Mitglied werden

Vom Wissen etwas Großes aus eigener Kraft geschafft zu haben

09.10.2020

Workshop Conny Schumacher beim BJV-FREItag 2020

Referentin Conny Schumacher erklärte, wie man sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht

FREItag 2020-Auftakt: Online-Geschäftsideen für Freie & Tipps, wie man gestärkt aus Krisen hervorgeht

Gerne hätte die BJV-Fachgruppe freie Journalistinnen und Journalisten an einem attraktiven Ort zum traditionellen FREItag irgendwo in Bayern begrüßt, betonte deren Vorsitzende Marion Trutter. Corona verhinderte dies 2020 – doch das Fachgruppenteam machte aus der Not eine Tugend: Aus dem FREItag vor Ort wurden die digitalen FREItage 2020.

Statt zu einem Freitag im Oktober, lädt die Fachgruppe an gleich vier Nachmittagen zu je zwei 75-minütigen Workshops ein, geplaudert werden kann anschließend jeweils noch eine Stunde im virtuellen Kneipentreff. Anmeldungen zu einzelnen Tagen sind nach wie vor möglich unter bjv.de/freitag2020.

„Die Zukunft ist digital“
Zum Auftakt stellte Wissenschaftsjournalist Wolfgang Goede unter dem Stichwort „Die Zukunft ist digital“ ein Paket an neuen Online-Geschäftsideen vor. Viel praktisches Mitarbeiten war angesagt im folgenden Workshop: Trainerin Conny Schumacher erklärte, „wie wir uns am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen“ und aus der Krise „stärker als zuvor herausgehen“.

Vorneweg begrüßte BJV-Vorsitzender Michael Busch die rund 35 FREItags-Teilnehmer*innen und motivierte: „Sie sind ein wichtiger Bestandteil, sie sind das Rückgrat des Journalismus.“ Er sei sich sicher, dass Freiberufler noch an Bedeutung gewinnen werden, sagte er mit Blick auf Redaktionen, die zunehmend ausgedünnt werden. „Eines werden wir brauchen – Inhalte“, betonte er. Die lieferten zwar auch PR-Büros oder Newsrooms, doch könnten Medienunternehmen nur überleben, wenn sie Inhalte nicht übernähmen, sondern selbst machten.

Alles daran gesetzt, die Hürden zu überwinden
Eine Hauptaufgabe von DJV wie BJV sieht Busch darin, sich für eine sinnvolle Bezahlung freier Journalist*innen einzusetzen sowie jenen entgegenzutreten, die Inhalte kostenlos zur Verfügung stellen.

Als der Deutsche Journalisten-Verband im Herbst vergangenen Jahres die Aktion „Freier Journalismus läuft“ startete, konnte niemand ahnen, welche Hürden 2020 zu nehmen wären. „Der BJV und der DJV haben alles darangesetzt, die Hürden zu überwinden“, betonte Busch und verwies auf zahlreiche digitale Workshops, Infoangebote zu Corona-Hilfen und individuelle Beratungen.

„Auf die großen Tanker ist heute wenig Verlass“
Die Krise sei schon da gewesen vor Corona, knüpfte Referent Wolfgang Goede an – und verwies exemplarisch auf den Stellenabbau bei SZ oder Spiegel. „Auf die großen Tanker ist heute wenig Verlass. Deshalb müssen wir ganz stark innovativ werden und selbst weiterdenken in die Zukunft“, sagte er. Goede selbst hatte sich – und auch das ist ein Beispiel digitaler Chancen – für den Workshop aus dem kolumbischen Medellín zugeschaltet.

Die 2,5-Millionen Metropole werde auch als Welthauptstadt der Innovationen bezeichnet, verriet der Referent den Workshop-Teilnehmer*innen. Er selbst verbringt in „normalen Zeiten“ einige Monate in Kolumbien und einige Monate in München.

Durch Corona hängt er nun seit acht Monaten in Südamerika fest. Später ließ Goede die Workshop-Teilnehmer*innen via Kamera auf die Skyline der Metropole in der Bergprovinz Antioquia blicken.

Ein Mutterschiff und zahlreiche Beiboote
Der Referent empfahl den freien Journalist*innen ein „Konvoi-Modell“ – das Mutterschiff mittig und rundherum zahlreiche Beiboote. „Wir sind sozialisiert in engen Kisten, aber die Welt ist anders“, sagte er und motivierte dazu, rauszuspringen in die Welt und diese zu stimulieren.

