Mitglied werden

„Jeder ist nur Experte auf seinem Gebiet“

09.03.2021

Porträtbild von Carola Göring

Carola Göring, Fachjournalistin für Medizin

Die Fachjournalistin Carola Göring machte bei der BJV-FREIstunde Mut, bei entsprechendem Interesse auch in den Medizinjournalismus einzusteigen

„Es gibt viele Möglichkeiten, in den Medizinjournalismus einzusteigen, auch ohne einen naturwissenschaftlichen Hintergrund“, sagte Carola Göring. Die Fachjournalistin für Medizin aus Weilheim hatte der Fachgruppe freie Journalistinnen und Journalisten angeboten, in einem Impulsreferat Einblicke in ihr Tätigkeitsfeld zu geben. Dabei gab sie den rund zwölf Teilnehmer*innen zahlreiche praktische Tipps mit für den fachjournalistischen Arbeitsalltag.

Die promovierte Biologin hatte seinerzeit ein berufsbegleitendes Fachjournalismus-Studium absolviert, seit mehr als 20 Jahren arbeitet sie als Freiberuflerin, schreibt für zahlreiche renommierte Fachzeitschriften und Fachzeitungen für Ärzte, aber auch für Patienten. Ihr Fachgebiet ist die Onkologie, unter anderem war sie Chefredaktionsmitglied von Onkologie heute.  

„Medizin ist immer relevant“
Medizin sei ein Teil des Wissenschaftsjournalismus, über kein anderes Teilgebiet werde so häufig berichtet, berichtete die Expertin. Gründe gibt es einige: Medizin sei immer relevant, meist sei eine persönliche Nähe zu den Leser*innen da oder auch Betroffenheit und medizinische Themen ließen sich relativ gut personalisieren.

Was schief gehen kann, wenn Redaktionen nicht bewerten
Was schief laufen kann, wenn Publikumsmedien Wissenschaftsthemen aufgreifen, zeigte Göring anhand der Pressemitteilung der Universität Hamburg „Studie zum Ursprung der Corona-Virus-Pandemie veröffentlicht“. In Redaktionen habe keine wirkliche Beurteilung der Pressemeldung stattgefunden, daraus resultierten dann reißerische Nachrichten wie „Corona aus Labor in Wuhan entfleucht“.

Bei den Übermedien entlarvte Stefan Niggemeier das „erfolgreiche Aufmerksamkeits-Management“ der Universität unter der Überschrift „Medien kaufen Uni wüste Materialsammlung als brisante Corona-Studie ab“. Die „Studie“ sei zwar keiner wissenschaftlichen Methode gefolgt, erläuterte Niggemeier. Aber das Wort „Studie“ sei so wenig geschützt wie das Wort „Journalismus“. Mit etwas Glück beeindrucke man ein paar Ahnungslose. „Eine ‚Studie‘, das klingt nach fundiertem, von Profis recherchiertem und überprüftem Wissen. Einen Aufsatz kann jeder Honk schreiben“, sagte Niggemeier.

Wissen, wie Wissenschaftler*innen arbeiten
Erstes Fazit: Wer über Wissenschaft schreibt, muss wissen, wie Wissenschaftler*innen arbeiten – wie sie Fragestellungen formulieren, Wissen zusammentragen, experimentieren, zu reproduzierbaren Ergebnissen kommen, Wissen bewerten, Ergebnisse mit denen anderer Forscher*innen vergleichen und Schlussfolgerungen ziehen.

„Wissenschaftliches Vorgehen ist gar nicht so viel anders als eine gute Recherche. Daher ist der Journalist durchaus befähigt, über wissenschaftliche Themen zu schreiben“, machte Göring Mut.

Fachkenntnis haben, gut erklären können
Zumal es eben für guten Medizinjournalismus nicht allein die Fachkenntnis braucht, sondern auch die Fähigkeit, verständlich erklären zu können. Auch verwies die Expert*in auf Medizinmag – einen Online-Leitfaden für Journalist*innen, in dem unter anderem auch der Umgang mit Studien thematisiert wird.

