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Die an der Medienzukunft schrauben

13.03.2021

Porträtbild Lena Jakat

Lena Jakat: „Journalismus aus einer ganz neuen Perspektive“

Wenn Journalist*innen Erfahrungen und Wissen weitergeben

Hier finden Sie die per E-Mail geführten Interviews mit den vier Kolleg*innen zum Artikel „Die an der Medienzukunft schrauben – Wenn Journalist*innen Erfahrung und Wissen weitergeben“ von Thomas Mrazek, erschienen im BJVreport 2/2021 (der Artikel ist in einer blätterbaren und einer PDF-Version abrufbar).

Lena Jakat: „Journalismus aus einer ganz neuen Perspektive“
Lena Jakat arbeitet seit Januar 2021 als Senior Program Manager beim Media Lab Bayern. Zuvor war sie ein Jahrzehnt in verschiedenen (Führungs-)Rollen bei der Süddeutschen Zeitung tätig, zuletzt arbeitete sie als Deskchefin in der Online-Redaktion und war verantwortlich für die aktuelle Berichterstattung der SZ auf allen digitalen Kanälen. Vor ihrer Zeit bei der SZ arbeitete sie jeweils zwei Jahre als Reporterin für die Welt am Sonntag und die Augsburger Allgemeine. Außerdem engagierte sich als Dozentin und Trainerin u.a. bei der DJS, bei der ABP, beim ifp und in Medienunternehmen.

Jörg Sadrozinski: „Die Bedeutung des Journalismus für eine offene und demokratische Gesellschaft deutlich machen“
Jörg Sadrozinski arbeitete 20 Jahre bei der ARD, von 1998 bis 2011 führte er die Redaktion von tagesschau.de, von 2011 bis 2017 leitete er die Deutsche Journalistenschule (DJS), an der er selbst ausgebildet wurde. Jetzt ist er bei der Journalismus-Webakademie Reporterfabrik für Medienkompetenzprojekte wie etwa Journalismus macht Schule verantwortlich.

Jana Wiske: „Etwas Neues und Wunderbares – junge Menschen ausbilden“
„Sportjournalistin ist ein Traumberuf“, sagt die Nürnbergerin Jana Wiske. Nach 17 Jahren als Redakteurin arbeitet sie seit 2017 als Professorin an der Fakultät Medien der Hochschule Ansbach. Sie schreibt nebenbei noch für den Kicker und außerdem Bücher, zuletzt erschien von ihr 2020 im Herbert von Halem Verlag Krisenkommunikation komplex – 11 Analysen prominenter Fälle mit medialer Einordnung und Nachbetrachtung beteiligter Experten.

Tanjev Schultz: „Ich habe mich nicht vom Journalismus abgewandt, im Gegenteil“
Tanjev Schultz arbeitete von 2005 bis 2016 als Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung (einen guten Überblick über sein vielfältiges Wirken gibt die Wikipedia) ist seit 2016 Professor am Journalistischen Seminar und am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seine Schwerpunkte in Lehre und Forschung sind journalistisches Schreiben und journalistische Darstellungsformen, Vertrauen in die Medien, Verschwörungsmythen, Ethos und Ethik des Journalismus, Medien und Demokratie, Medien und Extremismus/Terrorismus, Pressefreiheit, Investigativer Journalismus und Datenjournalismus. Schultz gehört dort auch dem Team an, welches im April die neue Ausgabe der Langzeitstudie Medienvertrauen herausgegeben hat.

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Lena Jakat: „Journalismus aus einer ganz neuen Perspektive“

Sie arbeiten seit Januar als Senior Program Manager beim Media Lab Bayern, zuvor waren Sie ein Jahrzehnt „in verschiedenen (Führungs-) Rollen“ bei der Süddeutschen Zeitung, zuletzt als Deskchefin in der Online-Redaktion tätig. Was hat Sie zu diesem Wechsel aus dem aktuellen Journalismus in die jetzige Tätigkeit bewogen?

Nach zehn – großartigen Jahren – bei der SZ ist bei mir der Wunsch gewachsen, noch einmal etwas ganz neues auszuprobieren und zu lernen. Die Energie, die Innovationsfreude, die im Media Lab gelebt wird, ist absolut mitreißend. Es ist auch ein guter Ort, um den Journalismus aus einer ganz neuen Perspektive kennenzulernen und all das aufzusaugen, was an Ideen, Visionen und Trends für die digitale Medienzukunft zu herumschwirrt.

