Mitglied werden

Wer hat Angst vor künstlicher Intelligenz?

28.07.2023

Rechtsanwalt Chan-jo Jun spricht zu den Zuhörer*innen, im Hintergrund ist Ralph Bauer zu sehen

KI lässt sich nicht so einfach regeln wie Soziale Netzwerke, weiß Rechtsanwalt Chan-jo Jun

Gemeinsame Info-Veranstaltung des BV Mainfranken und der FG Internationales mit Rechtsanwalt Chan-jo Jun

Am Ende war es wie einst beim Literarischen Quartett: der Vorhang zu und alle Fragen offen. So zumindest lautete das Resümee des mainfränkischen BJV-Bezirksvorsitzenden Ralph Bauer im Anschluss an eine gemeinsame Info-Veranstaltung des Bezirksverbands Mainfranken und der BJV-Fachgruppe Internationales am Donnerstag (27. Juli) in Würzburg. Unter dem Titel „Rette sich, wer kann“ sprach Rechtsanwalt Chan-jo Jun über die Folgen von Hate-Speech und den Einfluss von KI auf den Journalismus.

In die legendäre Glaskugel wollte der als „Facebook-Schreck“ bundesweit bekannte Jurist tatsächlich nicht gucken. Er warnte aber davor, sich auf lineare Fortschreibungen zu verlassen. Wären die Zukunftserwartungen der 1950er-Jahre Wirklichkeit geworden, würden heute alle Autos mit Nuklearantrieb fahren. Offensichtlich sei dies aber nicht eingetreten!

KI kennen lernen und staunen

Sicher war sich Chan-jo Jun hingegen, dass die Künstliche Intelligenz nicht mehr verschwinden werde: „KI geht nicht mehr weg!“ Das Spiel gehe heute anders. Presseleute seien daher gut beraten, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Wer jetzt den Umgang mit KI erlerne, sei in der Zukunft klar im Vorteil. „Machen Sie sich die Maschine schneller zu Nutzen als Ihr Kollege!“, rät Chan-jo Jun, der sich von seiner Würzburger Kanzlei aus schon mit Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und zuletzt mit Elon Musk angelegt hatte.

Die Frage sei ohnehin, welche Jobs aufgrund Künstlicher Intelligenz in Zukunft verschwinden würden? Ein Chatbot wie Chat GPT etwa sei nach seiner Einschätzung nur für einfache Meldungen geeignet: „Maschinen können nicht mehr als das, was ein Praktikant auch könnte, wenn er genug Zeit hätte.“ Bei komplexen Sachverhalten ließe sich KI kaum einsetzen.

Andererseits verkannte Chan-jo Jun auch nicht, dass in den vergangenen Jahren „die Maschinen besser geworden sind“ – und wohl in Zukunft noch besser werden. Darin sah er eine große Chance für die Anwender. Früher seien im IT-Bereich die Programmierer die Stars gewesen. Dank so genannter Prompts, also konkreter Anweisungen an die KI, sei es heute wesentlich leichter, die Maschine dazu zu bringen, entsprechende Aufgaben zu erledigen.

Die Probe aufs Exempel lieferte Chan-jo Jun unverzüglich nach: er klappte sein Mobiltelefon auf, flüsterte seinen Wunsch nach einem Foto von einer Weinstube mit 20 Besucher:innen ins Mikro – und zeigte nach einigen Minuten vor, was das Programm in seinem Display erzeugt hatte: den holzgetäfelten Innenraum einer Kneipe mit zahlreichen fröhlichen Zechern.

„Lernen Sie die KI kennen und staunen Sie!“ sagte Chan-jo Jun insbesondere an die Adresse der jüngeren Journalistinnen und Journalisten. Die Stärke der Maschine sei ihre Fähigkeit, viele Daten zu verarbeiten. Dies bedeute aber andererseits auch, zurückhaltend mit seinen eigenen Daten umzugehen: „Alles, was digitalisierbar ist, ist Futter für die Krake!“

Politik ist bei KI noch unsicher

Aber was macht eigentlich die Politik mit Blick auf all diese Herausforderungen? Nach Einschätzung Juns weiß man wohl in den Parlamenten noch nicht so recht, wie man mit der Künstlichen Intelligenz umgehen solle.

