Mehrwertsteuer: Nicht „durchmauscheln“
Rund 15 Kollegin*innen besuchten den Online-Stammtisch zum Thema Mehrwertsteuer: im Bild Martin Semmler von der Fachgruppe Freie und die Referentin Constanze Elter
Befristete Senkung der Mehrwertsteuersätze: Expertin Constanze Elter erklärt, worauf freie Journalist*innen jetzt achten sollten
Nach dem Bundesrat hatte am Montag auch der Bundestag das milliardenschwere Corona-Konjunkturprogramm der Bundesregierung gebilligt. Ein Baustein des Gesetzespakets: Die Mehrwertsteuersätze werden befristet bis zum Jahresende von 19 auf 16 Prozent und von 7 auf 5 Prozent gesenkt. In Kraft getreten sind die Maßnahmen zum 1. Juli.
Während das so genannte zweite Corona-Steuerhilfegesetz die geschwächte Kaufkraft der Bürger stärken soll, sorgt es bei manchem Freiberufler derzeit eher für Unsicherheit: Welche Auswirkungen hat dies ganz konkret aufs Arbeitsleben? Worauf gilt es in den nächsten Wochen beim Rechnungen schreiben zu achten? Und was passiert beispielsweise wenn ein Magazinartikel erst nach Monaten gedruckt wird?
„Beschluss von historischer Dimension“
Um diese und andere Fragen zu klären, hatte die BJV-Fachgruppe Freie Journalisten zum inzwischen vierten Online-Stammtisch Steuerfachjournalistin und Buchautorin Constanze Elter zum Kurzvortrag geladen. Als Frau vom Fach verwies sie vorweg auf die historische Dimension des Beschlusses: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik würden Mehrwertsteuersätze gesenkt, das habe es so vorher noch nie gegeben.
Eine Frage sei, ob das Gesetz tatsächlich den Effekt auf die Kaufkraft der Bürger*innen haben werde, den man sich wünsche. „Auf jeden Fall hat es einen Effekt für Unternehmer und Unternehmerinnen. Wir müssen uns nämlich drum kümmern, dass die Rechnungen weiterhin korrekt sind“, sagte Elter.
„Für Freie gar nicht so schlimm“
Ihre gute Nachricht in die Freien-Runde: „Es ist für viele Unternehmer schwierig, aber für freie Journalisten ist es eigentlich gar nicht so schlimm.“ Warum? Weil Freie in der Regel nicht mit Endverbraucher*innen abrechnen, sondern mit Unternehmer*innen, für die die Mehrwertsteuer ebenso Durchlaufposten bleibt wie für den Freien selbst.
Entscheidend: Der Zeitpunkt der Vollendung
Die zentrale Frage, die vor allem in der „Übergangszeit“ umtreibt: Wann ist welcher Steuersatz anzuwenden? Elter kann darauf klar antworten: Maßgebend für den anzuwenden Steuersatz ist, wann der Umsatz ausgeführt wurde. Bei sonstigen Leistungen gilt der Zeitpunkt der Vollendung.
Heißt im Falle eines freien Journalisten oder einer freien Journalistin: Entscheidend ist, wann ein Beitrag abgeliefert, beziehungsweise abgenommen wurde. Das Datum der Veröffentlichung etwa oder der Rechnungsstellung spielt keine Rolle. „Wann habe ich ein Seminar gehalten? Wann habe ich einen Dreh vollendet?“, nennt Elter weitere Beispiele.
Wenn also in der Praxis ein Artikel noch im Juni abgeliefert wurde, jedoch erst im Juli erscheint, greift der Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Wird ein Artikel erst im Juli vollendet, gilt der gesenkte Satz von fünf Prozent. Und selbst, wenn eine Rechnung „verdaddelt“ und erst 2021 gestellt wird für einen in der zweiten Jahreshälfte 2020 abgelieferten Artikel, greift der gesenkte Mehrwertsteuersatz.
