Correctiv.lokal überzeugte (von links nach rechts): Thomas Mrazek, Michel Penke und Anne Weber, Schriftführerin im geschäftsführenden BJV-Vorstand und Vorsitzende Fachgruppe Freie
Foto: Maria Goblirsch

BJV-Geschäftsstelle

Lohnende Kooperation für Lokaljournalist*innen

Datenjournalist Michel Penke präsentierte das gemeinnützige Rechercheangebot Correctiv.lokal beim BJV

München, 11.07.2019

Im August 2018 startete das 2014 gegründete Recherchezentrum Correctiv mit Correctiv.lokal „ein Netzwerk für kollaborativen Lokaljournalismus“. Am Dienstag präsentierte Correctiv-Datenjournalist Michel Penke in der BJV-Geschäftsstelle die ersten gemeinsamen Projekte und Recherchen, die Correctiv.lokal mit Tageszeitungen bis jetzt bearbeitet hat, zugleich warb er bei den anwesenden Kolleg*innen für die weitere Zusammenarbeit.

Correctiv.lokal möchte datengetriebene Recherchen mit lokaler Relevanz verbinden. Dabei unterstützt das gemeinnützige Recherchezentrum Lokalzeitungen kostenlos bei der Datenauswertung, bei Bürgerrecherchen im so genannten Crowd-Newsroom und bei multilokalen investigativen Recherchen, bei welchen mehrere Lokalredaktionen miteinander kooperieren.

Im Idealfall recherchiert und visualisiert Correctiv die Daten, die beteiligten Zeitungen schreiben und veröffentlichen ihre Geschichten zu den ausgewählten Themen. Ob ein Thema für eine Kooperation interessant ist, muss Correctiv entscheiden.

Erfolgsprojekt „Wem gehört die Stadt?“
Ein aktuelles Projekt ist „Wem gehört die Stadt?“. Zusammen mit lokalen Medien werden dabei Bürger*innen befragt, wer die Eigentümer ihrer Wohnung sind. „Um den Markt transparenter zu machen und konkrete Debatten anzustoßen“, schreibt Correctiv auf seiner Website.

Kooperationspartner bei diesem Thema sind derzeit Der Tagesspiegel, Rheinische Post, Heidenheimer Zeitung, Mindener Tageblatt und Landeszeitung („Wem gehört Lüneburg?“). Was die Zeitungen daraus gemacht haben, kann auf der Correctiv-Website angeschaut werden.

Als Pilotprojekt für diese „Schwarmrecherche“ zum Wohnungsmarkt diente 2018 die Zusammenarbeit mit dem Hamburger Abendblatt unter dem Titel „Wem gehört Hamburg?“. Dafür wurden das Recherchezentrum und die Zeitung vor einigen Wochen mit dem Grimme Online Award in der Kategorie Information ausgezeichnet.

Nutzer beteiligen sich
In einem eigens eingerichteten Crowd-Newsroom, den Correctiv bereits 2015 für weitere Projekte aufbaute, wurden Angaben von mehr als 1000 Mieter*innen ausgewertet und so Eigentumsdaten zu über 15.000 Wohnungen recherchiert.

Mit dem Bureau Local, des Londoner Bureau of Investigative Journalism, dass kollaborativen Journalismus in Großbritannien seit 2017 erfolgreich etabliert hat, ist Correctiv.lokal eine Partnerschaft eingegangen. Hier funktionierte etwa die multilokale Recherche zum Thema „Homelessness“ hervorragend, sagte Penke: „Jede Redaktion lieferte ein Puzzleteil. Das Thema beschäftigt jetzt nationale Parlamente“. Dies sei auch das Ziel in Deutschland: „Lokalzeitungen stärken und auf die nationale Agenda bringen“, betonte der Datenjournalist.

Lokaljournalisten vernetzen
Per Newsletter informiert Correctiv.lokal über seine aktuellen Projekte. Mit seinen Dienstleistungen möchte das Recherchezentrum „individuelle Journalist*innen (Lokalzeitungen, Freie, Blogger), Experten (Daten, Fachwissen)“ untereinander vernetzen. Derzeit gibt es sieben regionale Gruppen. „Lokaljournalisten sollten mehr miteinander reden“, sagte Penke.