Sie beschreiben sich bei LinkedIn selbst mit „Don't hesitate, innovate! Online-Journalistin mit Lust auf die Zukunft.“ Wie können Sie in Ihrem jetzigen Job diese Zukunft mitgestalten?

Indem ich zum einen die Gründer:innen in unserem Förderprogramm Media Startup Fellowship bestmöglich dabei unterstütze, ihre Vision zu verwirklichen: Wir entwerfen und organisieren Workshops und Coachings, veranstalten Netzwerktreffen oder vermitteln den Startups gezielt Kontakte, zum Beispiel in Sender oder Verlage. Zum anderen entstehen im Media Lab immer wieder neue Projekte, die neue Wege in diese Zukunft zeigen oder bauen: Ganz neu ist zum Beispiel das Media Company Fellowship, dass Medienhäuser dabei helfen soll, eine eigene Innovationskultur zu etablieren.

Welche Fähigkeiten aus Ihrer Zeit im tagesaktuellen Journalismus können Sie da besonders gut anwenden?

Im Media Lab haben wir mit sehr vielen sehr unterschiedlichen Startups zu tun – vom Online-Magazin bis zur KI-gestützen Schnittsoftware. Da hilft es, sich schnell in Sachverhalte hineindenken zu können. Auch im Media Lab gilt es, Dinge zu hinterfragen und die ein oder andere kritische Frage zu stellen. Und schließlich geht es in meinem neuen Job wie in meinem alten sehr viel um Kommunikation und um Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten Teams – dafür konnte ich in meiner Schnittstellenfunktion am Newsdesk viel wertvolle Erfahrung sammeln. Und unseren Start-ups kann ich mit meinem Netzwerk und meinem Wissen über redaktionelle Abläufe weiterhelfen.

Wie könnte sich denn Ihrer Meinung nach der Journalismus weiterentwickeln: Auf der einen Seite die großen „Medientanker“ wie die Süddeutsche Zeitung und einige andere, und auf der anderen viele kleine vielleicht auch sehr spezialisierte Beiboote mit kleiner Besatzung … Oder was schwebt Ihnen da so vor?

Puh, was für eine schwierige Frage, da mag ich kaum eine Prognose wagen! Ich bin absolut davon überzeugt, dass es Qualitätsjournalismus immer geben wird – aber ob es in zehn, 15 Jahren die großen, bekannten Medienmarken alle noch gibt? Ich bin gespannt, wie sich der Wettbewerb entwickelt, wenn immer mehr Menschen ein, zwei Digitalabos abgeschlossen haben. Der Markt ist ja begrenzt. An die Zukunftschancen von Special Interest-Angeboten glaube ich ebenso wie an die Überlebenskraft im Lokaljournalismus. Da gibt es noch einiges zu tun – und genug Platz für das ein oder andere neue spannende Angebot.

Sie haben in den Vorjahren ja auch bei der Deutschen Journalistenschule (DJS) unterrichtet, das war für Sie sicherlich auch sehr gewinnbringend. Würden Sie Journalist*innen empfehlen – auch mal so wie Sie es jetzt tun – in benachbarten Bereichen jenseits der redaktionellen Routine zu arbeiten; kann dies einen auch persönlich weiterbringen?

Absolut. Wir arbeiten in einem Beruf, der sich wahnsinnig schnell verändert, von dem niemand weiß, wie genau er in ein paar Jahren aussehen wird, welche Fähigkeiten dann gefordert sind. Für diesen ständigen Wandel ist es meines Erachtens essentiell, dass man sich die Fähigkeit erhält, neues zu lernen – und die Offenheit für andere Perspektiven.

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Jörg Sadrozinski: „Die Bedeutung des Journalismus für eine offene und demokratische Gesellschaft deutlich machen“

„Ich will was ich in diesem Beruf gelernt habe, weitergeben“, wurde kürzlich Dein Kollege Cordt Schnibben zu seinem Engagement für die Reporterfabrik zitiert. Ist dies auch das Leitmotiv für Deine Arbeit dort?

Als mich Cordt Schnibben ansprach, ob ich mir vorstellen könne, bei der Reporterfabrik mitzuarbeiten, war ich zunächst skeptisch. Das Konzept, mit Onlinekursen journalistisches Know-how weiterzugeben, hatte ich mir als Leiter der Deutschen Journalistenschule lediglich als Ergänzung zu Präsenzveranstaltungen vorstellen können. Mittlerweile bin ich – auch durch eigene Lehrtätigkeiten und Beschränkungen durch Corona – davon überzeugt, dass dies ein sehr guter Weg ist, um Wissen zu vermitteln.

