„Spannend, packend, bildhaft und extrem überraschend“
Drei Personenbilder auf drei Bildschirmen: eine Frau und zwei Männer; eine Person zeigt eine Siegerurkunde
Laudatorin Karin Kampwerth und Akademiedirektor Robert Arsenschek im Gespräch mit Joshua Kocher, der für seine Reportage „Besuch aus dem Jenseits“ ausgezeichnet wurde.
Die Journalist*innen Joshua Kocher, Fenna Bleyl und Natalie Schermann sind die Preisträger 2020/21 der Journalistenpreise der Akademie der Bayerischen Presse (abp)
Die beiden Journalistinnen Fenna Bleyl und Natalie Schermann erhalten für ihr Multimedia-Stück „Wir können auch ohne Plastik“ den Multimedia-Preis der Akademie der Bayerischen Presse (abp). Joshua Kocher wurde mit dem Reportagepreis für seinen Artikel „Besuch aus dem Jenseits“ ausgezeichnet. Die Beiträge entstanden während Fortbildungen der abp.
Vergeben wurden die mit jeweils 1000 Euro dotierten und vom Freundeskreis der abp gestifteten Preise heuer für die Jahre 2020 und 2021. Im Vorjahr entfiel die Preisvergabe pandemiebedingt, nun hatte Akademiedirektor Robert Arsenschek mit seinem Team eine digitale Preisvergabe auf die Beine gestellt und dazu neben den Laudatoren und Gewinnern ZDF-Ikone Claus Kleber zum Live-Interview geladen.
Der BJV ist neben dem Verband Bayerischer Zeitungsverleger (VBZV) und dem Verband der Zeitschriftenverlage in Bayern (VZB) einer der drei Träger der Akademie der Bayerischen Presse.
Fotos, ein animiertes GIF, Videosequenzen und sogar ein Plastik-Quiz: Fenna Bleyl, Kommunikationsexpertin bei Siemens Energy, und Natalie Schermann, Redakteurin bei der deutschen Computerspielzeitschrift GameStar Plus in München, griffen tief in die Multimedia-Handwerkskiste für ihren Beitrag „Wir können auch ohne Plastik“. „Sie zeigen, wie viel Plastikmüll wir täglich produzieren und wie er sich vermeiden ließe“, sagte Laudator Michael Netsch, der mit seiner eigenen Firma Videostrategien für Unternehmen und Verlage entwickelt.
Der abp-Kurs sei Augen öffnend gewesen, wie einfach Multimedia geht, und wie man den Leuten ein Thema spielerisch näher bringen könne, sagte Schermann. Bisher sei sie eher schreibend tätig gewesen. Multimediaformate peppten auf und machten anschaulich, ergänzte Bleyl. Den abp-Kurs „Multimedia-Storytelling“ leitete Barbara Weidmann, die auch beim Bildungs- und Sozialwerk des BJV (BSW) als Referentin verschiedene Kurse anbietet.
Als „spannend, packend, bildhaft und extrem überraschend“ lobte SZ-Redakteurin Karin Kampwerth in der Laudatio den Einstieg zu Joshua Kochers Reportage „Besuch aus dem Jenseits“, der im Januar 2020 in der Badischen Zeitung gedruckt wurde. Der Gewinner des abp-Reportagepreises wurde nach verschiedenen Stationen als freier Mitarbeiter und Pauschalist dort zum Redakteur ausgebildet. Seit Januar 2021 besucht er nun die Reportageschule in Reutlingen.
Vor allem lobte Kampwerth, dass Kocher in eine Community – nämlich die der Schamanen und Wunderheiler – eindringen konnte, die eher vorsichtig im Umgang mit Öffentlichkeit agiere. Zudem sprach Kampwerth von einem respektvollen, aber kritischen Umgang mit den Protagonisten.
Ein halbes Jahr Überzeugungsarbeit und mehrere lange Gespräche seien nötig gewesen, ehe er zur Geisterstunde mitgehen durfte, erzählte der Journalist.
Geleitet hatte den abp-Kurs „Reportage“ der für seine Reportagen selbst vielfach ausgezeichnete Journalist und Trainer Michael Obert, Begründer der Reporter-Akademie Berlin.
ZDF-heute-Redaktion: „Ein bisschen spooky“
Im lockeren Interview sprach Akademiedirektor Robert Arsenschek vor der Preisverleihung mit ZDF-Moderator Claus Kleber. Als „ein bisschen spooky“ beschrieb dieser den Redaktionsalltag in Zeiten der Pandemie. In die Redaktion kommen dürfe nur, wer nachweisen kann, dass Präsenz absolut nötig sei.
Und so kommt es vor, dass ein Beitrag im Studio in Tokyo geschnitten wird, „weil dort gerade Platz frei“ sei. „Was total fehlt, ist das Herz der Redaktion“, sagte Kleber. Momente, in denen einer einen Vorschlag mache, einer die Augen verdrehe und ein anderer laut „doch“ rufe.
Gewöhnt hätten sich alle inzwischen an eine ziemlich schlechte O-Ton-Qualität, Kleber sprach zudem vom Druck hin zu „Keep it simple“ – und ließ sich den leidenschaftlichen Appell pro Qualität nicht nehmen. „Man sollte gleich sehen: Ich bin im Qualitätsprogramm und nicht in etwas, das schnell zusammengenagelt wurde.“
Kleber plauderte frei von der Leber weg und mit charmanter Selbstironie über seinen Werdegang. Noch vor dem Abitur habe er entdeckt, wie viel Spaß es macht, die Welt zu entdecken. Ein Auftraggeber musste her, der das Reisen finanziert. Lufthansa-Pilot klappte nicht, also wurde er Journalist. Doch auch die Zeit beim Hörfunk auf der Schwäbischen Alb habe er als „wahnsinnig glückliche Jahre“ erlebt.
Praktische Tipps zog Kleber zudem in Sachen Interviewführung aus der Tasche. „Mein Job ist nicht: Be Mr. Nice Guy“, in fünf- bis siebenminütigen Interviews müsse man Politikern ins Wort fallen.
Zumindest wolle man nicht ihr Wahlprogramm hören, sondern die eigenen Fragen stellen. „Lieber unhöflich als ineffizient“, sagte er. Auf die Publikumsfrage, wie viel eigene Meinung er sich im Interview gestatte, antworte Kleber: „Immer nur eine.“ Die Gegenteilige des Gesprächspartners.