Mitglied werden

Viele Herausforderungen, praktische Lösungen

10.10.2021

Abbildung eines Sandwiches und der Vortragenden Barbara Brodnig

Was es mit dem „Truth Sandwich“ im Kampf gegen Verschwörungsmythen auf sich hat, erklärte die Journalistin und Autorin Ingrid Brodnig

„Die Digitaldenker:innen – Journalismus gemeinsam gestalten“, lautete das Motto der DJV-Tagung Besser Online

„Eine ganze Menge Menschen wartet darauf, dass jemand anderes die Zukunft erfindet“: Mit diesem Satz brachte Lina Timm, Gründerin und Managing Director des Media Lab Bayern, bei der Tagung Besser Online recht kernig ein zentrales Problem der deutschen Medienbranche auf den Punkt.

Umso schöner, dass der Kongress des DJVs unter dem Motto „Die Digitaldenker:innen – Journalismus gemeinsam gestalten“ in zahlreichen Panels eben jene Menschen in den Mittelpunkt rückte, die die Herausforderungen der Branche praktisch anpacken. Im Folgenden ein Besuch in vier digitalen Räumen.

Einspruch! Verschwörungsmythen kontern
Für die Keynote hatte das DJV-Besser Online-Team (u.a. mit den Fachausschuss-Mitgliedern Thomas Mrazek und Eva Werner) heuer die österreichische Journalistin und Autorin Ingrid Brodnig gewonnen. Für ihr Buch „Hass im Netz“ hatte sie den Bruno-Kreisky-Sonderpreis für das politische Buch bekommen. Zuletzt erschien ihr fünftes Buch „Einspruch! Fake News und Verschwörungsmythen kontern”.

Verschwörungsmythen signalisierten, man könne sein Leben fortsetzen wie bisher – das wirke verlockend, sagte die Autorin. Sie lieferten schlüssig scheinende Erklärungen der Welt, gäben Kontrolle zurück und das Gefühl, Teil einer erleuchteten Minderheit zu sein. Wie aber lässt sich Einspruch erheben, wenn etwa im eigenen Umfeld Verschwörungsmythen kursieren?

In einem Vortragssprint lieferte Brodnik Antworten. Weil Vertrauenswürdigkeit einen größeren Stellenwert habe als Expertise, empfahl sie, beim Argumentieren Quellen heranzuziehen, denen der Adressat noch glaube.

Entlarvt: Fragen, die gezielt Misstrauen säen
Sie appellierte an die Kollegen, bei gezielten Attacken auf Personen wie etwa Christian Drosten keinesfalls aufzuspringen wie etwa BILD, sondern den Schulterschluss zu zeigen, um Mindeststandards zu verteidigen. Brodnik empfahl, in Sozialen Medien für Mitlesende rhetorische Mittel zu erklären wie etwa „Loaded Questions“. Dabei handelt es sich um Fragen, die gezielt Misstrauen säen, ohne den eigentlichen Vorwurf konkret auszusprechen.

Und, um Falschem nicht zu viel Raum zu geben, riet sie zum „Truth Sandwich“: Man sollte mit dem Richtigen einsteigen, dann erklären, warum eine Aussage falsch ist und mit dem Richtigen aus dem Text rausgehen. Zu Vorsicht riet sie gerade auch bei Überschriften: Wer Falsches verneine, halte den Vorwurf dennoch am Leben. Schreiben sollte man, was richtig ist.

Im Kongo und Belarus unter Druck
Auf Journalist*innen unter Druck blickte Miriam Leunissen, Vorsitzende des BJV-Bezirksverbands Augsburg – Schwaben sowie stellvertretende Vorsitzende der DJV-Kommission Europa, gemeinsam mit der belarussischen Exil-Fotojournalistin, Youtuberin und Bloggerin Violetta Savchits sowie der ehemaligen SZ-Redakteurin Judith Raupp, die inzwischen seit mehr als einem Jahrzehnt im Kongo Journalist*innen ausbildet.

Sehr ähnlich klang der Appell, mit dem sich die Beiden an deutsche Kolleg*innen wandten. „Berichtet über die Situation hier“, bat Judith Raupp. Darüber, dass sich jede Nacht Massaker ereigneten; darüber, dass nach dem Vulkanausbruch im Mai etliche Menschen alles verloren und in dieser Situation auch von NGOs allein gelassen wurden. Informationen zu verbreiten über die Situation in Belarus sei der wichtigste Weg, um die Menschen zu unterstützen, betonte auch Violetta Savchits. 

Unsichere Zeiten als Startup-Booster
Wo geht die Reise hin? Wie wird Journalismus zukunftsfähig? Diesen und weiteren Fragen von Moderator Johannes Meyer stellten sich in einem Panel Lina Timm, Gründerin und Managing Director des Media Lab Bayern, sowie Maximilian Nowroth, Wirtschaftsjournalist und Gründer des YouTube-Kanals „WasMitWirtschaft“.