Medizinjournalist*innen sollten laut Göring die Arbeitsmethoden von Ärzt*innen kennen, klinische Forschung und Studien bewerten können (Mehr dazu auch in dem BSW-Seminar „Wissenschaftliche Studien für die journalistische Arbeit nutzen“ am 21. und 23. September mit Christine Hutterer), Kenntnisse der menschlichen Anatomie haben, aber auch Begeisterung für naturwissenschaftliche Zusammenhänge mitbringen. Spezialwissen auf einem Gebiet, ob als Patient*in oder schlicht Interesse, etwa an Naturheilkunde, lasse sich sicher ebenfalls verwenden, sagte Göring.

„Alle Medien berichten über Medizinthemen“
Mögliche Auftraggeber sind längst nicht nur die Fachmedien. „Alle Medien berichten über Medizinthemen“, betonte die Fachjournalistin. Und noch einen Mutmacher hatte sie für die freien Kolleg*innen dabei: Inzwischen sei das Wissen so komplex, dass sich selbst Fachärzte extrem spezialisierten. „Jeder ist nur Experte auf seinem Gebiet“, sagte Göring und motivierte: „Also traut Euch ruhig ran!“

Recherchetools nutzen – eine Auswahl
Und welche Recherchetools können Medizinjournalist*innen nutzen? Vorneweg nannte Göring das Interview oder auch Hintergrundgespräch mit dem Experten oder der Expertin. Bei Standardwerken aus der Medizin taugen laut der Medizinjournalistin zum Einstieg zum Beispiel Fachbücher für die Pflege, auch das Portal netdoktor.de kann für einen ersten Überblick herangezogen werden. Zu jeder Erkrankung gibt es eine so genannte S3-Leitlinie, recherchieren lassen sich diese auf dem Portal der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften.

Wer Fachartikel aus medizinischen Fachzeitungen lesen will, kann sich etwa einen Zugang zur Bayerischen Staatsbibliothek anlegen. Weiter nannte Göring pubmed.gov und dimdi.de, Selbsthilfegruppen sowie die Pressestellen der Fachgesellschaften. Auch der Informationsdienst Wissenschaft, idw vermittle Ansprechpartner*innen. „Es gibt viele Möglichkeiten zu recherchieren. Blöd ist, wenn man den Faktencheck doch nicht macht“, mahnte die Medizinjournalistin.

„Stundensatz kann ziemlich niedrig sein“
In der späteren Diskussion mit den Teilnehmer*innen fragte Marion Trutter, Vorsitzende der Fachgruppe Freie, unter anderem auch nach Honoraren im Medizinjournalismus. „Als ich vor 30 Jahren angefangen habe, waren sie ganz gut“, antwortete Göring nüchtern.

Und heute? Für 4000 Zeichen gebe es ungefähr 200 Euro, sagte die Fachjournalistin. Sitze man dafür einen ganzen Tag auf einem Kongress oder investiere viel Zeit in die Einordnung von Studien könne der Stundensatz ziemlich niedrig sein.

Michaela Schneider

DJV-Thementag Freie am Montag, 15. März, 11 Uhr bis 18 Uhr
Der Verbandstag ist wegen derCorona-Pandemie ausgefallen, doch wir wollen jetzt auf dem digitalen Thementag Freie am 15. März über einige Ideen diskutieren, und noch einiges mehr.

Jammern hilft nicht. Es braucht Solidarität und Ideen, um den Herausforderungen des Freiendaseins entgegen zu treten. Genau da setzt der Thementag an: er zeigt Möglichkeiten und macht Mut. In allen Modulen ist Mitmachen ausdrücklich erwünscht. Hier finden Sie alle Informationen in einem PDF.

Weitere Artikel im BJV-Blog

BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

20.10.2024

Warnstreikaufruf Bayerischer Rundfunk

Wir bestreiken den Bayerischen Rundfunk ab ab Montag, den 21.10.2024, von 03:30 Uhr bis Dienstag, den 22.10.2024, 03:59 Uhr an allen Standorten.

Mehr
BJVreport
BJVreport

18.10.2024

Wirtschaftsjournalismus - „Es geht nicht um dröge Zahlen“

Gute Regionaljournalist*innen arbeiten heraus, wie Wirtschaftsthemen das Leben der Menschen vor Ort beeinflussen.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

01.10.2024

8. Verhandlungsrunde: Wieder nichts!

Der BR geht keinen Schritt in unsere Richtung.

