Neue Perspektiven in der Medienbranche
Thorsten Schmiege ist seit Oktober Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien
Forderte von den Medienmacher*innen in der digitalen Welt eine Vielfaltsoffensive ein: Thorsten Schmiege, seit Oktober Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien
Die 35. Münchner Medientage wurden mit dem Gipfel eröffnet. Später folgte ein Blick auf Innovationen am Medienstandort Bayern
„Neue Perspektiven ist nicht weniger als ein Versprechen“, sagte Dr. Thorsten Schmiege zur Eröffnung der inzwischen 35. Münchner Medientage mit Blick auf das diesjährige Motto. Reagieren reiche nicht mehr, das sei viel zu passiv. Erstmals in seiner Geschichte findet der Branchentreff heuer bis einschließlich Freitag hybrid statt – einerseits im Münchner Isarforum; andererseits kann man bei sämtlichen Panels online dabei sein. Am Ende der Pandemie gehe es darum, nach vorn zu blicken, die Zeichen stünden auf Neubeginn, sagte Schmiege.
Und ein solcher ist es auch für ihn: Seit 1. Oktober leitet der promovierte Jurist als Präsident die Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM). Beim Medientagegipfel sprach er nun unter anderem vom Comeback qualitativ hochwertiger Inhalte, blickte auf den 2020 in Kraft getretenen Medienstaatsvertrag, der inzwischen auch die europäische Diskussion beeinflusse, und forderte von den Medienmacher*innen in der digitalen Welt eine Vielfaltsoffensive ein: Auch mit schwierigen Meinungen müssten sich Journalist*innen auseinandersetzen.
Wahlkampf „eher uninspiriert begleitet“
Eine Antwort auf Moderator Ingo Zamperonis Frage, ob er nicht eigentlich lieber bei Koalitionsverhandlungen in Berlin als bei den Münchner Medientagen gewesen wäre, umschiffte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Nicht nehmen ließ er sich aber eine kleine Medienschelte mit Blick auf die Bundestagswahl: Die sei medial bis September „eher uninspiriert“ mit einem starkem Fokus auf Lacher und Lebensläufe und zu wenig zu politischen Inhalten begleitet worden. Zamparoni hielt gegen mit der „Frage nach Henne und Ei“.
Blick auf globalen Streaming-Markt
Als Keynote-Redner kam zum Medientage-Gipfel Gunnar Wiedenfels aus New York in seine einstige Heimat München gereist. Er ist inzwischen Chief Financial Officer bei Discovery. Als „100-Millarden-Dollar-Mann“ und „Meister der Synergien“ wurde er angekündigt, blickte dann auf den globalen Streamingmarkt und erläuterte, wie die beschlossene Verschmelzung der AT&T-Mediensparte Warner mit dem TV-Konzern Discovery ablaufen soll.
Der Deal ist eine Reaktion auf den durch die Corona-Krise beschleunigten Boom von Streamingdiensten wie Netflix und Co. Wiedenfels appellierte an die Politik, auch wenn Bayerns Ministerpräsident zu dem Zeitpunkt den Medientagegipfel schon wieder verlassen hatte, auf europäischer Ebene gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen für alle Akteure zu schaffen.
Aus dem Labor in den Journalismus
Aufs journalistische Kerngeschäft blickte Moderator Zamparoni zusammen mit der Wissenschaftsjournalistin Dr. Mai Thi Nguyen-Kim, die zunächst mit ihrem YouTube-Kanal maiLab bekannt geworden war. Für die Reihe „Terra X“ präsentierte sie jüngst im ZDF in einem Dreiteiler die „Wunderwelt Chemie“. An diesem Wochenende startete zudem mit „MAITHINK C – Die Show“ ein weiteres TV-Format mit der promovierten Chemikerin auf ZDFneo.
„Was bringt ein Impfstoff, wenn die Menschen ihn sich dann nicht spritzen lassen wollen?“, sagte sie. Die Vermittlung von Forschung gehöre für sie heute zur Forschung dazu, begründete sie ihren Quereinstieg aus dem Labor raus in den Journalismus.
„Man clasht zwangsläufig, wenn man Wissenschaft vermittelt“
Dass ihr in sozialen Medien teilweise ein extrem rauer Ton entgegenschlägt – daran habe sie sich gewöhnt, sagt die „Journalistin des Jahres“. Ums Community Management kümmere sich ihr Team, darum sei sie sehr dankbar. Kommentare in sozialen Medien lese sie einfach nicht. „Man clasht zwangsläufig, wenn man Wissenschaft vermittelt“, sagte Mai Thi Nguyen-Kim. Sie könne aber trennen: „Ich weiß: Das hat nicht mit meiner Person zu tun, sondern mit der Wissenschaft.“
Glaubwürdigkeitswerte nicht verspielen
An einer größeren Talkrunde zum Abschluss des Medientagegipfels beteiligte sich auch Dr. Katja Wildermuth, Intendantin des Bayerischen Rundfunks. Dass auch die Privaten ihr nachrichtliches Angebot ausbauen, begrüßte sie deutlich und sieht darin keine Konkurrenz für den öffentlich-rechtlichen Bereich. „Ich merke, dass wir etwas haben, was andere nicht haben: Eine große Treue“. Sie appellierte, diesen großen Kredit, die Glaubwürdigkeitswerte nicht zu verspielen.
Innovationsstudie zum Medienstandort Bayern
Mehr als 100 Sessions mit rund 400 Rednern stehen in dieser Woche bei den 35. Münchner Medientagen noch auf dem Programm – und in einer richtete Kerstin Deixler am Montagnachmittag einen besonderen Blick auf den Medienstandort Bayern. In der „Innovationsstudie 2021“ hatte XPLR: MEDIA in Bavaria mit der Forschungsgruppe GOLDMEDIA dazu mehr als 250 bayerische Medienunternehmen aus verschiedenen Branchen befragt.
Heraus kam unter anderem: Der Medienstandort Bayern punktet durch eine gute Infrastruktur, viele finanzstarke Tech- und Software-Unternehmen, institutionelle Investoren und Förderstrukturen. Die Voraussetzungen für Innovationen sind also gegeben.
Einige Unternehmen allerdings würden sich ein gezielteres Matching von Förderbedarfen und -angeboten sowie eine bessere Auffindbarkeit der Angebote wünschen. Größter Innovationstreiber ist das veränderte Mediennutzungsverhalten; technologischer Fortschritt erhöht den Veränderungsdruck auf klassische Medienbereiche.
Unternehmen wollen mehr Vernetzung
Groß ist vor allem der Wunsch nach Plattformen für den Wissensaustausch und einer Vernetzung zwischen Unternehmen in Bayern. Und, ganz wichtig: Innovation funktioniert nur, wenn der Wunsch danach in der gesamten Unternehmenskultur verankert ist. Digitale Projekte brauchen außerdem im Unternehmen klare Zuständigkeiten.
Weitere Informationen
Pressemitteilung der Medientage München: Medientage-Gipfel und Eröffnung: New Perspectives
Programm der Medientage München 2021: Montag, 25. bis Freitag, 29.10.2021