Als sie 2015 das Konzept fürs Media Lab Bayern geschrieben habe, gab es nahezu keine Journalismus-Start-ups, erinnerte sich Lina Timm. Seither habe sich wahnsinnig viel getan – und gerade auch die letzten eineinhalb Jahre Pandemie hätten einen weiteren Schub bewirkt, nach dem Motto: „Wenn die Zeiten eh schon unsicher sind, ist’s egal, dann kann ich auch noch ein Start-up gründen.“

Das Media Lab Bayern unterstützt Gründer*innen dabei mit verschiedenen Fellowships, die sich – je nachdem – an Menschen mit einer ersten Idee, an Start-up-Teams mit Prototyp oder auch an Alumni des Media Labs wenden.

Team suchen, Strukturen schaffen
Maximilian Nowroth gab angehenden Gründer*innen, aufgehängt an seinen praktischen Erfahrungen, mehrere Ratschläge mit auf den Weg. Anfangs habe man die rosarote Brille auf; es sei aber schwer, anschließend allein die Motivation hochzuhalten.

Raten würde er deshalb zu einer Teamgründung. „Ich kann sehr empfehlen, Strukturen zu schaffen“, betonte er zudem. Und: „Es ist total wichtig, sich nicht zu lange einzubuddeln.“ Er selbst startete deshalb sehr schnell bei Insta, um rasches Feedback der Nutzer*innen zu erhalten.

Der Gesellschaftsspaltung begegnen
Medienwissenschaftlerin trifft Mediennerd: So umschrieben die Moderator*innen Thomas Mrazek, Vorsitzender der BJV-Fachgruppe Online, und Eva Werner das Panel „Welche Aufgabe hat der Journalismus in Zeiten der fortschreitenden Spaltung der Gesellschaft?“, bei dem Marlis Prinzing und Daniel Bouhs aufeinandertrafen. 2009 wurde Prinzing als Professorin für Journalistik an die Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in Köln berufen; Bouhs berichtet über Medienunternehmen, Journalismus, Medien- und Netzpolitik – für TV, Radio, Print und Online.

Prinzing nahm kein Blatt vor den Mund: Medien würden helfen, dass sich Querdenker als Märtyrer inszenieren können, indem ihnen eine entsprechende Plattform geboten wird. Es sei zwar Aufgabe, über Konflikte zu berichten, aber nicht zu sensationalisieren. „Medien tragen dazu bei, dass sich die Grenzen dessen, was gesagt werden darf, verschieben“, kritisierte die Medienwissenschaftlerin. Bouhs riet zudem zu mehr Transparenz: „In vielen Medien ist zu kurz gekommen zu erklären, warum man bestimmte Leute nicht hört.“

Mehr Transparenz, mehr Medienkompetenz, mehr Medienkritik
Wie aber kann man der Spaltung der Gesellschaft als Journalist*in begegnen? Prinzing und Bouhs hoben von Medienunternehmen initiierte Dialogplattformen wie das Zeit Online-Projekt „Deutschland spricht“ als positive Beispiele hervor, um zum gesunden Diskurs beizutragen; sie rieten zu noch mehr Transparenz, wie Journalist*innen arbeiten; sie forderten Medienkompetenz stärkende Projekte nicht nur im Schulunterricht, sondern quer durch alle Altersgruppen; sie wünschten sich mehr konstruktive Medienkritik im Stile von Formaten wie ZAPP.

Und: Medienunternehmen hätten keine andere Wahl, als sich mit neuen Finanzierungsmodellen des Journalismus‘ zu beschäftigen. „Journalismus ist das Rückgrat jeder demokratischen Gesellschaft. Wir können es uns nicht leisten, dass er erodiert“, sagte Prinzing.

Michaela Schneider

Videos der einzelnen Panels
In den kommenden Tagen finden Sie auf der DJV-Youtube-Seite die Videos der meisten Panels (Programmübersicht). Wir weisen Sie – u.a. in unserem Newsletter und natürlich hier – dann darauf hin.

Besser Online 2022
Der DJV-Vorsitzende Frank Überall kündigte in seiner Abschlussrede die nächste Besser Online-Tagung an: Sie wird am Samstag, 17. September 2022 stattfinden.

Weitere Artikel im BJV-Blog

Pressefoto Bayern 2024
Pressefoto Bayern 2024

29.11.2024

„Von größter Bedeutung für unsere Demokratie“

Die Landtagspräsidentin Ilse Aigner lobt die Sieger*innen bei Pressefoto Bayern 2024 – Münchner Fotograf gelingt das Pressefoto des Jahres.