Meine Motivation ist also eher Neugier auf neue Techniken des Lernens und der Wissensvermittlung als der Wunsch, das, was ich selbst kann und gelernt habe, weiterzugeben. Ich lerne selbst noch viel durch unsere Kurse und die großartigen Dozentinnen und Dozenten. Trotzdem gebe ich natürlich auch das, was ich in meinem Beruf gelernt habe, gerne weiter.

Du warst von 2011 bis 2017 Leiter der Deutschen Journalistenschule (DJS) und zuvor 13 Jahre lang Redaktionsleiter von tagesschau.de. Was hat Dich damals zum Wechsel in die Journalistenausbildung bewogen?

Ich habe ja selbst meine Ausbildung zum Redakteur an der DJS absolviert, war und bin der DJS emotional, aber auch als Mitglied im Förderkreis und in der Aufnahmekommission verbunden. Als mein Vorgänger Uli Brenner in den Ruhestand ging, wurde seine Nachfolge auch unter den Alumni ausgeschrieben. Leiter einer Institution zu werden, an der man selbst ausgebildet wurde und mit der man viel Gutes verbindet, ist allein schon reizvoll.

Aber ich habe mich schon während meiner 20 Jahre bei der ARD in der Volontärsausbildung engagiert, habe als Dozent für verschiedene Ausbildungseinrichtungen gearbeitet und hatte immer ein Interesse daran, junge Menschen zu fördern, weil ich das wichtig finde. Es ist eine Investition in die Zukunft des Berufs und bringt außerdem unglaublich viel Spaß und Erfüllung.

Auch heute freue ich mich sehr, wenn ehemalige Volontärinnen und Volontäre oder DJS-Absolventinnen und -Absolventen Erfolg im Beruf haben, coole Jobs bekommen oder Preise gewinnen. Insofern war es ein Glück, dass ich diese Chance bekommen habe!

Jetzt bis Du bei der Reporterfabrik verantwortlich für die Medienkompetenzprojekte dort und nebenbei arbeitest Du noch als Lehrbeauftragter und wohl auch noch ein wenig als Journalist.

Hauptziel der Reporterfabrik ist die Vermittlung von Medienkompetenz – wir haben mit „Reporter4you" ein zusätzliches Angebot geschaffen, das sich speziell an Schülerinnen und Schüler richtet. Also das, was die Reporterfabrik an journalistischen Workshops und Tutorials bietet, in kompakterer, leichterer und jugendaffinerer Form aufbereitet. Daneben gibt es Unterrichtsmaterial zu journalistischen Themen. Dazu haben wir ein Vernetzungsangebot geschaffen, mit dem Schulen Journalistinnen oder Journalisten für Workshops buchen und dabei über die Gefahren von Falschnachrichten, über Recherche oder die Bedeutung der Pressefreiheit sprechen können.

Nachdem ich München und die DJS 2017 verlassen habe, bin ich von Heiner Butz, einem ehemaligen ZDF-Kollegen, der einen sehr fortschrittlichen und praxisnahen Studiengang „Multimedia-Production“ an Hochschulen in Chur und Bern verantwortet, angesprochen worden, ob ich ihn unterstützen könne. Mittlerweile sind andere Anfragen und Aufträge hinzugekommen. Das Thema „Lehre“ hat mich nicht losgelassen – auch, weil es sehr befriedigend ist, mit jungen motivierten Menschen zu arbeiten, nehme ich solche Aufträge gern wahr.

Du hast bereits 2001 das erste Schulprojekt bei ARD aktuell mit 45 Klassen aus Hamburg initiiert, wie weit sind wir in der Medienkompetenz heute?

Medienkompetenz ist ein sehr weiter Begriff: Manche verstehen ja schon das unfallfreie Einschalten eines Beamers darunter … Aber Scherz beiseite: Als wir damals das erste Schulprojekt durchgeführt haben, spielte Social Media noch keine Rolle. Klassische Medien – also TV, Radio und Zeitung – gehörten auch bei Schülerinnen und Schülern noch zum Alltag. Das ist heute komplett anders. Jede/r kann veröffentlichen, Informationen weiterleiten und sich in eigenen Filterblasen die eigene Welt basteln.

