Lokalrundfunktage: Lokaler Rundfunk ist unabdingbar
Martina Fehlner auf den Lokalrundfunktagen 2023 in Nürnberg
Martina Fehlner leitete die Gesprächsrunde „Lokalmedien in Zeiten globaler Krisen“ auf den Lokalrundfunktagen 2023 in Nürnberg – das Gespräch wurde von der Arbeitsgruppe Medienpolitik der BayernSPD-Landtagsfraktion angeboten
Wie lokale Rundfunkmacher*innen auf globale Krisen und andere Herausforderungen wie etwa die KI reagieren
Ob Klimawandel, Krieg, Inflation und Energiekrise – die globalen Krisen kommen zunehmend in unserem Alltag an. „Die Weltlage wird immer stärker auch Thema im Lokalen“, sagte Martina Fehlner, MdL, beim Panel der BayernSPD-Landtagsfraktion auf den Lokalrundrundfunktagen in Nürnberg. Wie gehen Journalist*innen im lokalen Rundfunk mit diesen vielfältigen Herausforderungen um?
Radio als erstes soziales Medium
„Wir denken Lokalradio als Community: Wir sehen uns als das erste soziale Medium – bevor es den Begriff überhaupt gab“, beschrieb Fabian Steigerwald, Geschäftsführer des Funkhaus Würzburg und Schweinfurter Rundfunk, die Rolle seiner Hörfunksender in der Region. „Wir wollen auch Good News verbreiten“, bei einem schwierigen Thema wie der Inflation sei das Runterbrechen beispielsweise mit Gamification gelungen: „Die Hörer konnten beim Preisraten teilnehmen: Was kostet ein Pfund Butter?“.
Bei der Krisenberichterstattung die Balance halten
Schwieriger sei es für die Kolleg*innen im lokalen Fernsehen, die globalen Krisen zu vermitteln, berichtete Daniel Pesch Geschäftsführer, TV Mainfranken. Einerseits freue man sich über die höhere Aufmerksamkeit für das eigene Angebot, andererseits gälte es die Balance zu halten: „Wenn ich dem Publikum immer sage: ‚Es ist alles schlecht, es ist vieles teurer, es ist Krieg, wir wissen nicht wo wir die Geflüchteten unterbringen‘, dann gehen die wieder weg“.
Argumente für konstruktiven Journalismus im Lokalen
Der BJV-Vorsitzende Harald Stocker, der vor 30 Jahren beim Nürnberger Franken Fernsehen journalistisch zu arbeiten begann, erkannte damals „dass Lokaljournalisten die Spezialisten für internationale Krisen schlechthin sind, weil diese Themen früher oder später im lokalen Rathaus landen“.
Stocker, der jetzt Wissenschaftsjournalist arbeitet, riet Kolleg*innen, sich verstärkt dem so genannten konstruktiven Journalismus zu widmen: „Ich kann natürlich berichten, hier stirbt unser schöner Steigerwald weg und es entsteht eine Wüste. Ich kann aber auch darüber berichten, wie die besten Wissenschaftler Bayerns daran forschen, wie man das Wasser länger im Wald halten kann, so dass dieses zur Neubildung beiträgt“. Gerade mit der Vermittlung solcher Expertise könnten sich Lokaljournalist*innen profilieren.
Besserer Schutz für Journalist*innen
Um verantwortungsvoll arbeiten zu können sind für Journalist*innen natürlich entsprechende Rahmenbedingungen wichtig. Fehlner erwähnte eine zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft, der Diskurs habe sich verschärft, was Journalist*innen hautnah etwa bei der Berichterstattung über Demonstrationen zu spüren bekämen. 2022 habe es 320 Delikte gegen Pressevertreter*innen gegeben, konstatierte die Politikerin und fragte Stocker, wie der Journalistenverband darauf reagiere.
