Leonard Landois weiß, wie man mit "Journalismus 2.0" Geld verdient
Foto: Maria Goblirsch

Fachgruppe Freie Journalisten

FREItag 2015: Geld fließt – nach jeder Menge Arbeit

Beim FREItag gab's wertvolle Infos zu Lokaljournalismus, Crowdfunding, YouTube

Freising, 04.10.2015

Nutzwert ist das Stichwort, unter dem die Fachgruppe Freie im Bayerischen Journalisten-Verband seit Jahren den alljährlichen FREItag organisiert. Das war auch heuer wörtlich zu nehmen, denn in fünf der sieben Workshops auf dem Freisinger Domberg drehte sich alles um Geschäftsideen und Geld verdienen.

Geschafft haben das Leonard Landois, promovierter PR-Mann und der Betriebswirtschaftler Christian Papay, mit ihrem Portal Würzburg erleben. Gestartet 2009 als Zwei-Mann-Nebenbei-Betrieb, wurde vor zwei Jahren eine GmbH gegründet. Heuer erwarten sie erstmals eine schwarze Null, die Firma beschäftigt inzwischen sieben Angestellte, zwei Praktikanten und drei freie Mitarbeiter.

Von „Journalismus 2.0“ spricht Landois und definiert: Es ist die Schaffung eines Marktplatzes für Informationen, Wissen und Meinungen, der durch innovative Konzepte von der lokalen Wirtschaft finanziert wird. Allerdings – niemand in der Redaktion sei ausgebildeter Journalist, der Redaktionsleiter verdient 2500 Euro im Monat. Die Arbeitszeit könne natürlich nicht genau definiert werden. Der Aufwand schon eher.

Klicks werden kontrolliert
Denn, so betont der Gesellschafter Landois, bei jedem Artikel im Portal wird genau kontrolliert, wie er beim Publikum ankommt und jeder Autor ist für den Erfolg seines Beitrags verantwortlich. Communitymanagement ist deshalb Pflicht. Das bedeutet, jeder Autor muss auch die Kommentare zu seinem Bericht im Web nachverfolgen und darauf reagieren. Das lohne sich, betont Landois. So habe man bei einem Bericht über Flüchtlinge in Würzburg bei rund 100.000 Klicks immerhin 1350 Kommentare erhalten, obwohl Politik bei Würzburg erleben nur ausnahmsweise vorkomme.

Der journalistische Maßstab für die Berichterstattung ist einfach: der Publikumsgeschmack. Der wiederum wird ermittelt durch Recherche bei Facebook, Youtube, Instagram. Dort sind die Fans von Partys stärker vertreten als die von Kommunalpolitik und Kultur.

Leonard Landois zieht daraus die Schlussfolgerung: „Man sollte den Inhalt nicht der Relevanz opfern, aber schon darauf achten, wann sich die Menschen mitgenommen fühlen.“ Immerhin, versichert er, seien Vermarktung und Redaktion strikt getrennt. Zwar werde über den Fachkräftemangel beim Sponsor der Würzburger Basketballer berichtet oder über eine neue Privatbusverbindung, die mit Freitickets wirbt, aber unter den Artikeln sei stets vermerkt „in Zusammenarbeit mit ...“. Darauf lege die Community wert.

Offenbar legt die Community auch auf Übersichtlichkeit und Ordnung wert, zumindest, wenn es um die Suche nach den für die Nutzer wichtigen Themen geht. Denn auf dem Portal wurden inzwischen Spartenseite eingerichtet: unter anderem Blaulicht, Jobportal, Flohmarkt, Fashion. Die Zahlen, die Landois vorlegt, sind beeindruckend. 8000 Fans für die Flohmarkt-Site, 3000 für Würzburgfashion. Die Facebook-Gruppe für Studenten hat mit 10.000 Followern mehr als der entsprechende Auftritt der Stadt mit 7000. Würzburg erleben verzeichnet insgesamt 71.000 Follower bei 135.000 Einwohnern. Allerdings kommen immer mehr User aus dem Umland dazu und so hat man auch die Berichterstattung geographisch Schritt für Schritt ausgeweitet.