Medienkompetenz, insbesondere Nachrichten- und Informationskompetenz, ist heutzutage wichtiger denn je. Falschnachrichten und Verschwörungstheorien verunsichern nicht nur junge Menschen, sondern tragen dazu bei, dass sich die Gesellschaft insgesamt spaltet. Wenn wir dagegen nichts tun – auch als Journalistinnen und Journalisten – werden wir Zustände wie in den USA bekommen. Es gibt zwar in Deutschland viele Medienkompetenzprojekte und -initiativen, ich beobachte aber, dass die nicht systematisch und überall genutzt werden. Deshalb haben wir uns zum Ziel gesetzt, die Angebote und die Verantwortlichen stärker miteinander zu vernetzen.

Die Initiative „Journalismus macht Schule“ ist eines der Projekte der Reporterfabrik. Ihr seid erst 2020 gestartet, wie ist die Resonanz bei Journalist*innen (wieviele Kolleg*innen haben sich angemeldet) und bei Schulen; wie viele Schulbesuche haben seither analog und digital stattgefunden?

„Journalismus macht Schule“ ist ein offenes Projekt verschiedener Akteure: Initiiert von Journalistinnen und Journalisten der Süddeutschen Zeitung und der Zeit, zahlreichen weiteren Medienunternehmen – sowohl öffentlich-rechtliche wie private Rundfunkanstalten sowie Verlage – die gemeinsam mit Lehrerinnen und Lehrern, Landesmedienanstalten und Landeszentralen der politischen Bildung und vieler anderer Medienkompetenz an Schulen mithilfe von Journalistinnen und Journalisten ermöglichen wollen.

Die Reporterfabrik ist nur eine der Beteiligten und unterstützt das Projekt mit ihrem Know-how, mit vielen Kontakten und der Erfahrung von rund hundert Schulbesuchen in ganz Deutschland. Über unsere Website und das entsprechende Kontaktformular haben sich bundesweit fast 600 Journalistinnen und Journalisten angemeldet und sich bereit erklärt, in Schulen über die Gefahren und das Erkennen von Falschnachrichten, über Recherche, die Bedeutung der Pressefreiheit oder über ihre Arbeit zu sprechen.

Derzeit bereiten wir eine bundesweite Aktion zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai vor. Dabei werden prominente Journalistinnen und Journalisten wie beispielsweise Claus Kleber, Giovanni di Lorenzo, Mai Thi Nguyen-Kim und viele andere mehr mit Schulklassen ins Gespräch kommen. In den folgenden Tagen und Wochen schließen sich auf Landesebene Schülermedientage an, die den Klassen ermöglichen, an Werkstattgesprächen und Workshops teilzunehmen und direkt mit Journalistinnen und Journalisten in Kontakt zu kommen.

Sehr negativ für dieses Projekt hat sich vermutlich Corona erwiesen: Zum einen bei der Vermittlung, die in Präsenz wohl noch effizienter und planbarer wäre und zum anderen bei der Desinformation (auch wenn die Pandemie täglich lebensnahe Anschauungsbeispiele liefert).

Präsenzveranstaltungen wären natürlich vorzuziehen, aber auch Online ist ja eine Menge möglich. Und es ergeben sich Chancen: In vor-pandemischen Zeiten hätte niemand darüber nachgedacht, dass Journalistinnen und Journalisten auch „virtuell“ – also per Videokonferenz – in eine Klasse „gehen“ könnten. Wenn die Schulen technisch entsprechend ausgestattet und die Lehrerinnen und Lehrer dazu bereit sind, kann das sogar einfacher und effizienter sein, als eine lange vorher geplante Präsenzveranstaltung. Anreisen entfallen, auch Auslandskorrespondentinnen und -korrespondenten können direkt mit den Klassen sprechen. Ich glaube, es braucht einfach mehr Mut, ungewöhnliche und neue Wege zu gehen und die Bereitschaft, mit Herausforderungen durch die Pandemie, die uns ja noch länger beschäftigen werden, umzugehen.

Welchen kurzfristigen Nutzen haben Journalist*innen, welchen Nutzen kannder Journalismus à la longue aus diesem Projekt ziehen?

Wir beklagen ja schon seit einiger Zeit, dass dem Journalismus – wie auch der Politik, der Kirche und anderen Institutionen – weniger vertraut wird. Ich bin davon überzeugt, dass wir durch Projekte wie diesem mehr Vertrauen schaffen. Durch Transparenz, durch Dialog, dadurch, dass wir die Bedeutung des Journalismus für eine offene und demokratische Gesellschaft deutlich machen.

