Bezirksverband München-Oberbayern
Schwer zu erreichen: Die Gen Z im Bundestagswahlkampf
Bericht von
Thomas Mrazek
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Podiumsdiskussion zur Generation Z bei den Bundestagswahlen 2025. Vlnr: Verena Fücker, Theodor Schell, Paula Binz, Yannick Hupfer, Markus Bresinsky, Leonie Sanke
Die Gen Z ist online – aber wer erreicht sie wirklich? Eine Expertenrunde diskutiert Social Media, politische Strategien und Medienkompetenz.
Die Generation Z (auch Gen Z) ist eine zentrale Zielgruppe für Politik und Medien. Doch wie erreicht man diese digital-affine, diverse und anspruchsvolle Altersgruppe? Dieser Frage widmete sich der neugewählte Vorstand des Bezirksverbands München – Oberbayern unter der Leitung von Dr. Carolin Raffelsbauer. Dazu lud der Vorstand einige Expert*innen zu einer Gesprächsrunde in die Katholische Akademie in München ein.
Die Gen Z im Visier von Rechten
Curdt Blumenthal, Mitglied des Bezirksvorstands, erklärte, dass die Gen Z die Jahrgänge 1995 bis 2010 umfasst. Er warnte, dass diese Gruppe zunehmend in die Hände von Rechtsextremen gerät. Bei den Landtagswahlen 2024 in Thüringen, Sachsen und Brandenburg erreichte die AfD bei den unter 30-Jährigen den ersten Platz, wobei 29 bis 35 Prozent für diese Partei stimmten. Die zentrale Frage laute daher, wie man junge Menschen mit politischen Themen erreicht.
Potenzial der sozialen Medien erkannt
„Wie hat es diese Partei geschafft, bei den unter 30-Jährigen so stark zu werden?“, fragte Moderator und Bezirksvorstandsmitglied Yannick Hupfer den Politikwissenschaftler Prof. Dr. Markus Bresinsky von der OTH Regensburg. „Die Partei setzt anschlussfähige Themen, die junge Menschen erreichen. Die AfD hat die sozialen Medien sehr früh und sehr gut bespielt“. Der Eindruck, „dass die Jugend unpolitisch“ sei stimme nicht. Bei den etablierten Parteien habe man sich dazu zu wenig Gedanken gemacht.
Fünf Millionen Abrufe für ein Video
Heidi Reichinnek, MdB und Spitzenkandidatin der Linken, sei auch sehr erfolgreich in den sozialen Medien, sagte Hupfer. Ihr TikTok-Profil hat über 500.000 Follower*innen und teilweise Abrufzahlen von über fünf Millionen. Auf ihn wirke das „wie politische Berichterstattung“, „Ist das eine gezielte politische Strategie?“ Bresinsky verneinte, die Medien erreichten junge Menschen heute sehr früh, die „Definitionsmacht, wer Zugang zu Informationen hat“, hat sich damit drastisch geändert. „Das ist ein Zugang zu jungen Leuten und man nutzt dies“.
Heterogene und wankelmütige Zielgruppen
Hupfer fragte, ob Medien Kanäle wie TikTok für journalistische Berichterstattung nutzen sollten. Bresinsky bejahte dies, warnte jedoch, dass die Nutzer*innen nicht automatisch darauf anspringen würden. Selbst erfolgreiche Influencer*innen oder TikToker*innen könnten den Erfolg nicht auf Dauer garantieren, dafür sei „die Zielgruppe zu heterogen und wankelmütig“. Das funktioniere nicht mit einem Handbuch.
Kontakt jungen Nutzer*innen herstellen
Mit Leonie Sanke, Video-Redakteurin und TikTok-CvD bei der Süddeutschen Zeitung, begrüßte Hupfer eine Kollegin, die mit ihrem Medium seit Dezember neu bei TikTok unterwegs ist: Mittlerweile habe die Zeitung über 5000 Follower*innen und mitunter Klicks in den Hunderttausendern – „Haben Sie ein Handbuch?“, fragte Hupfer scherzhaft.
Sanke berichtete, dass das Blatt zwei Stellen geschaffen habe, man habe schnell gemerkt, dass man in diesem Kanal vieles anders machen müsse, wobei dies nicht nur die Themen betreffe. „Wir haben vorher viel mit Menschen aus unserer Zielgruppe gesprochen, das sind 20- bis 30-Jährige“. Man müsse diese Zielgruppe als „früher oder später zahlende Abonnenten“ erreichen. Derzeit gehe es vor allem darum, den Kontakt herzustellen. „Das ist unsere einzige Option derzeit“.
