Mitglied werden

Lokalrundfunktage: Lokaler Rundfunk ist unabdingbar

07.07.2023

Martina Fehlner auf den Lokalrundfunktagen 2023 in Nürnberg

Martina Fehlner leitete die Gesprächsrunde „Lokalmedien in Zeiten globaler Krisen“ auf den Lokalrundfunktagen 2023 in Nürnberg – das Gespräch wurde von der Arbeitsgruppe Medienpolitik der BayernSPD-Landtagsfraktion angeboten

Wie lokale Rundfunkmacher*innen auf globale Krisen und andere Herausforderungen wie etwa die KI reagieren

Ob Klimawandel, Krieg, Inflation und Energiekrise – die globalen Krisen kommen zunehmend in unserem Alltag an. „Die Weltlage wird immer stärker auch Thema im Lokalen“, sagte Martina Fehlner, MdL, beim Panel der BayernSPD-Landtagsfraktion auf den Lokalrundrundfunktagen in Nürnberg. Wie gehen Journalist*innen im lokalen Rundfunk mit diesen vielfältigen Herausforderungen um?

Radio als erstes soziales Medium

„Wir denken Lokalradio als Community: Wir sehen uns als das erste soziale Medium – bevor es den Begriff überhaupt gab“, beschrieb Fabian Steigerwald, Geschäftsführer des Funkhaus Würzburg und Schweinfurter Rundfunk, die Rolle seiner Hörfunksender in der Region. „Wir wollen auch Good News verbreiten“, bei einem schwierigen Thema wie der Inflation sei das Runterbrechen beispielsweise mit Gamification gelungen: „Die Hörer konnten beim Preisraten teilnehmen: Was kostet ein Pfund Butter?“.

Bei der Krisenberichterstattung die Balance halten

Schwieriger sei es für die Kolleg*innen im lokalen Fernsehen, die globalen Krisen zu vermitteln, berichtete Daniel Pesch Geschäftsführer, TV Mainfranken. Einerseits freue man sich über die höhere Aufmerksamkeit für das eigene Angebot, andererseits gälte es die Balance zu halten: „Wenn ich dem Publikum immer sage: ‚Es ist alles schlecht, es ist vieles teurer, es ist Krieg, wir wissen nicht wo wir die Geflüchteten unterbringen‘, dann gehen die wieder weg“.

Argumente für konstruktiven Journalismus im Lokalen

Der BJV-Vorsitzende Harald Stocker, der vor 30 Jahren beim Nürnberger Franken Fernsehen journalistisch zu arbeiten begann, erkannte damals „dass Lokaljournalisten die Spezialisten für internationale Krisen schlechthin sind, weil diese Themen früher oder später im lokalen Rathaus landen“.

Stocker, der jetzt Wissenschaftsjournalist arbeitet, riet Kolleg*innen, sich verstärkt dem so genannten konstruktiven Journalismus zu widmen: „Ich kann natürlich berichten, hier stirbt unser schöner Steigerwald weg und es entsteht eine Wüste. Ich kann aber auch darüber berichten, wie die besten Wissenschaftler Bayerns daran forschen, wie man das Wasser länger im Wald halten kann, so dass dieses zur Neubildung beiträgt“. Gerade mit der Vermittlung solcher Expertise könnten sich Lokaljournalist*innen profilieren.

Besserer Schutz für Journalist*innen

Um verantwortungsvoll arbeiten zu können sind für Journalist*innen natürlich entsprechende Rahmenbedingungen wichtig. Fehlner erwähnte eine zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft, der Diskurs habe sich verschärft, was Journalist*innen hautnah etwa bei der Berichterstattung über Demonstrationen zu spüren bekämen. 2022 habe es 320 Delikte gegen Pressevertreter*innen gegeben, konstatierte die Politikerin und fragte Stocker, wie der Journalistenverband darauf reagiere.

Intensiverer Austausch zwischen Behörden und Medienschaffenden

Der neue BJV-Vorsitzende schilderte, dass es in der Vergangenheit etwa bei der Berichterstattung über Demonstrationen in der Vergangenheit häufiger Probleme mit Polizeikräften gegeben habe, weil die eingesetzten Beamten noch nicht hinreichend mit der
Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vertraut gewesen seien. Unter anderem seien Journalist*innen öfters angezeigt worden oder Polizeikräfte wollten Chipkarten einsehen. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) habe hierzu unter anderem spezielle Handouts entwickelt. Gemeinsam mit dem Mediennetzwerk Bayern, dem Innenministerium und der Bayerischen Polizei seien in diesem Jahr drei Workshops von Journalist*innen zusammen mit Polizist*innen abgehalten worden. Hierzu sei zum Tag der Pressefreiheit am 3. Mai eine Broschüre erschienen: „Das war unheimlich hilfreich für alle Beteiligten“.