Abgrenzbare Teilleistungen versus Abschlagszahlungen
Besteht ein größeres laufendes Projekt aus abgrenzbaren und einzeln abgerechneten Teilleistungen, greift jeweils das Datum der Zwischenschritte, für die es aber eine Art Fertigstellungsdatum geben muss. Anders verhält es sich bei Abschlagszahlungen mit finaler Gesamtrechnung. Dann zählt allein, wann das Projekt vollendet wurde.
Auch Eingangsrechnungen kontrollieren
Auch sollten Journalisten laut Elter auf die Korrektheit von Eingangsrechnungen achten. „Ist die Umsatzsteuer falsch ausgewiesen, kann man keine Vorsteuer abziehen“, sagt die Expertin. Und welches Datum ist hier relevant? „Bei Warenlieferungen etwa redet man von der ‚Verschaffung der Verfügungsmacht‘, sprich wann ist das bestellte Ding bei mir“, erklärt sie.
Mit anderen Worten: Steht ein zu hoher Steuersatz auf einer Rechnung, muss dieser höhere Steuersatz auch ans Finanzamt gezahlt werden. Umgekehrt können Leistungsempfänger*innen die zu hohe Vorsteuer nicht als Vorsteuer geltend machen.
Auch wenn die Mehrwertsteuer in den meisten Fällen für Unternehmer*innen nur ein Durchlaufposten ist und die zeitliche Zuordnung eine „fiktive Geschichte“, müsse man immer mit einer Umsatzsteuerprüfung rechnen – und spätestens dann fiele „Durchmauscheln“ auf, warnt die Expertin.
Vereinfachungsreglungen noch nicht beschlossen
Vereinfachungsregelungen sind laut Elter immerhin für eine kurze Übergangsphase geplant, allerdings noch nicht beschlossen. Der Entwurf liegt derzeit im Bundesfinanzministerium. Demnach sind wohl Nichtbeanstandungsregelungen im B2B-Bereich bis 1. August angedacht. Bei einem zu hohen Steuerausweis dürfte bis dahin die Vorsteuer abgezogen werden ohne Rechnungskorrektur.
Gutschriften der Redaktionen im Blick behalten
Zusätzlicher Aufwand im praktischen Arbeitsalltag könnte auf freiberufliche Journalist*innen zukommen, wenn – wie in vielen Redaktionen üblich – nicht der Freiberufler selbst Rechnungen schreibt, sondern die Buchhaltung des Verlags eine Gutschrift anfertigt. Hier wird – so zumindest ist es meist üblich – das Datum des Abdrucks vermerkt und nicht das Lieferdatum eines Beitrags. Letzteres dürfte in den Buchhaltungen wohl auch gar nicht bekannt sein.
„Als Unternehmer oder Unternehmerin sind sie gefordert, das gegebenenfalls nachzuhalten und in der Übergangsphase darauf zu achten, ob noch Beiträge offen sind, die Sie vor dem 1. Juli geliefert hatten, und die noch nicht abgerechnet wurden“, sagte Elter. Sie empfiehlt, Redakteur*innen oder Buchhaltungen gegebenenfalls entsprechende Hinweise zu geben – möglichst schon vorher. „Diese werden dankbar für die Hilfestellung sein.“
Für Freie bei den Öffentlich-Rechtlichen monetärer Vorteil
Monetär zeigt die befristete Senkung der Mehrwertsteuersätze für die meisten freien Journalisten laut Elter keine Auswirkungen, auch Anschaffungen werden nicht günstiger.
Eine Ausnahme allerdings gibt es: Für freie Mitarbeite*innen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist die Regelung von Vorteil.
Das Honorar, das Freie von Rundfunkanstalten bekommen, ist „inklusive“. Heißt: Auf den Rechnungen ist zusätzlich zum Honorar keine Mehrwertsteuer ausgewiesen. Der Freie muss diese stattdessen aus der Zahlung selbst herausrechnen und an das Finanzamt abführen. In diesen Fällen bleibt also mit einem gesenkten Mehrwertsteuersatz etwas mehr Honorar übrig. Das kann auch für jene gelten, die für vorsteuerabzugsberechtigte Vereine oder öffentlichen Einrichtungen arbeiten.
Michaela Schneider