„Think Out of the Box“ lautet das englischsprachige Motto. Im Folgenden blickte Goede auf verschiedene journalistische Sparten und zeigte, wie das Konvoi-Modell eines freien Journalisten aussehen kann. „Tretet nicht auf allen Tanzböden auf, sonst seid Ihr schlapp nach fünf Minuten“, betonte er und empfahl, „das Beste, das Passendste“ auszusuchen.

Podcasts, Social Media, Webinare, ethisch durchaus zu hinterfragende Produktverkäufe, Science Slams, New Skills Trainings, Radio machen, Bücher schreiben, Konferenzen mitplanen – in all diese Bereiche dringen etwa Wissenschaftsjournalisten vor. Hoch war das Interesse am Thema TED Talks. Hervorgegangen aus einer Innovationskonferenz in Kalifornien, bietet TED heute unterschiedlichsten Fachleuten bei Liveevents und im Internet eine Bühne, um Ideen zu präsentieren.

RUMS als Beispiel für innovativen Lokaljournalismus
Als Beispiel für innovativen Lokaljournalismus schaute Goede auf die Plattform „RUMS – Neuer Journalismus für Münster“ (siehe auch Titelgeschichte im BJVreport 3/2020). Den „Münchner Klimaherbst“ zog er als Exempel heran für eine ganzjährige Veranstaltungsreihe und Plattform, bei der das Wissen und Können (auch) vieler Journalist*innen gefragt sei – angefangen bei der Erstellung von Text-, Audio- und Videomaterialien bis hin zu Moderationen.

Beim Blick auf Kultur- und Sportjournalismus regte er an: Der Journalist oder die Journalistin könne selbst zur Marke werden. Er erzählte von einem Journalisten, der nebenher eigene Musik mache und über YouTube verkaufe. Und er berichtete von einem Kollegen, der zu jedem Ruderevent fliege und in sekundenschnelle Medien weltweit mit Bildmaterial versorge. Er sei heute der Fotograf für Rudern.

Mit dem Redaktionsschiff auf der Spree
Im Sachen Wirtschaftsjournalismus erzählte Goede vom Berliner Startup The Pioneer. Auf einem Redaktionsschiff mit Platz für bis zu 200 Gäste auf der Spree machen die Journalist*innen Live-Journalismus, Gabor Steingart informiert im „Morning Briefing Podcast“ über das aktuelle Weltgeschehen und verschickt zudem einen „Morning Briefing“-Newsletter. Die Nutzer entscheiden selbst, wie viel sie für das Angebot monatlich zahlen wollen.

Auch Goede selbst war heuer schon zu neuen Wegen gezwungen. Jahrelang hatte er für die Deutsche Angstzeitschrift daz gearbeitet, in diesem Sommer musste die Publikation eingestellt werden, weil öffentliche Gelder wegfielen. Mit angstfrei.news erreichte die umgehend gestartete Online-Version in der Coronakrise auf Anhieb tausende Leser*innen – und damit ein Vielfaches von Print.

Wie man aus der Krise gestärkt hervorgeht
Im zweiten Workshop „Stärker als zuvor – Wie wir uns am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen!“ gab Conny Schumacher, Sportlerin, studierte Sportökonomin und seit rund 25 Jahren Trainerin, zahlreiche praktische Hilfen an die Hand, wie man sich immer wieder neu motivieren könne, Ziele anzugehen und zu erreichen. Aus der Krise lernen und mental gestärkt daraus hervorgehen, stellt sie in Coachings in Aussicht.

Ihr erster Tipp, wenn man tief im Sumpf steckt: Alles an Frust handschriftlich von der Seele schreiben – und dabei gerne laut werden, heulen oder aufstampfen. Wer sich darauf intensiv einlasse, erreiche einen Punkt, an dem er oder sie zur Ruhe komme.

Dann sollte man darüber schlafen und die Liste am nächsten Tag in einem kleinen Ritual vernichten: Verbrennen zum Beispiel oder den Frust in Schnipseln auf der Isar wegschwimmen lassen. Warum das alles? Erst wenn die Festplatte gelöscht sei, könnten sich neue, große Ideen und Ziele entwickeln, sagte Schumacher.