Momentan werde vom BJV zusammen mit den Behörden das so genannte „Kleine Zeugenschutzprogramm“ entwickelt, welches Journalist*innen davor schützen soll, dass ihre Privatadressen etwa bei Anzeigen bei den gegnerischen Parteien sichtbar werden. Insgesamt hoffe Stocker, dass die Probleme für seine Kolleg*innen in diesen Themenfeldern weniger werden. Der Austausch zwischen Behörden und Journalist*innen müsse aufrechterhalten werden, es habe auf beiden Seiten Informationsdefizite gegeben.

Wie denn die Herausforderungen für die Journalistenausbildung aussehen, wollte Fehlner schließlich von Stocker wissen. „Wir müssen die Journalistenausbildung auf den Kopf stellen“, sagte der Journalist, „wir werden in den kommenden Jahren alleine durch KI mit ganz anderen Tools unterwegs sein“. Hierbei sollte die Automatisierung wie etwa bei der Autoindustrie dazu dienen Arbeitsplätze zu schaffen“. Stocker kritisierte dabei die Maßnahmen der Bild, wo der Springer-Konzern durch KI Arbeitsplätze abschaffe.

Medienplattform Bayern soll für bessere Auffindbarkeit sorgen

„KI find ich spannend“, sagte TV-Macher Pesch, „aber einen Roboter will ich nicht ausbilden! Ich will in den nächsten fünf Jahren dort ausbilden, wo mir die KI nicht liefern kann“. Im Gegensatz zur KI könnten Journalist*innen Haltung zeigen. Ein wichtiges Thema sei für ihn dabei auch die geplante Medienplattform Bayern. Diese solle dazu beitragen, dass die lokalen TV-Sender in Zukunft noch besser auf verschiedensten Wegen erreichbar seien. Dabei wolle man sich mit seinen gut recherchierten von gut ausgebildeten Menschen geschaffenen Nachrichten von manipulativen „Fake News“ aus den sozialen Netzwerken absetzen.

KI kritisch hinterfragen

KI als Chance?, wollte Moderatorin Fehlner schließlich von den Kollegen wissen. Stocker plädierte für die sinnvolle Anwendung Künstlicher Intelligenz im Journalismus und nannte als Beispiele die Recherchen der Süddeutschen Zeitung zu den Panama Papers und des Bayerischen Rundfunks mit „Wie Facebook beim Hass im Netz versagt“. Bei beiden Beispielen sei KI unabdingbar gewesen. Hier brauchen wir natürlich entsprechende Kompetenzen in den Häusern. „Auch kleinere Häuser könnten sich zusammentun, wobei dann auch die BLM eine Rolle spielen kann, damit auch kleinere Sender diese Kompetenzen nutzen können“.

Fernsehmacher Pesch ist eher noch skeptisch: „Auf jeden Fall bietet KI für uns Chancen, aber ich sehe auch einen regelrechten Rausch, der kritisch zu hinterfragen ist“. Er nennt als Beispiel einen Bericht über die Ankunft von Flüchtlingen in Würzburg: „Das würde ich die KI nie machen lassen“. „Da bin ganz bei Dir“, sagte sein Kollege Steigerwald, aber er sieht Chancen darin, sein Programm durch Künstliche Intelligenz anzureichern: „An Stellen, wo ich meinen Hörer*innen noch nicht viel bieten kann“.
 

Thomas Mrazek

Lokalrundfunktage 2023 – Rückblick

Weitere Artikel im BJV-Blog

BJVreport
BJVreport

31.03.2025

Der Patient am Rande der Stadt

Dem Bayerischen Rundfunk fehlen 70 Millionen Euro und in der neuen Zentrale ist es kalt. Das ist nicht optimal, um endlich vereint in die Medien­zukunft mit KI zu springen.

Mehr
Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz

27.03.2025

Wie KI den Journalismus verändert

Diskussionsrunde beim BR über eines der großen Zukunftsthemen

Mehr
Tarif Tageszeitungen 2025
Tarif Tageszeitungen 2025

25.03.2025

Warnstreikaufruf 26.03.

Wir bestreiken das Main-Echo ab Mittwoch, den 26.03.2025, von 00:00 Uhr bis Donnerstag, den 27.03.2025, 23:59 Uhr an allen Standorten.

Mehr
Tarif Tageszeitungen 2025
Tarif Tageszeitungen 2025

18.03.2025

Impressionen von den Streiks in Bayern

Der Deutsche Journalisten-Verband rief vor der nächsten Verhandlungsrunde zum Tarifvertrag der Tageszeitungen zu bayernweiten Streiks auf.

Mehr
Tarif Tageszeitungen 2025
Tarif Tageszeitungen 2025

17.03.2025

Warnstreikaufruf 18.03.2025

Wir bestreiken die Fränkische Landeszeitung, das Main-Echo, Münchner Merkur/TZ, die Süddeutsche Zeitung und den Zeitungsverlag Oberbayern.