Auch „kritisches Feedback“ von Journalist*innen sei erwünscht. Kommuniziert werde über Mail oder über Slack, derzeit seien 190 Journalist*innen aus verschiedenen Redaktionen registriert. „Einfach anmelden“, offerierte Penke sein Angebot für Journalisten und Experten.

Correctiv kümmere sich um die klassischen Datenbankrecherchen und Visualisierungen. An einem Beispiel zeigte der Datenjournalist, wie per copy paste der Code in ein CMS eingesetzt wurde. „Die Teilnehmer müssen nichts hosten. Unser Anspruch ist, dass Ihr Euch möglichst wenig kümmern müsst“.

Recherchen zum Ausbildungsmarkt und Lehrermangel
In Arbeit sei derzeit eine Daten-Recherche über den deutschen Ausbildungsmarkt, die zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres im September online gehen soll. Dabei werde unter anderem erhoben, wie viele Ausbildungssuchende sich auf eine Stelle in 200 verschiedenen Branchen bewerben. Die Ergebnisse könnten bis auf die kommunale Ebene runtergebrochen werden.

Zum Thema Lehrermangel arbeite man derzeit auch, diese Recherche soll Ende des Jahres erscheinen. Solche Datenerhebungen könnten auch als „Ansatz für eigene Geschichten“ genutzt werden.

„Wir brauchen Themen!“
Penke appellierte an die teilnehmenden Journalist*innen dem Recherchenetzwerk Themenvorschläge für mögliche Recherchen zu liefern. Eine Teilnehmerin berichtete von ihren Schwierigkeiten, für eine Recherche brauchbare Daten vom Statistischen Bundesamt zum Thema „Armutsrisiko im Alter“ erhalten. Weitere mögliche Themen seien die ländliche Versorgung oder der Klimawandel im Lokalen.

Transparenz in eigener Sache
Genauso wie Correctiv bei seinen Recherche-Objekten immer wieder weitgehendste Transparenz einfordert, versucht das Recherchezentrum auch in eigener Sache so transparent wie möglich zu sein. Bei den Recherchen werde stets angegeben, woher die Daten stammen und wie sie visualisiert worden sind.

Correctiv firmiert als gemeinnützige GmbH, die vor allem durch Spenden finanziert wird: „Unsere Arbeit wird vor allem von zwei Arten Unterstützern ermöglicht: Bürgern, die uns langfristig mit ihren regelmäßigen Spenden fördern wollen und großen Förderern wie Stiftungen“, schreiben die Betreiber*innen auf ihrer Website. Darunter findet sich u.a. die Brost-Stiftung, die Rudolf Augstein-Stiftung oder die Bundeszentrale für politische Bildung. Unter anderem erscheinen jährliche Geschäftsberichte.

Vielfältige Aktivitäten
Correctiv betreibt in Kooperation mit Facebook Faktenchecks über dort veröffentlichte Inhalte, was nicht unumstritten ist. Mit der im Frühjahr gestarteten Reporterfabrik bietet man eine Medienakademie „für alle“ – also sowohl für Bürger*innen und Journalist*innen – mit der die Medienkompetenz und Debattenkultur in der Gesellschaft verbessert werden soll.

Als „Top-Recherchen“ werden zurzeit auf der Homepage die gemeinsamen Recherchen mit anderen Medien unter den Titeln „Grand Theft Europe – A Cross-Border Investigation“ („Wie Kriminelle den Bürgern Europas jedes Jahr 50 Milliarden Euro Steuergeld stehlen.“) und die „CumEx-Files“ angepriesen.

Correctiv.lokal geht auch über die deutschen Landesgrenzen hinaus, erzählte Penke zum Abschluss in der einstündigen Präsentationsrunde, weitere Projekte gebe es in der Schweiz und Italien.

Thomas Mrazek

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