Das Münchner Urgestein
Herbert Heß
Jahrzehntelang wirkte der legendäre SZ-Archivar Herbert Heß im BJV-Aufnahmeausschuss mit – vor Weihnachten ist er verstorben
Wer hätte die Chronik 50 Jahre Süddeutsche Zeitung kenntnisreicher verfassen können als Herbert Heß? Er ist einer der letzten aus der ersten SZ-Riege. Sein ganzes, 47 Jahre langes Berufsleben hat er bei der Süddeutschen Zeitung verbracht. Und fast so lange, wohl um die 40 Jahre wirkte Herbert Heß im Aufnahme- und Prüfungsausschuss des Bayerischen Journalisten-Verbands mit. Im Alter von 92 Jahren ist er vor Weihnachten in einem Seniorenheim in seiner Heimatstadt München gestorben.
Im Nachkriegsjahr 1947 war er mit 18 Jahren der jüngste Teilnehmer der legendären Journalistenkurse bei Dr. Otto Groth, der Koryphäe der Zeitungswissenschaft und erster Vorsitzender des Verbands der Berufsjournalisten in Bayern. Der Berufseinsteiger Heß hatte den Wettbewerb gewonnen, den Werner Friedmann, Bayern-Ressortleiter und Lizenzträger der Süddeutschen Zeitung, ausgeschrieben hatte. Heß bekam eine der begehrten Volontärstellen.
Die Themen Schwarzhandel und Jugendkriminalität samt eines Kurzkommentares waren damals als Prüfungsaufgaben gefordert. Heß war der einzige, der eine Verbindung zwischen beiden Themen hergestellt hat.
Er wollte nicht ins Feuilleton, sondern Reporter im Lokalen werden. Das gab ihm den entscheidenden Startvorteil. Heß hat dann in der SZ die Dokumentation aufgebaut, „sein“ SZ-Archiv galt als eines der bestgeführten in Deutschland.
Auch im BJV wurde er eine Art Dokumentar, indem er Generationen neuer Mitglieder auf ihre berufliche Qualifikation hin abcheckte. „Ich sah, wie sehr sich der Beruf geändert hat“, bilanzierte er seine Jahrzehnte im Aufnahmeausschuss. Bei aller Urmünchner Gemütlichkeit und Liebenswürdigkeit konnte er hartnäckig nachfassen und wenn nötig auch unerbittliche Urteile fällen.
Von Online-Journalismus und Public Relations hätte Herbert Heß sich 1947 nicht träumen lassen. Er hielt es mit dem guten, alten Zeitungshandwerk. Standhaft bis zuletzt hatte der Streiflicht-Autor sich geweigert, das elektronische Redaktionssystem zu benutzen. Als Freund des trockenen Humors schrieb er 1994 bei seinem Eintritt in den Ruhestand: „Nach 47 Jahren als Lohnschreiber bin ich geadelt worden. Als Freiherr bin ich keinem Chefredakteur, keinem Geschäftsführer, keinem Verleger mehr untertan.“
Alois Knoller