Skeptisch bei "kreativen Honorar-Lösungen": Jutta Müller folgt Sigmund Gottliebs Aussagen
Foto: Maria Goblirsch

Bezirksverband München-Oberbayern

Gottlieb: Kreative Lösungen für die Bezahlung der Onliner

BJV-Streitgespräch zur Multimedialität im Münchner PresseClub

München, 27.03.2015

„Der gesamte öffentlich-rechtliche Bereich hat eine Entwicklung verschlafen. Deshalb wird jetzt seit drei Jahren mächtig Gas gegeben“, beschreibt Sigmund Gottlieb, Chefredakteur des Bayerischen Fernsehens, die Situation beim Thema Trimedialität. Nun werde der Sender die drei bisher weitgehend getrennt laufenden Ausspielwege Fernsehen, Hörfunk sowie BR-Online in der Planung zusammenführen.

Redaktionen zusammenlegen
„Wir werden Synergien nutzen und Redaktionen zusammenlegen müssen. Das heißt es wird in absehbarer Zeit keine eigenen Wirtschafts- oder Kulturredaktionen in Hörfunk, Fernsehen oder online geben, sondern nur noch eine gemeinsame Redaktion. Und das ist nur ein Beispiel für viele Fachredaktionen“, erklärte der BR-Chefredakteur am Mittwoch im Münchner Presseclub bei der ersten Veranstaltung der neuen Reihe „BJV-Streitgespräch“. Experten und Zuhörer diskutierten das Thema „Multimedialität – Wer zahlt die Zeche?“ Es moderierte Harald Stocker, Wissenschaftsjournalist und stellvertretender Vorsitzender des Bezirksverbandes München-Oberbayern.

Die Zeche zahlen die älteren Kollegen
Paul Katzenberger, Redakteur bei SZ.de und Betriebsrat, hat auf diese Frage eine klare Antwort: „Die Zeche zahlen besonders die Kolleginnen und Kollegen, die 20 oder 30 Jahre bei den klassischen Medien gearbeitet haben. Die werden häufig auf sehr würdelose Weise vor die Tür gesetzt“.

Aber: Daraus den Rückschluss zu ziehen, erst dann mit den neuen Medien weiter zu machen, wenn ein Geschäftsmodell gefunden sei, das die Verluste auf dem klassischen Weg ersetzen kann, sei falsch. „Das wird so nicht funktionieren“. Bei der Süddeutschen Zeitung habe man in den letzten 15 Jahren die Erfahrung gemacht, dass man sich in einer Art von „trial and error-Prozess“ herantasten und dabei auch einmal eine Niederlage einstecken müsse.

Umsonst-Mentalität bei den Verlegern
Aber gehen die neuen Entwicklungen zulasten der Journalisten und der journalistischen Qualität? BJV-Geschäftsführerin Jutta Müller bejaht diese Frage klar. Sie sieht bei den Arbeitgebern eine „Umsonst-Mentalität, die sonst gern im Internet beklagt wird“. Der BJV stelle eine Arbeitsverdichtung fest, Redaktionen würden ausgedünnt, Stellen nicht mehr nachbesetzt, obwohl Online-Aufgaben hinzugekommen seien.

„Das ist echte Zusatzarbeit und die muss als solche auch gewürdigt und bezahlt werden. Das wird sie aber leider oft nicht“, stellt die Rechtsanwältin fest. Es sei beispielweise nicht fair, Bilderstrecken von 16 Fotos ins Internet zu stellen und dem Journalisten nur ein Foto zu bezahlen.

„Ein Handy hochzuhalten und ein Foto machen ist nicht das, was wir bei der Süddeutschen Zeitung als Qualitätsjournalismus verstehen“, stellte Paul Katzenberger klar. Es müsse weiterhin gute Fotografen und gute Autoren geben, die nicht ständig mit neuen Zusatzaufgaben befrachtet werden dürften.

Nur die Besten und Ersten haben noch eine Chance im Netz
In Zukunft werde es nur noch eine Währung im Netz geben, sagt Richard Gutjahr, Blogger, Multimediajournalist und BR-Moderator. „Und das sind nicht etwa Bitcoins, das ist Aufmerksamkeit“. Wer im Netz entdeckt werden wolle, müsse sich von der Masse abheben. „Wir haben nur eine Chance, wenn wir der Erste oder der Beste sind. Der beste Schreiber, der beste Filmemacher, der beste Fotograf.“

Das Internet ist kein Medium
Gutjahr warf dem BR-Chefredakteur Sigmund Gottlieb vor, “eine Sache grundverkehrt zu sehen. Und wenn Sie diesen Fehler weiter begehen, wird Ihr Haus sehr viel Geld verlieren und die Chancen, die wir vom Volontär bis zum Hauptabteilungsleiter haben, verspielen“. Der BR gehe immer noch davon aus, dass es sich beim Internet um ein Medium und um einen dritten Ausspielkanal handle. Aber es sei viel mehr als Radio oder Fernsehen, sondern eine gewaltige Infrastruktur. „Das bringt alle auf die falsche Autobahn. Da können sie noch so viel Geld reinstecken, es wird umsonst sein“.

Gottlieb: „Wir schwitzen das Honorar entsprechend runter“
Aus dem Publikum kam die Frage, wie der BR denn die neuen Online-Aktivitäten trotz Spardiktat finanzieren wolle. Chefredakteur Sigmund Gottlieb bestätigte, dass der BR seit 2009 massiven Sparauflagen unterliege. „Es gibt nicht mehr Geld. Deshalb haben wir auch Probleme, mit den Finanzen und damit, Onlinejournalisten angemessen zu bezahlen“. Der BR sei auch hier im Übergang und versuche gerade, „eine einheitliche Honorierung für die Kollegen auf allen Ausspielwegen, also Hörfunk, Fernsehen und Online herzustellen“.

Konkret hätten die Redaktionen zur Bezahlung ihrer freien Mitarbeiter einen Honorarrahmen, und den könnten sie entsprechend der Leistung anpassen. „Den 4,5 Prozent-Online-Zuschlag, der im BR eine feste Größe ist, schwitzen wir dadurch raus, dass wir das Honorar entsprechend reduzieren, so dass in der Summe wieder der Betrag von vorher heraus kommt“. Man versuche, „auf diesem Weg kreative Lösungen zu finden“.

Keine „kreativen Lösungen“ beim Honorar
Dieser Mathematik widersprach BJV-Geschäftsführerin Jutta Müller massiv: „Der Honorarrahmen ist eine tarifliche Regelung und ich gehe davon aus, dass wir das auch künftig gemeinsam tariflich regeln. Es darf nicht sein, dass der Bayerische Rundfunk sich hier einseitig überlegt, wie er nun neue Honorare mit neuen Kennziffern erfindet und das im Rahmen kreativer Lösungen so günstig wie möglich hinbekommt“.

Sie kenne diese Ansicht des BR, dass der Honorarahmen so etwas wie ein Mindesthonorar sei und er über alles, was darüber liege, frei verfügen könne. „Und um den Online-Zuschlag von 4,5 Prozent reinzuholen, senke ich halt entsprechend das Honorar. Das ist nicht vereinbar mit dem geltenden Tarifvertrag und das werden wir auch so nicht akzeptieren“, sagte die BJV-Geschäftsführerin. Darüber müsse man sich bald und ausführlich unterhalten. „Gut recherchiert, unabhängig und quellentreu" habe der Journalismus eine gute Chance resümierte Müller.

Maria Goblirsch  

 

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