Intensiverer Austausch zwischen Behörden und Medienschaffenden
Der neue BJV-Vorsitzende schilderte, dass es in der Vergangenheit etwa bei der Berichterstattung über Demonstrationen in der Vergangenheit häufiger Probleme mit Polizeikräften gegeben habe, weil die eingesetzten Beamten noch nicht hinreichend mit der
Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vertraut gewesen seien. Unter anderem seien Journalist*innen öfters angezeigt worden oder Polizeikräfte wollten Chipkarten einsehen. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) habe hierzu unter anderem spezielle Handouts entwickelt. Gemeinsam mit dem Mediennetzwerk Bayern, dem Innenministerium und der Bayerischen Polizei seien in diesem Jahr drei Workshops von Journalist*innen zusammen mit Polizist*innen abgehalten worden. Hierzu sei zum Tag der Pressefreiheit am 3. Mai eine Broschüre erschienen: „Das war unheimlich hilfreich für alle Beteiligten“.
Momentan werde vom BJV zusammen mit den Behörden das so genannte „Kleine Zeugenschutzprogramm“ entwickelt, welches Journalist*innen davor schützen soll, dass ihre Privatadressen etwa bei Anzeigen bei den gegnerischen Parteien sichtbar werden. Insgesamt hoffe Stocker, dass die Probleme für seine Kolleg*innen in diesen Themenfeldern weniger werden. Der Austausch zwischen Behörden und Journalist*innen müsse aufrechterhalten werden, es habe auf beiden Seiten Informationsdefizite gegeben.
Wie denn die Herausforderungen für die Journalistenausbildung aussehen, wollte Fehlner schließlich von Stocker wissen. „Wir müssen die Journalistenausbildung auf den Kopf stellen“, sagte der Journalist, „wir werden in den kommenden Jahren alleine durch KI mit ganz anderen Tools unterwegs sein“. Hierbei sollte die Automatisierung wie etwa bei der Autoindustrie dazu dienen Arbeitsplätze zu schaffen“. Stocker kritisierte dabei die Maßnahmen der Bild, wo der Springer-Konzern durch KI Arbeitsplätze abschaffe.
Medienplattform Bayern soll für bessere Auffindbarkeit sorgen
„KI find ich spannend“, sagte TV-Macher Pesch, „aber einen Roboter will ich nicht ausbilden! Ich will in den nächsten fünf Jahren dort ausbilden, wo mir die KI nicht liefern kann“. Im Gegensatz zur KI könnten Journalist*innen Haltung zeigen. Ein wichtiges Thema sei für ihn dabei auch die geplante Medienplattform Bayern. Diese solle dazu beitragen, dass die lokalen TV-Sender in Zukunft noch besser auf verschiedensten Wegen erreichbar seien. Dabei wolle man sich mit seinen gut recherchierten von gut ausgebildeten Menschen geschaffenen Nachrichten von manipulativen „Fake News“ aus den sozialen Netzwerken absetzen.
KI kritisch hinterfragen
KI als Chance?, wollte Moderatorin Fehlner schließlich von den Kollegen wissen. Stocker plädierte für die sinnvolle Anwendung Künstlicher Intelligenz im Journalismus und nannte als Beispiele die Recherchen der Süddeutschen Zeitung zu den Panama Papers und des Bayerischen Rundfunks mit „Wie Facebook beim Hass im Netz versagt“. Bei beiden Beispielen sei KI unabdingbar gewesen. Hier brauchen wir natürlich entsprechende Kompetenzen in den Häusern. „Auch kleinere Häuser könnten sich zusammentun, wobei dann auch die BLM eine Rolle spielen kann, damit auch kleinere Sender diese Kompetenzen nutzen können“.
Fernsehmacher Pesch ist eher noch skeptisch: „Auf jeden Fall bietet KI für uns Chancen, aber ich sehe auch einen regelrechten Rausch, der kritisch zu hinterfragen ist“. Er nennt als Beispiel einen Bericht über die Ankunft von Flüchtlingen in Würzburg: „Das würde ich die KI nie machen lassen“. „Da bin ganz bei Dir“, sagte sein Kollege Steigerwald, aber er sieht Chancen darin, sein Programm durch Künstliche Intelligenz anzureichern: „An Stellen, wo ich meinen Hörer*innen noch nicht viel bieten kann“.
Lokalrundfunktage 2023 – Rückblick