Testphase
Das Chip-Testcenter in München.
Die BJV-Fachgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit besucht das Chip-Testcenter.
Wer das Testcenter des Technikmagazins Chip betritt, muss sich erstmal orientieren. Rechts stapeln sich mannshoch Verpackungen von Staubsaugern, links brummen Grafikkarten an offenen Rechnern, dazwischen Stromzähler, Oszillographen, eine Kiste voll Stabmixern, Kabelsalat. Der Raum ist sowohl Gemeinschaftsbüro, ingenieurtechnisches Labor als auch Paketzentrum. Auf einem der Bürostühle klebt Paketband mit der Aufschrift „Testgerät – nicht wegräumen“. Denn getestet werden hier viele Alltagsprodukte, die meisten davon elektronisch, von Gadgets über Laptops und Smartphones bis hin zu Fitnessgeräten. Nur Matratzen überlässt man der Konkurrenz von Stiftung Warentest, erklärt der Administrative Leiter des Testcenters Reinhard Scholl – die Maschinen für die Simulation von tausenden mehr oder weniger wilden Nächten sind sperrig und teuer.
Wie bleibt der Testbetrieb unabhängig?
Die Idee des Testcenters seit der Gründung: Über die verschiedenen Redaktionen des Verlags hinaus soll es konsistente Testergebnisse ohne Widersprüche geben. Leser:innen soll das die Kaufentscheidung erleichtern. 13 Kolleginnen und Kollegen der BJV-Fachgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit lassen sich das Chip-Testcenter zeigen, das in direkter Nachbarschaft zur BJV-Geschäftsstelle in München liegt. Sie haben viele Fragen zur Unabhängigkeit des Testbetriebs. „Wir ändern nie irgendwas, nur weil sich ein Hersteller beschwert“, erklärt der Leitende Ingenieur Wolfgang Pauler. Versuche der Beeinflussung gebe es, aber das betrifft in der Regel kleine neue Hersteller, die das Vorgehen bei Chip noch nicht kennen. „Auswahl und Bewertung der Produkte sind unser Kapital“, so Pauler: „Darum lassen wir uns dabei nicht reinreden, auch nicht von Anzeigenkunden.“
„Es kommt vor, dass Hersteller andere Produkte schicken, als angefragt sind“, sagt Reinhard Scholl: „das mögen wir nicht. “ Wenn Hersteller nicht kooperieren, kaufe man das gewünschte Modell selbst. So zum Beispiel auch bei Apple. Der IT-Gigant sei sehr wählerisch, wenn es um Rezensions-Geräte vor Verkaufsstart ginge, berichtet Scholl. Trotzdem wippt nun in einem Nebenraum eine Apple Watch an einem künstlichen Handgelenk einmal pro Minute hin und her, um für den Test der Akkulaufzeit Bewegung zu simulieren. Das Gerät haben Mitarbeiter regulär im Laden gekauft, wie auch die neueste Generation iPhones in verschiedenen Ausführungen, auf dass alle ihre Parameter durchleuchtet werden.
So finanziert sich das Chip-Testcenter
All das, die Geräte, die Räume, das Person, kosten natürlich Geld. Die BJV-Fachgruppe hat Fragen zur Einnahmenseite, insbesondere zum Verkauf von Testsiegeln. Unternehmen können für einige Tausend Euro im Jahr, je nach Lizenzumfang, mit dem Testergebnis werben. Ist man somit nicht doch käuflich? Reinhard Scholl weist das zurück: „Das Siegel zu verkaufen ist der letzte Schritt nach der ganzen Bewertung, damit Hersteller nicht in Versuchung kommen, da Einfluss zu nehmen.“ Die Vermarktung der Siegel sei getrennt vom Testcenter und auch das Anzeigengeschäft sei wiederum vom Verkauf der Siegel getrennt, in unterschiedlichen Abteilungen unter dem Dach von Burda Forward. Eine weitere Einnahmequelle sind beauftragte Test, die etwa vor der Markteinführung oder während der Produktentwicklung von Herstellern bestellt werden, um Feedback zu erhalten.
Bei einer Konstruktion voller Glühbirnen hält der Rundgang kurz an. Die Birnen dienen als Verbraucher zum Test von Powerstations, erklärt Ingenieur Wolfgang Pauler. Dann zeigt er die Station, an der Helligkeits- und Kontrastwerte von Bildschirmen mit teuren Test-Apparaturen überprüft werden. Zwischendurch erfahren die Besucher:innen, wie Chip das Testprocedere für neue Produkte entwickelt und versucht, nicht nur die Zahlen sprechen zu lassen. Das Publikum soll auch den Test-Prozess nachvollziehen können, erklärt Reinhard Scholl. Um Authentizität zu schaffen, würden Produkte nicht im sauberen Produktfoto-Setting vor weißem Hintergrund fotografiert, sondern in Testsituationen. Alltagstests gehören zum Programm. Da viele Mitarbeiter:innen mittlerweile im Home-Office arbeiten, müssen diese dann nur noch für die Labortests ins Büro kommen. Und um am Ende die Produkte wieder in einen der zahlreichen Kartons zu verpacken, die hier sich hier unter, über und zwischen den Schreibtischen stapeln. Denn die sind kein Symptom der Unordentlichkeit, sondern ebenfalls der Bemühung um Unabhängigkeit geschuldet: Die Geräte werden nach den Tests zurückgeschickt.
Benedikt Frank