Mehr
Fachgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Fachgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

27.09.2024

Stiftspitzen und Strategien

BJV-Mitglieder besuchen den Stifteproduzenten Faber-Castell in Stein bei Nürnberg.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

26.09.2024

Streikveranstaltungen in München und Nürnberg

Im Funkhaus München und vor dem Studio Franken setzen die Kolleginnen und Kollegen des BR ein starkes Zeichen.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

25.09.2024

Aufruf zum Warnstreik beim Bayerischen Rundfunk

Wir bestreiken den Bayerischen Rundfunk ab Donnerstag, den 26.09.2024, von 03:30 Uhr bis Samstag, den 28.09.2024, 03:59 Uhr an allen Standorten.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

19.09.2024

Macht Euch bereit für ein starkes Zeichen!

Kaufkraftausgleich:

Im öffentlichen Dienst – Selbstverständlich!

Im öffentlich- rechtlichen Rundfunk – Realitätsfern?

Nicht mit uns!

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

10.09.2024

Kaufkraftausgleich realitätsfern?!

In der heutigen Verhandlungsrunde machte Verwaltungsdirektor Dr. Frenzel klar, dass er die Forderungen der Gewerkschaften und der Beschäftigten nach einem Kaufkraftausgleich für realitätsfern hält.

Mehr
BJVreport
BJVreport

26.08.2024

Bloß nicht übers Stöckchen springen

Im Umgang mit der AfD ist von Medien Pragmatismus und Professionalität gefordert.

Mehr
BJVreport
BJVreport

19.08.2024

Warum verlassen so viele Top-Leute die SZ?

Das Leitmedium des Qualitätsjournalismus muss sparen. Es gehen aber auch die, die es nicht müssten.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

13.08.2024

BR bleibt stur!

Trotz Eurer anhaltend großen Streikbeteiligung hat der BR sein Angebot vom 11. Juli 2024 nicht verbessert. Der BR bleibt bei seinem schlechten Angebot von lediglich 4,71 % auf 24 Monate.

Mehr
Pressefreiheit
Pressefreiheit

09.08.2024

Letzte Generation: Polizei nahm 171 Journalist*innen in „Ohrenschein“

Die Kolleg*innen hatten auf dem Pressetelefon der "Letzten Generation" angerufen und waren abgehört worden. Der BJV kündigt Verfassungsbeschwerde an.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

06.08.2024

Zweitägiger Warnstreik beim Bayerischen Rundfunk

Wir bestreiken den Bayerischen Rundfunk ab Mittwoch, den 07.08.2024, von 03:30 Uhr bis Freitag, den 09.08.2024, 03:59 Uhr an allen Standorten.

Mehr
Fotograf*innen haben Namen
Fotograf*innen haben Namen

06.08.2024

Es bleibt dabei: Fast jeder zweite Bildvermerk falsch

Das „Fotograf*innen haben Namen“-Team prüfte 2326 Fotos in 25 Zeitungen. Die Spitzenreiter bei der korrekten Namensnennung kommen aus Nürnberg.

Mehr
Besser Online 2024
Besser Online 2024

24.07.2024

Alarm im Trollhaus: Demokratie wehrt sich!

Der BJV bietet seinen Mitgliedern einen Fahrtkostenzuschuss nach Leipzig.

Mehr
Nachruf
Nachruf

21.07.2024

Ehrenmitglied Peter Nützel im Alter von 75 Jahren verstorben

Der BJV trauert um seinen ehemaligen Schatzmeister.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

11.07.2024

Streikkundgebung vor dem Funkhaus München

„10,5 Prozent“, riefen mehrere hundert Mitarbeitende bei der Streik-Kundgebung am 11. Juli auf dem Rundfunkplatz. Von den Bläsern der Orchestervereinigung unisono gab es was auf die Ohren.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

09.07.2024

Warnstreik an allen Standorten des Bayerischen Rundfunks

Wir bestreiken den Bayerischen Rundfunk am 11. Juli von 03:30 Uhr früh bis zum 12. Juli um 03:59 Uhr.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

08.07.2024

Kein Kaufkraftausgleich für uns? Unfair!

In der 5. Verhandlungsrunde legt der Bayerische Rundfunk ein Angebot vor - das allerdings keinen fairen Kaufkraftausgleich vorsieht.

Mehr
#BJV24
#BJV24

06.07.2024

BJV ehrt Michael Busch und Marlo Thompson

Die Mitgliederversammlung wählt Michael Busch zum Ehrenvorsitzenden, Marlo Thompson wird Ehrenmitglied.

Mehr