Straubinger Tagblatt muss 75.000 Euro an Honorar nachzahlen
Frau, die einen Zeitungsartikel mit dem Titel „Warum Zeitung kein Selbstbedienungsladen ist“ liest
Im Straubinger Tagblatt lässt Verleger Martin Balle erklären, warum Zeitung kein Selbstbedienungsladen ist. Das sollte auch für die Honorare gelten, die sein Verlag zahlt.
OLG Nürnberg: Gemeinsame Vergütungsregeln sind Maßstab für angemessene Vergütung
Zum ersten Mal ist es jetzt einer freien Journalistin aus Bayern mit Unterstützung des BJV gelungen, vor einem Oberlandesgericht (OLG) ihren Anspruch auf eine angemessene Honorierung nach den gemeinsamen Vergütungsregeln durchzusetzen. Das OLG Nürnberg entschied, das Straubinger Tagblatt müsse der in der Lokalberichterstattung tätigen 40-jährigen Kollegin rund 75.000 Euro an Honorar nachzahlen.
Und darum ging es: Die gelernte Versicherungskauffrau hatte nach einer Weiterbildung zur Fachjournalistin seit 2004 zunächst gelegentlich und dann in immer größerem Umfang für die Landauer Zeitung und das Straubinger Tagblatt gearbeitet. Zuletzt war sie mit der lokalen Berichterstattung aus einer kleinen Marktgemeinde betraut und arbeitete im Schnitt knapp 70 Termine im Monat ab.
Nur 14 Cent pro Zeile – das war nicht genug
In den Jahren 2016 bis 2018 hat die Journalistin 1651 Artikel und 1733 Fotos geliefert, die mit nur 14 Cent pro Zeile und fünf Euro pro Foto honoriert wurden. Nach den Gemeinsamen Vergütungsregeln hätten ihr jedoch 36 Cent pro Zeile und für jedes Foto, je nach Abdruckgröße, zwischen 19,50 und 27,50 Euro zugestanden.
Diese Differenz, die sich mit Zinsen auf eine Summe von 72.177,51 Euro addiert hatte, forderte die Freie von ihrem ehemaligen Auftraggeber, der Cl. Attenkofer'schen Buch- und Kunstdruckerei KG aus Straubing (Verleger: Prof. Dr. Martin Balle und Dr. Hermann Balle) in einem Rechtsstreit über zwei Instanzen ein.
Auch einfache Berichte sind angemessen zu vergüten
Das OLG Nürnberg gab der Journalistin Recht und sprach ihr rund 75.000 Euro an Nachzahlung zu, weil die Beiträge der freien Journalistin nach dem Maßstab der Gemeinsamen Vergütungsregeln hätten honoriert werden müssen (Az.: 3 U 761/20). Auch einfachen Berichte über lokale Ereignisse könnten vergütungspflichtig sein, urteilten die Richter. Die Anforderungen an den Urheberschutz seien dabei eher gering.
Der Verlag hatte im Prozess zudem angezweifelt, dass die Klägerin als hauptberufliche Journalistin tätig gewesen sei – was die Anwendbarkeit der Gemeinsamen Vergütungsregeln ausgeschlossen hätte. Doch auch in diesem Punkt siegte sie. Die Richter betonten in ihrer Entscheidung, dass es dafür auf den Umfang der journalistischen Tätigkeit ankomme und es unerheblich sei, ob die erste Ausbildung eine journalistische gewesen sei.
„Von dieser Entscheidung geht nicht nur ein positives Signal für die Geltendmachung von Nachvergütungsansprüchen aus, ein wichtiger Effekt ist auch die Stärkung der Verhandlungsposition von freien Journalist*innen an Tageszeitungen gegenüber den Verlegern“, betont die Kölner Rechtsanwältin Dr. Frauke Schmid-Petersen, die die Journalistin vor Gericht vertreten hat.
Signalwirkung des Urteils auch für andere Freie
Die Gemeinsame Vergütungsregeln seien, solange nicht neue verhandelt werden und eine vergleichbare Interessenlage besteht, weiterhin als Basis für die Berechnung eines angemessenen Honorars für die Leistungen von Freien heranzuziehen.
Und die Verleger „täten gut daran, sich von vorneherein an diesen Maßstäben zu orientieren. Denn sie müssen weiterhin mit der erfolgreichen Durchsetzung einer angemessenen Bezahlung rechnen.“
Auch bei den BJV-Justiziaren ist die Freude groß. „Der lange und anstrengende Kampf unseres Mitglieds zahlt sich am Ende auch für andere freie Journalist*innen aus“, freut sich BJV-Justiziar Stefan Marx. Bisher seien die vom BJV begleiteten Prozesse auf Zahlung der angemessenen Vergütung nach den Gemeinsamen Vergütungsregeln auf subtilen Einigungsdruck der Richter*innen hin immer durch Vergleich beendet worden. Das sei von Seiten der Freien verständlich. „Werden einem Jahre lang auch kleinste Centbeträge verwehrt, so wirken vier bis fünfstellige Vergleichsangebote schnell verlockend“.
Doch mit jedem Vergleich sei auch die Unsicherheit über die Rechtslage weiter manifestiert worden. Nun liege endlich auch aus Bayern eine erste obergerichtliche Entscheidung zur Bemessung der angemessenen Vergütung von freien Journalisten*innen an Tageszeitungen vor, mit der die Verhandlungsposition aller Freien in ähnlichen Konstellationen deutlich gestärkt werde.
Ausführlicher Bericht im BJVreport 1/2021, S. 6.
Maria Goblirsch