Unstrittig scheint zu sein, dass die damit zusammenhängenden technischen Entwicklungen rechtlich eingehegt werden müssten. Kein leichtes Unterfangen, wie Jun durchblicken lässt. „Aber nur weil etwas nicht hundertprozentig funktioniert, heißt das nicht, dass es nutzlos ist“, wie das Beispiel der Kennzeichnungspflicht gezeigt habe.

Fortschritte bei Sozialen Medien

Klar dürfte aber auch sein, dass sich die KI nicht so einfach regeln lässt wie Soziale Medien. Beim Umgang mit so genannten Hassreden habe man in den vergangenen Jahren juristisch Boden gutgemacht, sagt Jun. „Seit 2016 haben wir einiges dazugelernt“ – damals hatte der Würzburger Jurist weltweit für Aufsehen gesorgt, als er im Fall Anas Modamani ein Ermittlungsverfahren gegen Mark Zuckerberg und andere Top-Manager wegen Beihilfe zur Volksverhetzung ins Rollen brachte.

Nicht zuletzt der tragische Freitod der österreichischen Ärztin Dr. Lisa-Maria Kellermayr (siehe auch Juns Video vom 28.07.23: Versagt StA iS Kellermayr?; er erwähnt darin auch diesen Vortrag und die Reaktionen der Journalist*innen auf die KI, 16:51 Min.), die vor ziemlich genau einem Jahr durch anonyme Drohmails in den Suizid getrieben wurde, habe zum Umdenken im Umgang mit Hassmails im Internet beigetragen. Heute sei man sich einig, dass „das Internet ohne Regeln nicht geht“.

Zu Aristoteles‘ Zeiten gab es kein Internet und keine Künstliche Intelligenz. Sein Rat gilt dennoch bis heute: „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“

Markus Mauritz

Weitere Informationen:

  • BJVreport 01/2023, S. 20 f.: „Wenn es leicht wäre, würde es jeder machen“ – Der Anwalt Chan-Jo Jun kämpft seit acht Jahren vor Gericht gegen Hass im Internet. Morddrohungen und Klagen schüchtern ihn nicht ein
     
  • BJV.de, 27.07.2023: „Konsequent gegen Hass“: BJV ruft dazu auf, Hass im Netz anzuzeigen – „Mit der Beteiligung an der Initiative ‚Konsequent gegen Hass‘ schützen unsere Kolleginnen und Kollegen sich selbst und andere davor, Opfer von Hass und Hetze zu werden“, sagt die stellvertretende BJV-Vorsitzende Andrea Roth.
     
  • journalist 6/2023: „Wir sagen ja zur KI - aber als Werkzeug“
    Künstliche Intelligenz ist im Journalismus angekommen. Der DJV sieht Chancen, aber auch Gefahren – und hat ein Positionspapier verabschiedet. Außerdem fordert der Verband eine Vergütung für das sogenannte Text und Data Mining, das automatisierte Auswerten großer Text- und Datenmengen zum Training von Chatbots mit journalistischen Texten und Bildern. DJV-Justiziarin Hanna Möllers erklärt, wie das funktionieren könnte.
     
  • DJV-KI-Stammtisch via Zoom

Weitere Artikel im BJV-Blog

BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

19.11.2024

Verhandlungsergebnis im BR erzielt: Das sind die Eckpunkte

Das Paket nimmt vor allem die jungen Beschäftigten des BR in den Fokus.

Mehr
Fachgruppe Internationales
Fachgruppe Internationales

14.11.2024

Lokaljournalismus an der Front

Auf Einladung des BJV erklärt Sergiy Tomilenko im PresseClub München, wie es um unabhängige Medien und die Pressefreiheit in der Ukraine steht.

Mehr
München-Oberbayern
München-Oberbayern

13.11.2024

Neues Vorstands-Team für Oberbayern

Der BJV-Bezirksverband München-Oberbayern verabschiedet seine Vorsitzende Marlo Thompson und wählt einen neuen Vorstand.