Klar definierte Arbeitsblöcke im Kalender
Mit einer „Meditation zum idealen Tag“ ließ Schumacher die FREItags-Teilnehmer*innen eigene Ziele definieren und den Weg dorthin erarbeiten. Der sieht vor allem konsequentes Handeln vor: In den Kalender werden pro Arbeitstag drei oder vier Arbeitsblöcke mit genauem Zeitplan eingetragen. Das verhindere „dass immer wieder was dazwischen komme“ – und ermöglicht am Ende viel konzentriertes Arbeiten.

Gleichzeitig empfiehlt Schumacher, persönliche Dinge als erstes in den Wochenplan einzutragen – das morgendliche Joggen etwa oder die Massage. „Ihr braucht diese Dinge, daraus zieht Ihr Eure Energie“, sagte sie. Und dann: Den Arbeitstag mit der unangenehmsten Sache starten, denn sei sie erledigt, sei der Kopf frei.

Zeitpuffer einplanen, um nicht hinterher zu hecheln
Zudem sollte man immer etwas Zeitpuffer einplanen: „Dann habt ihr nie das Gefühl, ihr hechelt hinterher.“ Wichtig sind laut Schumacher Belohnungen, wenn Ziele erreicht sind – und hier sei es sinnvoll, kleine, mittlere und große Wünsche festzuhalten vom Kaffeetrinken mit der Freundin bis zum Schuhkauf oder einer Reise. 

Auch „Sparringpartner*innen“ können helfen, Ziele zu erreichen. Noch während des Workshops fanden sich Teams, die sich künftig gegenseitig coachen wollen.

Im Schweinehundevertrag „als ein Versprechen mit mir selber“ konnten die Teilnehmer*innen dann unterzeichnen, das selbsterstellte Programm zu befolgen. Darunter stand der Zusatz: „Wenn ich trotz aller ehrlicher Bemühungen Rückschläge erleide, werde ich mich nicht schuldig fühlen, denn ich habe mein Bestes gegeben. Ich verspreche, einfach mit neuem Eifer weiterzumachen.“

Conny Schumacher gab ergänzend den Rat: „Und wenn ihr einen freien Tag braucht: Genießt ihn und tankt wieder auf!“

„Das kann Ihnen keiner mehr nehmen“
Zum Abschluss erzählte die Referentin von ihrem eigenen Marsch durch die Wüste. An Gepäck hatte sie nicht mehr dabei, als sie tragen konnte. Sie erzählte, wie sie ihre Tiefs überwand, warum es wichtig ist, im Team unterwegs zu sein, und schloss mit den Worten: „Das Wissen, etwas Großes aus eigener Kraft geschafft zu haben – das kann Ihnen keiner mehr nehmen.“

Michaela Schneider

Das Programm der noch folgenden drei FREItage:

FREItag, 16. Oktober 2020

Workshop 3:
Besser verhandeln – Der Weg zu richtig guten Honoraren
mit Ljubow Chaikevitch
FREItag, 16.10., 14.00 Uhr

Workshop 4:
Was tun gegen Hass in der Sprache? – Einführung in diskriminierungsfreie Berichterstattung
mit Gilda Sahebi
FREItag, 16.10., 15:30 Uhr

FREItag, 23. Oktober 2020

Workshop 5:
Krisenkommunikation – Tipps aus der Praxis für den Notfall
mit Eva Werner
FREItag, 23.10., 14 Uhr

Workshop 6:
Ordnung ist Mehr-wert – Strategien für den täglichen Workflow
mit Hans-Werner Rodrian
FREItag, 23.10., 15:30 Uhr

FREItag, 30. Oktober 2020

Workshop 7:
Individuelle Rechtsberatung 
mit Stefan Marx, Justiziar des BJV
FREItag, 30.10., 14 Uhr

Workshop 8:
Lean Video – In zehn Schritten zum fertigen Film
mit Gesine Jordan
FREItag, 30.10., 15:30 Uhr

Weitere Artikel im BJV-Blog

BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

19.11.2024

Verhandlungsergebnis im BR erzielt: Das sind die Eckpunkte

Das Paket nimmt vor allem die jungen Beschäftigten des BR in den Fokus.

Mehr
Fachgruppe Internationales
Fachgruppe Internationales

14.11.2024

Lokaljournalismus an der Front

Auf Einladung des BJV erklärt Sergiy Tomilenko im PresseClub München, wie es um unabhängige Medien und die Pressefreiheit in der Ukraine steht.

Mehr
München-Oberbayern
München-Oberbayern

13.11.2024

Neues Vorstands-Team für Oberbayern

Der BJV-Bezirksverband München-Oberbayern verabschiedet seine Vorsitzende Marlo Thompson und wählt einen neuen Vorstand.