Mehr
Tarif Tageszeitungen 2025
Tarif Tageszeitungen 2025

16.03.2025

Warnstreikaufruf 17.03.2025

Wir bestreiken die Augsburger Allgemeine, die Allgäuer Zeitung und die Nürnberger Nachrichten ab Montag, den 17.03.2025, von 00:00 Uhr bis Dienstag, den 18.03.2025, 23:59 Uhr an allen Standorten.

Mehr
Neumarkt
Neumarkt

11.03.2025

BJV-Ortsverband bestätigt Vorstand

Der Ortsverband Neumarkt des Bayerischen Journalisten-Verbands (BJV) hat seinen bisherigen Vorstand im Amt bestätigt. …

Mehr
Medienforschung
Medienforschung

07.03.2025

Studie: Viele Journalist*innen in Deutschland psychisch belastet

Untersuchung zeigt u.a. hohes Depressionsrisiko, enorme „Berufsausstiegsneigung“ und Burnout-Risiko.

Mehr
Tarif Tageszeitungen 2025
Tarif Tageszeitungen 2025

06.03.2025

Gemeinsam für einen fairen Tarif

Der zweitägige Streik bei der Süddeutschen Zeitung sorgt für Ausfälle. Die Streikenden machen klar: Der Verlegerverband muss eine Tariferhöhung anbieten, die die Inflation ausgleicht.

Mehr
Tarif Tageszeitungen 2025
Tarif Tageszeitungen 2025

05.03.2025

Warnstreikaufruf Süddeutsche Zeitung 06.03.2025

Wir bestreiken die Süddeutsche Zeitung ab Donnerstag, den 06.03.2025, von 00:00 Uhr bis Freitag, den 07.03.2025, 23:59 Uhr an allen Standorten.

Mehr
BJVreport
BJVreport

04.03.2025

Survival-Kit für Freischaffende

Beim FREItag für freie Journalist*innen am 14. März in Nürnberg wird Marion Trutter Tipps zur Stressbewältigung geben.

Mehr
Tarif Tageszeitungen 2025
Tarif Tageszeitungen 2025

25.02.2025

„Wir kämpfen gemeinsam“ – Warnstreik beim Main-Echo in Aschaffenburg

Redaktion und Technik streiken für einen Tag

Mehr
Tarif Tageszeitungen 2025
Tarif Tageszeitungen 2025

25.02.2025

Warnstreikaufruf Main-Echo 25.02.2025

Wir bestreiken das Main-Echo ab Dienstag, den 25.02.2025, von 06:00 Uhr bis Mittwoch, den 26.02.2025, 06:00 Uhr an allen Standorten.

Mehr
München
München

21.02.2025

Trauer um Opfer

Am gemeinsamen Gedenken an die Opfer des Anschlags vom 13. Februar 2025, nahmen gestern im Namen des BJV und des DJV der BJV-Vorsitzende Harald Stocker und Vorstandsmitglied Jürgen Schleifer teil.

Mehr
Bezirksverband München-Oberbayern
Bezirksverband München-Oberbayern

19.02.2025

Schwer zu erreichen: Die Gen Z im Bundestagswahlkampf

Die Gen Z ist online – aber wer erreicht sie wirklich? Eine Expertenrunde diskutiert Social Media, politische Strategien und Medienkompetenz.

Mehr
Pressefreiheit
Pressefreiheit

10.02.2025

Rede von Harald Stocker bei "Demokratie braucht DICH!"

Auf der Theresienwiese München sprach der BJV-Vorsitzende zu den Gefahren für die Pressefreiheit. Über 250.000 Menschen nahmen an der Kundgebung teil.

Mehr
BJVreport
BJVreport

21.01.2025

Interview mit Pressefoto-Bayern-Sieger Raymond Roemke

Ein Fotochronist seiner Zeit - Raymond Roemke ist Gesamtsieger des Wettbewerbs "Pressefoto Bayern 2024".

Mehr
Tarif Tageszeitungen 2025
Tarif Tageszeitungen 2025

20.01.2025

Warnstreikaufruf Süddeutsche Zeitung 21.01.25

Wir bestreiken die Süddeutsche Zeitung ab Dienstag, den 21.01.2025, von 00:00 Uhr bis Mittwoch, den 22.01.2025, 24:00 Uhr an allen Standorten.

Mehr
BJVreport
BJVreport

07.01.2025

Officestory: Der Ethiker im Haus

Die medienethischen Aspekte im Journalismus treiben Sascha Borowski seit frühen Reportertagen um – auch als Redaktionsleiter der Allgäuer Zeitung.

Mehr
BJVreport
BJVreport

19.12.2024

Interview: „Es gibt keinen sicheren Ort für Journalisten“

Der Vorsitzende des ukrainischen Journalistenverbands Sergiy Tomilenko spricht über die Situation der Kolleg*innen in der Ukraine. Der BJV ruft zu Spenden für ukrainische Lokalzeitungen auf.

Mehr