Mehr
Deutscher Journalisten-Verband
Deutscher Journalisten-Verband

12.11.2024

Impressionen vom DJV-Verbandstag in Ingolstadt

Rund 200 Delegierte, 45 davon vom BJV, trafen sich zum Bundesverbandstag des DJV in Ingolstadt und feierten das 75-jährige Jubiläum des DJV.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

08.11.2024

10. Verhandlungsrunde: Bereitschaft - Enttäuschung - Hoffnung?

Nur wenig Bewegung beim BR

Mehr
Fachgruppe Chancengleichheit
Fachgruppe Chancengleichheit

06.11.2024

Resilenz-Tools im Gepäck

Das „Work & Well“-Wochenende der Fachgruppe Chancengleichheit des Bayerischen Journalisten-Verbandes im Tiroler Oberndorf.

Mehr
BJVreport
BJVreport

04.11.2024

Künstliche Intelligenz in Redaktionen - Mit Algorithmen zur besseren Geschichte?

Die Automatisierung im Journalismus nimmt an Fahrt auf – doch der Mensch bleibt unverzichtbar.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

03.11.2024

Warnstreikaufruf Bayerischer Rundfunk 04.11.

Wir bestreiken den Bayerischen Rundfunk ab Montag, den 04.11.2024, von 03:30 Uhr bis Dienstag, den 05.11.2024, 03:59 Uhr an allen Standorten.

Mehr
Journalistenpreis
Journalistenpreis

31.10.2024

Presseclub Regensburg ehrt zwei hervorragende Journalist*innen

Der Eberhard-Woll-Preis des PresseClubs Regensburg geht in diesem Jahr an die Viechtacher Daniela Albrecht und Alexander Augustin.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

20.10.2024

Warnstreikaufruf Bayerischer Rundfunk

Wir bestreiken den Bayerischen Rundfunk ab Montag, den 21.10.2024, von 03:30 Uhr bis Dienstag, den 22.10.2024, 03:59 Uhr an allen Standorten.

Mehr
BJVreport
BJVreport

18.10.2024

Wirtschaftsjournalismus - „Es geht nicht um dröge Zahlen“

Gute Regionaljournalist*innen arbeiten heraus, wie Wirtschaftsthemen das Leben der Menschen vor Ort beeinflussen.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

01.10.2024

8. Verhandlungsrunde: Wieder nichts!

Der BR geht keinen Schritt in unsere Richtung.

Mehr
Fachgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Fachgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

27.09.2024

Stiftspitzen und Strategien

BJV-Mitglieder besuchen den Stifteproduzenten Faber-Castell in Stein bei Nürnberg.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

26.09.2024

Streikveranstaltungen in München und Nürnberg

Im Funkhaus München und vor dem Studio Franken setzen die Kolleginnen und Kollegen des BR ein starkes Zeichen.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

25.09.2024

Aufruf zum Warnstreik beim Bayerischen Rundfunk

Wir bestreiken den Bayerischen Rundfunk ab Donnerstag, den 26.09.2024, von 03:30 Uhr bis Samstag, den 28.09.2024, 03:59 Uhr an allen Standorten.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

19.09.2024

Macht Euch bereit für ein starkes Zeichen!

Kaufkraftausgleich:

Im öffentlichen Dienst – Selbstverständlich!

Im öffentlich- rechtlichen Rundfunk – Realitätsfern?

Nicht mit uns!

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

10.09.2024

Kaufkraftausgleich realitätsfern?!

In der heutigen Verhandlungsrunde machte Verwaltungsdirektor Dr. Frenzel klar, dass er die Forderungen der Gewerkschaften und der Beschäftigten nach einem Kaufkraftausgleich für realitätsfern hält.

Mehr
BJVreport
BJVreport

26.08.2024

Bloß nicht übers Stöckchen springen

Im Umgang mit der AfD ist von Medien Pragmatismus und Professionalität gefordert.

Mehr
BJVreport
BJVreport

19.08.2024

Warum verlassen so viele Top-Leute die SZ?

Das Leitmedium des Qualitätsjournalismus muss sparen. Es gehen aber auch die, die es nicht müssten.

Mehr
BR-Tarif 2024
BR-Tarif 2024

13.08.2024

BR bleibt stur!

Trotz Eurer anhaltend großen Streikbeteiligung hat der BR sein Angebot vom 11. Juli 2024 nicht verbessert. Der BR bleibt bei seinem schlechten Angebot von lediglich 4,71 % auf 24 Monate.

Mehr