Sie sollten kurz und prägnant sein, aus maximal acht Slides bestehen, maximal zwei Minuten dauern und einen roten Faden beinhalten. Eine Moderation sei manchmal sinnvoll, aber kein Muss.
Selina Bettendorfs praktische Tipps beim Filmen: die Kameralinse des Handys säubern, Hochformat filmen, den Flugmodus anschalten, um Störgeräusche zu vermeiden, für ein gutes Licht und einen guten Ton eventuell Zusatztechnik mitnehmen ebenso wie ein Stativ.
Geschichte runterbrechen auf maximal acht Slides
Wie aber können nun typische und für den Journalismus taugliche Storyformate bei Instagram aussehen? „Influencer posten Essen und Strand. Wir haben eine spannende Geschichte zu erzählen“, brachte es Bettendorf auf den Punkt. Bei „Reportage-Storys“ zum Beispiel wird laut der Expertin ein schon vorhandener Online-Artikel auf maximal acht Slides heruntergebrochen und mit Fotos und Text erzählt inklusive Link zum eigentlichen Artikel.
Dies kann gegebenenfalls auf eine Expert*innenstory erweitert werden, indem die Autorin oder der Autor in einem kurzen Video um weitere Informationen oder auch eine persönliche Einschätzung ergänzt. Desweiteren geben Journalist*innen in so genannten Community-Storys Einblicke in ihre Arbeit, im Idealfall bezogen auf die aktuelle Berichterstattung.
„Die fünf wichtigsten Texte des Tages“
„Ankündigungs-Stories“ nennt Bettendorf ein Format, bei dem eine Art Tages- oder Wochenüberblick gegeben wird. Pro Slide werde ein Artikel angeteasert und darauf verlinkt nach dem Motto „Die fünf wichtigsten Texte des Tages“.
Live-Storys schließlich dürften länger als acht Slides sein und können unterschiedlich angegangen werden: In einer Art Liveblog, indem der Journalist oder die Journalistin live vor Ort mit mehreren Fotos, Videos oder auch Text an einem Event teilhaben lässt; im klassischen Livestream etwa von einer Veranstaltung; im Interviewformat mit einem Gesprächspartner oder einer Gesprächspartnerin. Aufwändig, aber sinnvoll: Follower*innen sollten die Möglichkeit bekommen. Fragen zu stellen und mitzureden, Stichwort Interaktion.
Neue Protagonist*innen, Stimmungsbilder, Themenideen
Und auch, wer sich für den Instagram-Journalismus noch nicht so recht erwärmen kann, konnte Tipps mitnehmen aus dem Workshop. Denn die Plattform kann auch taugen, wie Selina Bettendorf aus eigener Erfahrung weiß, um Protagonist*innen zu suchen, Stimmungsbilder einzufangen oder neue Themenideen zu entdecken.
Michaela Schneider