Mehr
Deutscher Journalisten-Verband
Deutscher Journalisten-Verband

12.11.2024

Impressionen vom DJV-Verbandstag in Ingolstadt

Rund 200 Delegierte, 45 davon vom BJV, trafen sich zum Bundesverbandstag des DJV in Ingolstadt und feierten das 75-jährige Jubiläum des DJV.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

08.11.2024

10. Verhandlungsrunde: Bereitschaft - Enttäuschung - Hoffnung?

Nur wenig Bewegung beim BR

Mehr
Fachgruppe Chancengleichheit
Fachgruppe Chancengleichheit

06.11.2024

Resilenz-Tools im Gepäck

Das „Work & Well“-Wochenende der Fachgruppe Chancengleichheit des Bayerischen Journalisten-Verbandes im Tiroler Oberndorf.

Mehr
BJVreport
BJVreport

04.11.2024

Künstliche Intelligenz in Redaktionen - Mit Algorithmen zur besseren Geschichte?

Die Automatisierung im Journalismus nimmt an Fahrt auf – doch der Mensch bleibt unverzichtbar.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

03.11.2024

Warnstreikaufruf Bayerischer Rundfunk 04.11.

Wir bestreiken den Bayerischen Rundfunk ab Montag, den 04.11.2024, von 03:30 Uhr bis Dienstag, den 05.11.2024, 03:59 Uhr an allen Standorten.

Mehr
Journalistenpreis
Journalistenpreis

31.10.2024

Presseclub Regensburg ehrt zwei hervorragende Journalist*innen

Der Eberhard-Woll-Preis des PresseClubs Regensburg geht in diesem Jahr an die Viechtacher Daniela Albrecht und Alexander Augustin.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

20.10.2024

Warnstreikaufruf Bayerischer Rundfunk

Wir bestreiken den Bayerischen Rundfunk ab Montag, den 21.10.2024, von 03:30 Uhr bis Dienstag, den 22.10.2024, 03:59 Uhr an allen Standorten.

Mehr
BJVreport
BJVreport

18.10.2024

Wirtschaftsjournalismus - „Es geht nicht um dröge Zahlen“

Gute Regionaljournalist*innen arbeiten heraus, wie Wirtschaftsthemen das Leben der Menschen vor Ort beeinflussen.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

01.10.2024

8. Verhandlungsrunde: Wieder nichts!

Der BR geht keinen Schritt in unsere Richtung.

Mehr
Fachgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Fachgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

27.09.2024

Stiftspitzen und Strategien

BJV-Mitglieder besuchen den Stifteproduzenten Faber-Castell in Stein bei Nürnberg.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

26.09.2024

Streikveranstaltungen in München und Nürnberg

Im Funkhaus München und vor dem Studio Franken setzen die Kolleginnen und Kollegen des BR ein starkes Zeichen.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

25.09.2024

Aufruf zum Warnstreik beim Bayerischen Rundfunk

Wir bestreiken den Bayerischen Rundfunk ab Donnerstag, den 26.09.2024, von 03:30 Uhr bis Samstag, den 28.09.2024, 03:59 Uhr an allen Standorten.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

19.09.2024

Macht Euch bereit für ein starkes Zeichen!

Kaufkraftausgleich:

Im öffentlichen Dienst – Selbstverständlich!

Im öffentlich- rechtlichen Rundfunk – Realitätsfern?

Nicht mit uns!

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

10.09.2024

Kaufkraftausgleich realitätsfern?!

In der heutigen Verhandlungsrunde machte Verwaltungsdirektor Dr. Frenzel klar, dass er die Forderungen der Gewerkschaften und der Beschäftigten nach einem Kaufkraftausgleich für realitätsfern hält.

Mehr
BJVreport
BJVreport

26.08.2024

Bloß nicht übers Stöckchen springen

Im Umgang mit der AfD ist von Medien Pragmatismus und Professionalität gefordert.

Mehr
BJVreport
BJVreport

19.08.2024

Warum verlassen so viele Top-Leute die SZ?

Das Leitmedium des Qualitätsjournalismus muss sparen. Es gehen aber auch die, die es nicht müssten.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

13.08.2024

BR bleibt stur!

Trotz Eurer anhaltend großen Streikbeteiligung hat der BR sein Angebot vom 11. Juli 2024 nicht verbessert. Der BR bleibt bei seinem schlechten Angebot von lediglich 4,71 % auf 24 Monate.

Mehr