Karsten Lohmeyer zeigt, wie man an mehr als lousy pennies rankommt
Foto: Stefan Puchner

Fachgruppe Freie Journalisten

FREItag 2013: Freie fit fernab vom Verlag

Freien-Tagung macht Mut zum Aufbau eigener Marke

Augsburg, 14.10.2013

Wenn freie Journalisten sich am Markt auf eigene Faust gut vermarkten, ihre Stärken herausstellen, Selbstbewusstsein zeigen und Social Media nicht scheuen, können sie gutes Geld verdienen und die Abhängigkeit von Verlagen zumindest deutlich senken, wenn nicht gar beenden. Dass war die eine wichtige Erkenntnis bei den Workshops des alljährlichen FREItag, den der BJV diesmal in Augsburg veranstaltete.

Wie man im digitalen Journalismus Geld verdienen kann, weiß Karsten Lohmeyer recht gut. Er selbst gibt sein Wissen nicht nur in seinem vielzitierten Blog unter www.lousypennies.de weiter, sondern hatte auch für die Freien viele Tipps auf Lager. Allerdings musste er auf Nachfrage zugeben, dass er mit seinem Blog kaum Geld verdiene.

„Traffic“ zählt
Das sei aber gar nicht so wichtig. Denn die Entlohnung im Netz erfolge nicht in Euro: „Die wirklich harte Währung ist der Traffic, also die Besucherzahlen.“ Deshalb sei es für Journalisten wichtig, im Netz sichtbar zu sein und ihren Bekanntheitsgrad, etwa über Twitter oder Facebook, zu erhöhen. So könne man sich als Marke etablieren und „über Bande“ bezahlte Aufträge generieren. Auch für die Huffington Post habe er einen Gastbeitrag geschrieben: „Kostenlos – aber das ist kein Problem, sofern man einen persönlichen Nutzwert sieht.“

Haften für die Huffington Post?
Hingegen nahm Jurist Michael Hirschler, Freien-Referent beim Deutschen Journalisten-Verband, die Huffington Post ins Visier, als er in seinem Workshop die Nutzungsbedingungen dieser neuen Plattform unter die Lupe nahm: „Das müssen Sie mal lesen. Sie sollen für die Huffington Post nicht nur kostenlos arbeiten und ihr fast die kompletten Rechte übertragen, sondern auch noch die Haftung übernehmen.“

Hirschler analysierte auch das Kleingedruckte in den üblichen Verlagsverträgen. Seiner Meinung nach gehe es den meisten Verlagen gar nicht so schlecht, wie sie behaupten. Sie würden teilweise sogar prächtig daran verdienen, „dass wir uns das Geld über Verträge wegnehmen lassen.“

Warnung vor der "Guttenberg-Gefahr"
So würden viele Verlage versuchen, Mehrfachverwertungen durch die Autoren zu verhindern. Schreibt der Journalist seinen eigenen Beitrag nur oberflächlich um, um auch von einem anderen Verlag ein Honorar zu bekommen, besteht laut Hirschler die Gefahr, dass er das Nutzungsrecht des ursprünglichen Verlags verletzt: „Man muss verdammt aufpassen, dass man nicht sein eigener Guttenberg wird. Dem Beitrag einfach ein anderes Intro zu geben, reicht nicht aus.“

Deshalb empfahl Hirschler den Journalisten, sich die Rechte an ihren Beiträgen von Anfang an nicht klaglos aus der Hand nehmen zu lassen. Sollte der Verleger dennoch auf Exklusivität bestehen, sollte man diese auf jeden Fall zeitlich begrenzen.

Lokaljournalismus, wie man sich ihn erträumt
Im Seminar „Lokal lebt digital – Das Geschäft mit der Community“ zeigte Steffen Greschner anhand der Tegernseer Stimme, dass man auch ohne Verlag im Rücken mit Lokaljournalismus im Netz erfolgreich sein kann. Die Tegernseer Stimme ist eine anzeigenfinanzierte Nachrichtenseite mit mehr als 5000 Facebook-Fans, die sich auf Themen rund um den Tegernsee spezialisiert hat.

