Preisverleihung bei der ABP (von links): Robert Arsenschek, Lukas Kapeller, Katrin Langhans, Silke Feltes und Karin Steinberger
Foto: Sebastian Widmann

BJV-Geschäftsstelle

Einfühlsame Stories über Menschen ausgezeichnet

Akademie der Bayerischen Presse vergab zum 14. Mal Journalistenpreise

München, 24.04.2016

Man muss sich auf Menschen einlassen, ohne sich von ihnen vereinnahmen zu lassen. Dann entstehen spannende Stories. Diese oft schwer einzuhaltende journalistische Regel haben die Preisträger 2016 der Akademie der Bayerischen Presse befolgt und die mit je 1000 Euro dotierten Auszeichnungen des Fördervereins am vergangenen Donnerstag erhalten.

Schon beim einleitenden Podiumsgespräch von Akademiedirektor Dr. Robert Arsenschek mit Karin Steinberger, Reporterin Seite 3 der Süddeutschen Zeitung, wurde deutlich, dass Top-Geschichten Zeit brauchen. Jahrelang hat die Journalistin für den Film „Das Versprechen“ recherchiert, die Geschichte des als Mörder verurteilten Jens Söring.

Der deutsche Diplomatensohn hatte sich in die Tochter eines US-Unternehmers verliebt. Als deren Eltern in Virginia brutal umgebracht werden und die Ermittlungen sich gegen das junge Paar richten, fliehen die beiden. Sie werden in London gefasst; Söring wird ausgeliefert, als die USA auf die Todesstrafe verzichten. Er wird zu zweimal lebenslänglich verurteilt und sitzt seit 30 Jahren im Gefängnis.

Steinberger thematisiert, dass keine der Blutspuren am Tatort vom Verurteilten stammt, dass der Richter vor Prozessbeginn den Deutschen als Täter bezeichnete, dass ein demokratischer Gouverneur der Überstellung nach Deutschland und damit de facto einer Begnadigung zustimmte, tags darauf der neue republikanische Gouverneur dies widerrief und dass Söring einfach mal wieder eine Baumrinde berühren möchte.

Gegenüber als Journalistin betrachten
„Die journalistische Distanz?“, fragte bei der Preisverleihung Arsenschek. Kein Problem, antwortete die Autorin: „Ich betrachte den Fall als Journalistin, es geht um das Verhalten der amerikanischen Justiz.“ Auch wenn Söring arrogante Briefe schreibe und sich als Schlaumeier gebe, sei in seinem Fall nicht Recht gesprochen, sondern Rache vollzogen worden. Mehrmals hat sie den Häftling getroffen, seine Briefe durften nur jeweils vier Blatt umfassen.

Überraschendes Bekenntnis Steinbergers: „Ich führe keine Interviews, ich führe Gespräche. Ich sage meinem Gegenüber aber ganz klar, was ich schreiben werde.“ Je weniger Zeit ihr zur Verfügung stehe, desto besser. Das Wichtigste sei der Einstieg und damit die Festlegung des sprachlichen „Sounds“, der sich stets ändere. Bei einer Geschichte über einen Tiroler Bergbauern habe sie vor allem lange Sätze benutzt. Ihr aktueller Job bei der Süddeutschen Zeitung sei ein großes Privileg.

Vogelsang und Eheprobleme
Das Privileg der ausführlichen Recherche hatten die Preisträger nicht, denn sie müssen ihre Beiträge während des ABP-Kurses erstellen, haben also höchstens eine Woche Zeit. Das genügte Silke Feltes dennoch, um mit sprachlicher Eloquenz nicht nur den Vogelgesang morgens am Ammersee zu beschreiben, sondern auch einfühlsam die Eheprobleme ihres Protagonisten, eines Vogelbeobachters, in ihr bei Zeit Online veröffentlichtes Feature „Birdwatcher: Vogelfrei“ einzubauen, bescheinigte ihr Laudator Dr. Hans Haltmaier, Chefredakteur der Apotheken Umschau. Die Auszeichnung für Feltes sei seines Wissens der einzige Featurepreis, der in Deutschland vergeben wird, sagte Arsenschek.

Nichts blieb von den Sexfilmchen
Schon im Wortsinne verdient hatte Lukas Kapeller den Reportagepreis. Reportare kann man übersetzen mit überbringen und der freie Journalist aus Wien überbrachte die Botschaft von Schauspielern und Regisseuren der Lederhosen-Sexfilme der 1970-er Jahre, dass sie nichts bereuten, aber dummerweise auch nicht das große Geld gemacht hätten, und sich angesichts heutiger Freizügigkeit kein Mensch mehr für ihr Genre interessiere. Veröffentlicht hat Kapeller seinen prämierten Beitrag „Geile Zeit“ [€] in der Süddeutschen Zeitung.

Sein Laudator, Dieter Esslinger von der Süddeutsche Zeitung lobte, dass Kapeller niemand moralisch in die Pfanne haue, sondern Komik durch Beobachten schaffe. Stimmt: Beim aktuellen Treffen in einem Café zieht der Regisseur ein Lexikon des erotischen Films hervor, versteckt es aber gschamig, als die Kellnerin kommt.

Wenn die Knochen brechen
Der Beitrag von Katrin Langhans – sie gehört zum Rechercheteam der Süddeutschen Zeitung für die Panama Papers – für den Multimediapreis entstand an einem Tag, hob Laudatorin Antje Pöhner hervor.

Das Video zu einem Printbeitrag über einen Geräuschemacher belegt, dass man für die musikalische Unterlegung eines Film oder TV-Beitrags kein Sinfonieorchester benötig, aber alte Filmrollen schütteln muss, um Bonbonpapier oder brutzelnde Spiegeleier nachzuahmen, Jeans drehen (= Knochen brechen) und Staubsaugerrohre reiben (= laufende Käfer). Wie man Liebe vertont? Das kann man nicht, grinst „Der Herr der Töne“, und macht sich, um den Fragesteller zu befriedigen, doch an ein paar Bettfedern zu schaffen.

Zum 14. Mal hat die ABP ihre Journalistenpreise vergeben. Eingereicht worden waren 209 Beiträge. In 280 Seminaren jährlich werden mehr als 2000 Teilnehmer aus dem ganzen deutschsprachigen Raum weitergebildet. Der BJV ist mit den bayerischen Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern an der ABP beteiligt.

Michael Anger

Schlagworte:

ABP | Journalistenausbildung

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