Vielen Freien, die klagen, der Aufwand zum Aufbau einer eigenen Marke lasse sich betriebswirtschaftlich nicht bewerten, wird gesagt, das sei unternehmerisches Risiko, aber zum Bestehen am Markt unerlässlich. Für die Papay Landois GmbH scheint das zu stimmen: Inzwischen ist der örtliche Zeitungsmonopolist Main-Post eingestiegen und hält 51 Prozent. Landois freut das: „Die mischen sich inhaltlich überhaupt nicht ein, und wir haben endlich   Räumlichkeiten, juristische Beratung und finanzielle Planungssicherheit.“

Abos und Morddrohungen
Zubrot oder Verdienst? Auch Rayk Anders Tätigkeit ist kaufmännisch nicht exakt einzuordnen. Der gelernte Journalist produziert ein Politikmagazin auf YouTube. Das bringt so 200 bis 400 Euro im Monat, erzählt der Berliner. Dank Zweitverwertung könnten aber für ein Video, dessen Produktion drei Tage in Anspruch genommen hat, auch schon mal 500 Euro rausspringen.

Wer auf www.youtube.com/user/RaykAnders klickt, sieht eine Liste von Videos, der Titel boulevardgrafisch gestaltet, mit Schlagzeilen, die im ersten Moment den Eindruck machen, der Verfasser stehe politisch rechts. Das ist Anders’ Masche. Er arbeitet mit Ironie bis hin zu Sarkasmus, nimmt die extremen politischen Ansichten auf die Schippe. Er nennt das „Politik mit Aufklärungscharakter und Humor.“ Das hat ihm bisher immerhin 40.000 Abos gebracht – und jede Menge Beschimpfungen bis hin zu Morddrohungen.

Die Unkosten bei dieser Geschäftsidee halten sich im engen Rahmen. An Technik genügt eine Kamera, ein Mikro, ansonsten braucht es nur noch jede Menge Hirnschmalz. Die Kundschaft ist theoretisch die ganze Internet-Menschheit.

Ein Euro für 1000 Views
YouTube zahlt einen Euro pro 1000 Views, das Geld fließt aber erst ab umgerechnet 70 Euro pro Monat, vorher ist es gesperrt. Eine Rolle spielt auch die Länge des Besuchs auf dem Video. Im Schnitt steigen die Zuschauer nach der Hälfte aus. Werbung zulassen ist ein Risiko. YouTube behält fast die Hälfte der Werbeerlöse. Die höchsten Einnahmen bringen Werbesports, die nicht weggeklickt werden können – die allerdings können den Zuschauer auch vertreiben.

Erfolg bei der Arbeit mit YouTube stelle sich nur ein, wenn man sich auf ein Thema festlege und seine Zielgruppe genau definiere, betont Anders. Auch sollte man seinen Abonnenten nach einem festen zeitlichen Plan Neues bieten. Zweitverwertung oder Aufträge gebe es immer wieder, bestätigt Anders. Allerdings müsse man sich vorher in der Szene schon einen Namen gemacht haben.

Die Crowd genau informieren
Zur Finanzierung einzelner Projekte versuchen es immer mehr Journalisten mit Crowdfunding. Geklappt hat das bei Markus Valley, unter anderem fester freier Videojournalist beim Bayerischen Rundfunk.

Er wollte ein VideoTrainingsBuch herausbringen. Der Clou: In den einzelnen Kapiteln sollten nicht nur Bilder abgedruckt beziehungsweise hochgeladen sein, Valley wollte Erklär-Videos drehen. Dazu benötigte er Geld. Dies holte er sich von der Crowd über eine Plattform. In der Regel hat man dazu 60 Tage Zeit, der Medienpädagoge schaffte es in 18 Tagen.

Sein Tipp: den Menschen klar machen, worum es geht, den Entwicklungsprozess ausführlich darlegen und eine sinnvolle Stufe von Gegenleistungen bieten. Auf dem Bewerbungsvideo seien moralische Appelle oder Langatmiges zur persönlichen Betroffenheit fehl am Platz, warnte Valley.

