„Jeder ist nur Experte auf seinem Gebiet“
Porträtbild von Carola Göring
Carola Göring, Fachjournalistin für Medizin
Die Fachjournalistin Carola Göring machte bei der BJV-FREIstunde Mut, bei entsprechendem Interesse auch in den Medizinjournalismus einzusteigen
„Es gibt viele Möglichkeiten, in den Medizinjournalismus einzusteigen, auch ohne einen naturwissenschaftlichen Hintergrund“, sagte Carola Göring. Die Fachjournalistin für Medizin aus Weilheim hatte der Fachgruppe freie Journalistinnen und Journalisten angeboten, in einem Impulsreferat Einblicke in ihr Tätigkeitsfeld zu geben. Dabei gab sie den rund zwölf Teilnehmer*innen zahlreiche praktische Tipps mit für den fachjournalistischen Arbeitsalltag.
Die promovierte Biologin hatte seinerzeit ein berufsbegleitendes Fachjournalismus-Studium absolviert, seit mehr als 20 Jahren arbeitet sie als Freiberuflerin, schreibt für zahlreiche renommierte Fachzeitschriften und Fachzeitungen für Ärzte, aber auch für Patienten. Ihr Fachgebiet ist die Onkologie, unter anderem war sie Chefredaktionsmitglied von Onkologie heute.
„Medizin ist immer relevant“
Medizin sei ein Teil des Wissenschaftsjournalismus, über kein anderes Teilgebiet werde so häufig berichtet, berichtete die Expertin. Gründe gibt es einige: Medizin sei immer relevant, meist sei eine persönliche Nähe zu den Leser*innen da oder auch Betroffenheit und medizinische Themen ließen sich relativ gut personalisieren.
Was schief gehen kann, wenn Redaktionen nicht bewerten
Was schief laufen kann, wenn Publikumsmedien Wissenschaftsthemen aufgreifen, zeigte Göring anhand der Pressemitteilung der Universität Hamburg „Studie zum Ursprung der Corona-Virus-Pandemie veröffentlicht“. In Redaktionen habe keine wirkliche Beurteilung der Pressemeldung stattgefunden, daraus resultierten dann reißerische Nachrichten wie „Corona aus Labor in Wuhan entfleucht“.
Bei den Übermedien entlarvte Stefan Niggemeier das „erfolgreiche Aufmerksamkeits-Management“ der Universität unter der Überschrift „Medien kaufen Uni wüste Materialsammlung als brisante Corona-Studie ab“. Die „Studie“ sei zwar keiner wissenschaftlichen Methode gefolgt, erläuterte Niggemeier. Aber das Wort „Studie“ sei so wenig geschützt wie das Wort „Journalismus“. Mit etwas Glück beeindrucke man ein paar Ahnungslose. „Eine ‚Studie‘, das klingt nach fundiertem, von Profis recherchiertem und überprüftem Wissen. Einen Aufsatz kann jeder Honk schreiben“, sagte Niggemeier.
Wissen, wie Wissenschaftler*innen arbeiten
Erstes Fazit: Wer über Wissenschaft schreibt, muss wissen, wie Wissenschaftler*innen arbeiten – wie sie Fragestellungen formulieren, Wissen zusammentragen, experimentieren, zu reproduzierbaren Ergebnissen kommen, Wissen bewerten, Ergebnisse mit denen anderer Forscher*innen vergleichen und Schlussfolgerungen ziehen.
„Wissenschaftliches Vorgehen ist gar nicht so viel anders als eine gute Recherche. Daher ist der Journalist durchaus befähigt, über wissenschaftliche Themen zu schreiben“, machte Göring Mut.
Fachkenntnis haben, gut erklären können
Zumal es eben für guten Medizinjournalismus nicht allein die Fachkenntnis braucht, sondern auch die Fähigkeit, verständlich erklären zu können. Auch verwies die Expert*in auf Medizinmag – einen Online-Leitfaden für Journalist*innen, in dem unter anderem auch der Umgang mit Studien thematisiert wird.
Medizinjournalist*innen sollten laut Göring die Arbeitsmethoden von Ärzt*innen kennen, klinische Forschung und Studien bewerten können (Mehr dazu auch in dem BSW-Seminar „Wissenschaftliche Studien für die journalistische Arbeit nutzen“ am 21. und 23. September mit Christine Hutterer), Kenntnisse der menschlichen Anatomie haben, aber auch Begeisterung für naturwissenschaftliche Zusammenhänge mitbringen. Spezialwissen auf einem Gebiet, ob als Patient*in oder schlicht Interesse, etwa an Naturheilkunde, lasse sich sicher ebenfalls verwenden, sagte Göring.
„Alle Medien berichten über Medizinthemen“
Mögliche Auftraggeber sind längst nicht nur die Fachmedien. „Alle Medien berichten über Medizinthemen“, betonte die Fachjournalistin. Und noch einen Mutmacher hatte sie für die freien Kolleg*innen dabei: Inzwischen sei das Wissen so komplex, dass sich selbst Fachärzte extrem spezialisierten. „Jeder ist nur Experte auf seinem Gebiet“, sagte Göring und motivierte: „Also traut Euch ruhig ran!“
Recherchetools nutzen – eine Auswahl
Und welche Recherchetools können Medizinjournalist*innen nutzen? Vorneweg nannte Göring das Interview oder auch Hintergrundgespräch mit dem Experten oder der Expertin. Bei Standardwerken aus der Medizin taugen laut der Medizinjournalistin zum Einstieg zum Beispiel Fachbücher für die Pflege, auch das Portal netdoktor.de kann für einen ersten Überblick herangezogen werden. Zu jeder Erkrankung gibt es eine so genannte S3-Leitlinie, recherchieren lassen sich diese auf dem Portal der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften.
Wer Fachartikel aus medizinischen Fachzeitungen lesen will, kann sich etwa einen Zugang zur Bayerischen Staatsbibliothek anlegen. Weiter nannte Göring pubmed.gov und dimdi.de, Selbsthilfegruppen sowie die Pressestellen der Fachgesellschaften. Auch der Informationsdienst Wissenschaft, idw vermittle Ansprechpartner*innen. „Es gibt viele Möglichkeiten zu recherchieren. Blöd ist, wenn man den Faktencheck doch nicht macht“, mahnte die Medizinjournalistin.
„Stundensatz kann ziemlich niedrig sein“
In der späteren Diskussion mit den Teilnehmer*innen fragte Marion Trutter, Vorsitzende der Fachgruppe Freie, unter anderem auch nach Honoraren im Medizinjournalismus. „Als ich vor 30 Jahren angefangen habe, waren sie ganz gut“, antwortete Göring nüchtern.
Und heute? Für 4000 Zeichen gebe es ungefähr 200 Euro, sagte die Fachjournalistin. Sitze man dafür einen ganzen Tag auf einem Kongress oder investiere viel Zeit in die Einordnung von Studien könne der Stundensatz ziemlich niedrig sein.
Michaela Schneider
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