Wer Journalismus für wertvoll hält, ist auch eher bereit, dafür zu bezahlen. Der kurzfristige Nutzen für Journalistinnen und Journalisten besteht einfach darin, Erfahrungen mit jüngeren Menschen zu sammeln, mit deren Einstellungen, Vorurteilen oder Ängsten. Da können Ideen für Themen und Geschichten entstehen, Protagonisten gefunden oder Kontakte geknüpft werden. Oder es macht einfach Spaß, jungen Leuten etwas beizubringen, was sie vorher noch nicht kannten.

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Jana Wiske: „Etwas Neues und Wunderbares – junge Menschen ausbilden“

Du hast bis 2017 als Redakteurin rund 17 Jahre beim Kicker gearbeitet. Warum bist Du dann an eine Hochschule gewechselt?

Das war keine leichte Entscheidung, Sportjournalistin ist ein Traumberuf. Ich habe mich 2017 jedoch nicht gegen diesen Beruf entschieden, ich schreibe ja bis heute noch für den kicker und bin im Sportjournalismus weiter verankert. Ich habe mich nach 17 Jahren viel mehr für etwas Neues und Wunderbares entschieden: Ich darf mein Wissen weitergeben und junge Menschen ausbilden.

Haben Dich vielleicht Deine zahlreichen Lehraufträge seit 2005 während der Kicker-Zeit auch dazu bewegt? Würdest Du Kolleg*innen dazu raten, es mal mit einem Lehrauftrag auszuprobieren, was gehört dazu; was bringt es für Journalist*innen, was für die Student*innen?

Die Lehraufträge waren sicher eine Entscheidungshilfe. Das Lehren ist nicht jedermanns Sache. Ich fand es immer klasse. Deshalb klare Antwort: Unbedingt mal ausprobieren! Die Studierenden sind sehr dankbar für so exklusive Einblicke in die berufliche Praxis. Von der persönlichen Weiterentwicklung der Journalist*innen mal ganz abgesehen, ergeben sich viele Synergien: Akquise von Praktikant*innen, freien Mitarbeiter*innen oder Werksstudent*innen quasi aus erster Hand, ein frischerer Blickwinkel oder neue Themenanregungen bzw. wichtige Erkenntnisse rund um den Medienkonsum der jungen Generation.

Du bist recht vielfältig an der Hochschule Ansbach engagiert, neben verschiedenen Funktionen in der Lehre, bist Du auch zu mehreren Themen in der Medienforschung aktiv. Inwieweit meinst Du mit Deinen Tätigkeiten den Journalismus zumindest im Kleinen weiterbringen, auf welche Schwierigkeiten triffst Du dabei?

Ob jetzt Studien rund um bezahlte Pressereisen im Sport, oder Krisenkommunikation in Pandemiezeiten – ich versuche, praxisnah zu forschen und aktuelle Entwicklungen einzubinden. Es geht im Ergebnis immer um konkrete Lösungsansätze, die hoffentlich in der Praxis Anwendung finden. Aber natürlich möchte nicht jedes Medienhaus, nicht jeder Kommunikator seine Problemfelder offen legen. Da hilft mein Netzwerk, das ich bis heute im Journalismus und im Sport habe. Leider bleibt nicht so viel Zeit für die Forschung, die Lehre hat natürlich Vorrang.

Wieviel angehende Journalist*innen und Unternehmenskommunikator*innen studieren denn aktuell in Ansbach?

Immer zum Wintersemester starten im Bachelor Ressortjournalismus etwa 100 Studierende. Den Master PR/Unternehmenskommunikation gehen ca. 30 Studierende jedes Jahr an.

Du weißt, dass beispielsweise an Deinem Wohnort Nürnberg bei den hiesigen Verlagen Stellen abgebaut werden – andernorts sieht es ähnlich schlecht aus. Braucht es da noch weitere – wie ich meine – sehr gut ausgebildete Journalist*innen? Wie kommen Eure Absolvent*innen unter?

Ich sehe mich auch als Brückenbauerin zur Praxis und freue mich immer riesig, wenn Studierende beim kicker oder in anderen Medienhäusern unterkommen. Ich bin der Meinung: Es braucht weiterhin sehr gut ausgebildete Journalist*innen. Der Bedarf ist schon noch da. Aber keine Frage, die Situation wird für die Absolvent*innen nicht leichter. Letztlich hat die Hochschule Ansbach mit dem Start des Masters PR/Unternehmenskommunikation vor einigen Jahren auch reagiert. Wir bereiten den Nachwuchs flexibler für den Arbeitsmarkt vor. Wer im Journalismus nicht unterkommt, schafft es vielleicht in der Unternehmenskommunikation. Hier braucht es ebenfalls journalistisches Handwerk und crossmediale Expertise.