Der potenzielle Finanzier müsse man wissen, was konkret produziert werden soll, wie lange dies voraussichtlich dauert und welche Prämien er bekommt. Die sollten von Postkarten und Autogrammen bis zu Exklusivangeboten reichen, etwa Nennung mit Logo oder das Angebot eines Tagesseminars. Mehr als die Hälfte seiner Unterstützer gab so viel, dass sie dafür ein Printexemplar des Buches erhielten.

Wichtig sei die genaue Kalkulation, hob Valley hervor. Man müsse die Plattform-Gebühren mit sieben bis zehn Prozent veranschlagen, die Mehrwertsteuer auf die Einnahmen aus Crowdfunding bedenken, die Kosten für Prämien abschätzen, eventuelle Druckkosten und natürlich das Honorar für die Mitarbeiter an den einzelnen Videos einkalkulieren.

Grundsätzlich hält Valley Crowdfunding für eine gute Sache. Er wies darauf hin, dass 2014 das Finanzierungsvolumen deutscher Plattformen bei 8,7 Millionen Euro lag, aber allein mehr als zwölf Millionen Euro von deutschen Unterstützern auf die die US-Plattform Kickstarter flossen. Am 10. November 2015, bietet die Fachgruppe Online ein ganztägiges Seminar mit Markus Valley an: Den Crashkurs Videoproduktion.

Traktoren und Millionäre
„Kennt sich jemand von Ihnen in aktueller Traktortechnik aus?“ Die Frage meinte Michael Suck, Gesamt-Chefredakteur beim auf technische Fachzeitschriften spezialisierten Münchner Geramond-Verlag durchaus ernst.

Zugleich machte er damit klar, was von einem Autor verlangt wird: Spezialistentum. Klare Aussage des gelernten Politologen: „Der Fachjournalist ist in erster Linie Experte seines Fachs, nicht Journalist.“ Auch sei Fachsprache unbedingt allgemein verständlicher Ausdrucksweise vorzuziehen, Details dürften nicht fehlen, den Konjunktiv solle man vergessen: „Spekulieren Sie nie und schreiben sie ‚es’ statt ‚ich’. Es geht nicht um Ihre Meinung oder Vermutung, sondern um die Sache.“

Diesen Sachen widmen sich immerhin 3800 Fachzeitschriften, deren Zahl gestiegen sei, ebenso wie die Erträge der Verlage, bei nur geringen Auflagenverlusten. Es gebe sogar Fachzeitschriften für Profifußballer und für Millionäre. Wer für Fachzeitschriften schreiben wolle, sollte konkrete Themen anbieten, seine Alleinstellungsmerkmale betonen.

Zwar gebe es viele Fachleute, die für geringes Honorar zu schreiben bereit seien, aber die Redaktionen seien auf Zulieferungen angewiesen. Suck stellte fest: „Die Redakteure sind Produktmanager, schreiben aber nichts.“

Anbieten könne man sich auch als Lektor, Korrektor, Schlussredakteur. Die Redaktionen bräuchten Journalisten, um die Fachtexte zu strukturieren. Allerdings sei zu beachten, dass man für ein Publikum von Experten schreibe. Dennoch seien die verschiedenen Arten der Berichterstattung möglich, vom Servicebericht über die Reportage bis zum Feature.

Auf den Vorhalt aus dem Publikum, dass Fachzeitschriften beim Honorar geizten und eine Zweitverwertung kaum möglich sei, meinte Suck, sein Verlag gebe etwa 60 Euro pro Seite an Rentner und ähnliche. Ein Journalist könne bei Fachzeitschriften mit 110 bis 130 Euro rechnen, auch mal etwas mehr.

Er gestehe einem absoluten Spezialisten, siehe Traktortechnik, bis 250 Euro zu. Der Deutsche Journalisten-Verband verhandelt seit bald zehn Jahren mit den Zeitschriftenverlegern über Gemeinsame Vergütungsregeln, also Mindesthonorare für Freie, wie sie für den Tageszeitungen bereits abgeschlossen wurden. Allerdings fordert der DJV 390 Euro pro Zeitschriftenseite ... 