Die Redaktion arbeitet dabei sehr intensiv mit ihren Lesern zusammen, die nicht nur wertvolle Informationen liefern, sondern auch Fragen stellen sollen. „Bei uns werden die Leser sehr ernst genommen. Wir sind viel näher an ihnen dran, als es die klassische Tageszeitung sein könnte.“

Darüber recherchieren die Mitarbeiter der Plattform relevante Themen, wenn nötig investigativ, noch ehe sie im Gemeinderat beraten werden. So seien die Bürger rechtzeitig informiert und könnten sich auch besser am politischen Geschehen beteiligen. Dieses Konzept hat überzeugte auch die Teilnehmer des Workshops: „Das ist ja Lokaljournalismus, wie man ihn sich erträumt.“

Gedruckt und erfolgreich: Der Passauer Bürgerblick
Welche Herausforderungen auf einen Journalisten zukommen, wenn er sich auf die Verlagsplattform begibt, erfuhren die Freien im Workshop „Zwischen Frust und Freizeit. Journalist mit eigenem Magazin“ von Hubert Denk. Er gründete 2005 als Gegenpol zur etablierten Tageszeitung Passauer Neue Presse das Lokalmagazin Bürgerblick. Die Startphase sei schwierig gewesen, so Denk: „Der Vertrieb ist nicht einfach zu organisieren und man muss sich um Sponsoren und Werbekunden kümmern.“

Darüber hinaus sei man presserechtlich verantwortlich und trage damit ein hohes Risiko. Bereits mehrmals musste Denk vor Gericht seine Presse- und Meinungsfreiheit verteidigen – mit Unterstützung des BJV. Außerdem riet er den Journalisten, seine eigenen Fehler nicht zu wiederholen: „Ich habe versucht, die eierlegende Wollmilchsau zu geben – ohne Erfolg. Und ich habe mich am Anfang nicht getraut, mehr als 50 Cent zu verlangen.“

Jetzt weiß er: Man sollte sich auf seine Stärken konzentrieren und den Verkaufspreis mutig ansetzen, „denn Menschen, die an Heimat und Politik interessiert sind, sind auch bereit, mehr zu zahlen.“ Heute hat der Bürgerblick eine Auflage von 2500 Stück und kostet 2,50 Euro. Damit sind die Produktionskosten gedeckt. Die redaktionelle Arbeit wird über Anzeigen finanziert, „aber in 20 Jahren bezahlen mich hoffentlich die Leser.“

Vermarktung über Social Media
Dass der Umgang mit den Social Media, in vernünftigem Ausmaß, nicht zeitraubend ist, sondern Grundlage des Geldverdienens sein kann, machten der Social-Media-Berater Bernd Pitz und Projektmanager Sebastian Pflederer in ihren Workshops klar. Man müsse zunächst für die Erhöhung des eigenen Bekanntheitsgrades genau überlegen, in welchem Medium man sich zu welchem Zweck tummeln solle, erklärte Pitz.

Er selbst habe zum Beispiel keine eigene Homepage, aber eine Domain, von der aus man zu seinem Xing-Profil weitergeleitet werde. Dort könne er seine Kernkompetenzen anzeigen, aber auch diverse Weiterbildungsmaßnahmen. Wer mehr Seminare geben wolle, sollte sich besonders in Blogs aufhalten. In Diskussionsforen könne man sich gegenseitig Tipps geben und durch knappe, fundierte Beiträge zeigen: Ich kenne mich aus.

Vor allem auf Facebook setzt Sebastian Pflederer, wenn es darum geht, seine Kunden, mittelständische Unternehmen, ins rechte Licht zu setzen. Die Kampfzone sei der Newsstream des Auftritts, bei dessen Pflege es vieles zu bedenken gelte. Wolle man für eine Pflegeorganisation in erster Linie die künftigen zu Pflegenden oder potenzielles Personal ansprechen? Welches Alter hat die Zielgruppe für ein Modeunternehmen? Wann sind die Leute online, also überhaupt empfänglich für meine Nachrichten?

Konkrete Ratschläge für Social Media
Ein paar Tipps: Kurze Texte von vielleicht nur 100 Anschlägen reinstellen; ein Eyecatcher ist Pflicht; abends und am Wochenende haben die Social Media den höchsten Zuspruch; überlegen, ob die Erhöhung der Reichweite wichtiger ist oder etwa, die Follower zu Aktionen zu veranlassen; zielgruppengerechte Ausdrucksweise; Fragen im Netz möglichst rasch beantworten; charmant sein, ohne sich anzubiedern; drei bis viermal pro Woche etwas Neues bringen.

Pflederer: Nur zehn Prozent der Menschen mit einem Facebook-Account sind auch aktiv. Die muss man daher auch bei der Stange halten und zum Mitmachen bewegen. Für einen seiner Kunden sei ein Aufenthalt als Senn auf einer Almhütte verlost worden. Der ausgewählte Berliner sei begeistert gewesen. Der Kunde auch, denn der Senn auf Zeit musste sich verpflichten, täglich zu bloggen.

Das Glück des Tüchtigen hatte Bernd Pitz: Im Blog eines seiner Kunden war eine Software gelobt worden, weil sie soundso viele Tage schon fehlerfrei arbeite. Prompt setzte unter den Usern ein regelrechter Wettbewerb ein, wer einen noch größeren Erfolg bei der Produktnutzung erzielt hatte. Unbezahlbar.

Nicole Heupel und Michael Anger

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