Wie wirkt sich Corona vor allem auf die Lehre für Euch aus?

Nun, ich kann mein heimisches Arbeitszimmer bald nicht mehr sehen …Letztlich konzentriert sich alles auf die digitale Lehre live aus dem Homeoffice. Das ist sehr unbefriedigend für beide Seiten: Wir sehen uns immer nur via Bildschirm. Und es verlangt viel Kreativität, die jungen Leute aus der Ferne bei Laune zu halten. Immerhin: Hochkarätige Gastredner*innen lassen sich in diesen Zeiten leichter verpflichten. Die lange Anreise nach Ansbach fällt ja weg.

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Tanjev Schultz: „Ich habe mich nicht vom Journalismus abgewandt, im Gegenteil“

Sie folgten 2016 von der Süddeutschen Zeitung, wo Sie zuletzt als Politik-Redakteur arbeiteten, einem Ruf an das Journalistische Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, wo Sie seither als Professor lehren und forschen. Sie waren bei der SZ an den mitunter spannendsten und zugleich auch anspruchsvollsten Themen beteiligt – wie schwer fiel Ihnen die Entscheidung für die Universitätslaufbahn?

Ganz leicht fiel es mir nicht, denn es war eine gute Zeit und sehr interessant für mich bei der SZ. Neben dem journalistischen schlägt aber auch ein akademisches Herz in meiner Brust. Wieder stärker in die Forschung eingebunden zu sein und sich intensiver auch auf theoretische Fragen einzulassen, ist reizvoll für mich. Und es macht es mir Freude, Jüngere zu fördern und zu sehen, welche tollen Menschen in die Redaktionen nachrücken werden. Ich habe mich nicht vom Journalismus abgewandt, im Gegenteil.

Sie publizieren über Journalismus, Sie lehren das Handwerk: Können Sie mit Ihrer Arbeit dazu beitragen, Fach-Kolleg*innen und Studierende zu mehr Reflektion über das eigene Tun anregen?

Das hoffe ich natürlich. Als Lehrender sollte man sich aber nicht überschätzen, meine Studierenden lernen sicherlich vieles von allein und auch viel voneinander. Dafür brauchen sie allerdings Gelegenheiten. Und wenn ich außer den zentralen Regeln des Handwerks, die ich vermittle, zum Nachdenken anregen oder ein paar hilfreiche Hinweise geben kann: umso besser. Das Zweifeln zu kultivieren, das ist mir wichtig. Couragiert und kritisch den Mächtigen begegnen – unbedingt! Sich aber nicht einbilden, die Weisheit gelöffelt zu haben. Fast immer sind die Dinge, wenn man sie noch weiter und noch tiefer recherchiert, doch etwas komplizierter, als es zunächst aussah.

Wo könnten beispielsweise wir Gewerkschaften, Initiativen wie Netzwerk Recherche oder Correctiv, einzelne Kolleg*innen in Projekten, Journalist*innen, Wissenschaftler, Stiftungen, Politiker noch ansetzen, um die Zukunft des Journalismus besser zu sichern?

Es passiert ja schon eine Menge, entscheidend bleibt die Frage: Woher kommt das Geld für anspruchsvollen Journalismus? Kann es gelingen, den Lokaljournalismus nicht nur zu retten, sondern neu zu beleben – und zwar nicht nur als kleines Projekt hier und dort, sondern in der Breite? Ich gehöre zu denen, die der Ansicht sind, es sollte auch offen über ganz neue Finanzierungswege gesprochen werden, ohne diese Diskussion sofort abzuwürgen.

Und: Auch wenn viele Verlage Projekte wie „Zeitung in der Schule“ anbieten, ist die Medienarbeit noch immer zu wenig im Bildungssystem verankert. Die Lektüre (digitaler) Zeitungen gehört für mich ab Klassenstufe 5 regulär und dauerhaft in den Schulunterricht. Jeden Tag, jede Woche, jedes Jahr. Wäre das abschreckend? Nun, wir verlangen doch auch, dass die Kinder rechnen lernen oder Goethe lesen. Die Zeitungslektüre gehört zur Bildung und zur Schule einfach dazu. Wirkt das zwanghaft? Sollte es nicht. Es geht um Leidenschaft für den Journalismus und um seinen Wert für die Gesellschaft und das Individuum.

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