Mehr
Social Media
Social Media

25.11.2024

Der Bayerische Journalisten-Verband verlässt Twitter/X

In Zukunft ist der Verband bei Bluesky zu finden.

Mehr
Fachgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Fachgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

22.11.2024

So kommuniziert der Nürnberger IT-Gigant DATEV

Die BJV Fachgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist zu Gast bei der DATEV eG.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

19.11.2024

Verhandlungsergebnis im BR erzielt: Das sind die Eckpunkte

Das Paket nimmt vor allem die jungen Beschäftigten des BR in den Fokus.

Mehr
Fachgruppe Internationales
Fachgruppe Internationales

14.11.2024

Lokaljournalismus an der Front

Auf Einladung des BJV erklärt Sergiy Tomilenko im PresseClub München, wie es um unabhängige Medien und die Pressefreiheit in der Ukraine steht.

Mehr
München-Oberbayern
München-Oberbayern

13.11.2024

Neues Vorstands-Team für Oberbayern

Der BJV-Bezirksverband München-Oberbayern verabschiedet seine Vorsitzende Marlo Thompson und wählt einen neuen Vorstand.

Mehr
Deutscher Journalisten-Verband
Deutscher Journalisten-Verband

12.11.2024

Impressionen vom DJV-Verbandstag in Ingolstadt

Rund 200 Delegierte, 45 davon vom BJV, trafen sich zum Bundesverbandstag des DJV in Ingolstadt und feierten das 75-jährige Jubiläum des DJV.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

08.11.2024

10. Verhandlungsrunde: Bereitschaft - Enttäuschung - Hoffnung?

Nur wenig Bewegung beim BR

Mehr
Fachgruppe Chancengleichheit
Fachgruppe Chancengleichheit

06.11.2024

Resilenz-Tools im Gepäck

Das „Work & Well“-Wochenende der Fachgruppe Chancengleichheit des Bayerischen Journalisten-Verbandes im Tiroler Oberndorf.

Mehr
BJVreport
BJVreport

04.11.2024

Künstliche Intelligenz in Redaktionen - Mit Algorithmen zur besseren Geschichte?

Die Automatisierung im Journalismus nimmt an Fahrt auf – doch der Mensch bleibt unverzichtbar.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

03.11.2024

Warnstreikaufruf Bayerischer Rundfunk 04.11.

Wir bestreiken den Bayerischen Rundfunk ab Montag, den 04.11.2024, von 03:30 Uhr bis Dienstag, den 05.11.2024, 03:59 Uhr an allen Standorten.

Mehr
Journalistenpreis
Journalistenpreis

31.10.2024

Presseclub Regensburg ehrt zwei hervorragende Journalist*innen

Der Eberhard-Woll-Preis des PresseClubs Regensburg geht in diesem Jahr an die Viechtacher Daniela Albrecht und Alexander Augustin.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

20.10.2024

Warnstreikaufruf Bayerischer Rundfunk

Wir bestreiken den Bayerischen Rundfunk ab Montag, den 21.10.2024, von 03:30 Uhr bis Dienstag, den 22.10.2024, 03:59 Uhr an allen Standorten.

Mehr
BJVreport
BJVreport

18.10.2024

Wirtschaftsjournalismus - „Es geht nicht um dröge Zahlen“

Gute Regionaljournalist*innen arbeiten heraus, wie Wirtschaftsthemen das Leben der Menschen vor Ort beeinflussen.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

01.10.2024

8. Verhandlungsrunde: Wieder nichts!

Der BR geht keinen Schritt in unsere Richtung.

Mehr
Fachgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Fachgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

27.09.2024

Stiftspitzen und Strategien

BJV-Mitglieder besuchen den Stifteproduzenten Faber-Castell in Stein bei Nürnberg.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

26.09.2024

Streikveranstaltungen in München und Nürnberg

Im Funkhaus München und vor dem Studio Franken setzen die Kolleginnen und Kollegen des BR ein starkes Zeichen.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

25.09.2024

Aufruf zum Warnstreik beim Bayerischen Rundfunk

Wir bestreiken den Bayerischen Rundfunk ab Donnerstag, den 26.09.2024, von 03:30 Uhr bis Samstag, den 28.09.2024, 03:59 Uhr an allen Standorten.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

19.09.2024

Macht Euch bereit für ein starkes Zeichen!

Kaufkraftausgleich:

Im öffentlichen Dienst – Selbstverständlich!

Im öffentlich- rechtlichen Rundfunk – Realitätsfern?

Nicht mit uns!

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

10.09.2024

Kaufkraftausgleich realitätsfern?!

In der heutigen Verhandlungsrunde machte Verwaltungsdirektor Dr. Frenzel klar, dass er die Forderungen der Gewerkschaften und der Beschäftigten nach einem Kaufkraftausgleich für realitätsfern hält.

Mehr