Seit 2018 pflegt die „News-WG“ des Bayerischen Rundfunks bei Instagram (178.000 Follower*innen, 1870 Beiträge) sehr gute und zahlreiche Kontakte zur jüngeren Zielgruppe. Das Angebot wurde von BR-Volontär*innen gegründet, um zu zeigen, „dass Politik weder kompliziert noch langweilig ist“. „Wir konnten uns dort ausprobieren“, berichtete Ex-Volontärin Verena Fücker, heute arbeitet sie als Teamleiterin der „News-WG“.
Podiumsgast Theodor Schell, Student, und Fraktionssprecher der CSU im Stadtrat der Stadt Scheinfeld kannte das Angebot noch nicht. Er informiere sich vorwiegend über herkömmliche Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Zeitungen: „Dort bekomme ich mehr journalistische Seriosität“. Bei Wahlkämpfen im mittelfränkischen Scheinfeld spielten die sozialen Medien keine große Rolle, Schell führte dies auf die niedrige Einwohnerzahl von 5000 zurück.
Schulbesuche und Vermittlung von Medienkompetenz
Paula Binz arbeitet als Ausbildungsreferentin der Günter Holland Journalistenschule (Instagram: @ghjs) bei der Augsburger Allgemeinen. Sie besucht regelmäßig Schulklassen und wirkt an digitalen Meetings für Schulen mit, um Medienkompetenz zu vermitteln und die journalistische Arbeit transparenter und greifbarer zu machen. „In den Schulklassen gibt es immer weniger Wissen über den Journalismus“, daher versuche man mit Besuchen dort über „Fake News“, Faktenchecks und Influencer aufzuklären.
Die BR-Kollegin Fücker ergänzte, dass sie und ihre Kolleg*innen von der „News WG“ fast jeden Tag Anfragen zu solchen Besuchen erhielten. Der BR engagiere sich seit Jahren sehr stark mit vielen Angeboten für Medienkompetenz und die ARD biete einen Jugendmedientag an.
Erfolg mit kontruktivem Journalismus
Jüngere Zielgruppen seien nicht politikverdrossen, stellt Binz fest. Auch das Interesse an journalistischen Inhalten sei durchaus vorhanden. Sie erwähnte den von Volontär*innen 2023 gestarteten „Good NewsLetter: Lösungen für ein besseres Morgen“ ihrer Zeitung. Das kostenlose, wöchentliche Angebot sei mittlerweile einer der erfolgreichsten Newsletter der Zeitung. In der Print-Ausgabe wurde eine neue Rubrik dafür eingerichtet. Konstruktiver Journalismus biete vor allem lösungsorientierte Geschichten, ohne irgendetwas schön zu malen. In der Volontärsausbildung arbeite man beim Thema Konstruktiver Journalismus mit dem Bonn Institute zusammen, einer gemeinnützige Organisation die sich für einen zukunftsfähigen Journalismus einsetzt.
Politikprofessor Brezinski betrachtete die geschilderten Bemühungen der Medien eher mit Skepsis. Es werde bei der Deutung des Medienverhaltens „viel Kaffeesatzleserei“ betrieben. Für die Medien werde es eher schwieriger auch angesichts des unberechenbaren Verhaltens der großen Plattformen. BR-Journalistin Fücker macht sie da auch keine Illusionen: „Wir sind den Algorithmen ausgeliefert“.
Bundestagswahlkampf auf Social Media in Echtzeit
Der Anschlag in der Münchner Innenstadt war an diesem Donnerstagabend auch kurz Thema, Politikprofessor Bresinsky verwies auf das Forschungsprojekt SPARTA der Universität der Bundeswehr München, das seit 23. Januar ein Social-Media-Monitoring des Bundestagswahlkampfes im öffentlichen Live-Betrieb anbietet. „Täglich werden dafür rund 550.000 Social-Media-Beiträge von Prof. Jasmin Riedl und ihrem Team live ausgewertet“, beschreiben die Wissenschaftler ihre Arbeit. An diesem Abend dominierte einmal mehr die AfD den Diskurs in den sozialen Medien.
Thomas Mrazek
+++ Aktualisierungen
- Bayerischer Rundfunk|Pressemitteilung: Projekt von BR Recherche/BR Data und Partnern
(17.02.2025)
„Wie und von wem werden politische Inhalte auf der digitalen Plattform TikTok vermittelt? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein Team aus Journalistinnen und Journalisten des Bayerischen Rundfunks und der Stuttgarter Zeitung / Stuttgarter Nachrichten zusammen mit Forschenden des Weizenbaum-Instituts Berlin und der Uni Zürich – vor allem mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl“.
Mehr dazu … - BR Next (@Medium): Dein Feed, deine Wahl
(19.02.2025)
Wie wir den Bundestagswahlkampf auf TikTok untersuchen
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