Erfolg beginnt im Kopf
Chef seines „Teams“ sollte jeder Mensch sein, forderte Marion Trutter in ihrem Workshop „Selbstmotivation für Einzelkämpfer“. In diesem Fall ist das Team in einem drin, es sind die verschiedenen Stimmungen, die man in den Griff bekommen, aber auch nicht ignorieren sollte. Aktion statt Reaktion ist gefragt, sagt die Referentin. Vor allem dürfe man sich nicht dem „inneren Saboteur“ ergeben, der von mieser Bezahlung, dummer Redaktion, Unlust und Überforderung überzeugt ist. Man dürfe nicht der Einstellung erliegen: Ich bin das Opfer der Umstände.

Die innere Einstellung führt zur Motivation, konstatiert Trutter. Wichtig dabei vor allem: die aktive Gestaltung des Berufsweges und der Arbeitsinhalte, der Wunsch, vom Mittelmaß wegzukommen und festlegen, was einem wirklich wichtig ist. Auf dem Weg zum Erfolg rät die Referentin unter anderem, sich Ziele zu setzen und sich auch zu belohnen und zu Netzwerken – Teams nicht nur im Kopf, sondern aus echten Menschen.

Ausführlich schilderte Michael Hirschler, Jurist und Referent des Deutschen Journalisten-Verbandes, in seinem Workshop Wege und Geschäftsideen für freie Online-Journalisten, zeigte aber auch Voraussetzungen und kritische Punkte auf.

Rechtsberatung beim FREItag
Wer sich als Journalist zum Schritt in die Selbständigkeit entschließt, muss allerlei Hürden überwinden. Wie muss die Planung bei der Existenzgründung aussehen, wenn ich noch Arbeitslosengeld beziehe? Welche steuerlichen Aspekte sind vorab zu klären? Wann beantragt man den Gründungszuschuss.

Fragen, die sich Teilnehmer beim FREItag 2015 stellten und die BJV-Justiziar Stefan Marx in 15minütigen Beratungsgesprächen beantwortete. Jeder Fünfte nutze die Chance zu einem „Speed-Dating“ mit dem Rechtsanwalt.

Eigenes Blog
Unsicherheit plagt manchen Freien, wenn er oder sie einen eigenen Blog betreiben will. Ist das eine gewerbliche oder journalistische Tätigkeit? Wo verläuft die Grenze? Wie baut man einen Blog richtig auf, was ist an rechtlichen Vorgaben zu beachten? In welcher Höhe ist die Umsatzsteuer fällig – sieben Prozent wie bei journalistischen Arbeiten, oder doch 19?

Fragen zu Redaktionsgemeinschaften
„Frei sein heißt nicht alleine“, lautet das Motto der Fachgruppe Freie. So beschäftigt auch viele Freie die Überlegung, ob es nicht im Team besser funktioniert. Doch welche Rechtsform wählt man für eine Redaktionsgemeinschaft? Ist es vorteilhaft, eine BGB-Gesellschaft zu gründen? Welche Vorteile und Risiken auch in Haftungsfragen birgt eine Kooperation? Oder macht es rechtlich und wirtschaftlich mehr Sinn, die Kolleginnen und Kollegen als Subunternehmer zu beschäftigen?

Zweitverwertung
Ein Thema, das den Freien auf den Nägeln brennt, ist die Zweitverwertung ihrer Beiträge. Wie schaffe ich es als freier Mitarbeiter von Tageszeitungen oder anderen Medien, mir trotz Knebelverträge die Nutzungsrechte und damit die Option auf ein zusätzliches Honorar zu sichern? Und falls das gelingt, welches Honorar steht mir für eine Zweitverwertung zu?

Auch Fragen des Namens- und Markenrechts kamen in der Rechtsberatung am FREItag zur Sprache. Ab wann etwa brauche ich ein eigenes Logo? Ist das überhaupt sinnvoll?

Wer es beim FREItag nicht geschafft hat, sich für einen der begehrten Beratungstermine einzutragen, kann sich bei den Justiziaren in der BJV-Geschäftsstelle Rat holen (Terminvereinbarung unter Telefon 089 5450418-0). Für BJV-Mitglieder ist diese Beratung kostenfrei.   

Einen Bericht zum Workshop „Bild-Trends im Fokus“ finden Sie hier.

Von Michael Anger und Maria Goblirsch

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