Am Puls des Medienwandels: Der FREItag 2019 findet in den Räumen des Media Lab Bayern/Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) in München statt

FREItag 2019

20 Jahre FREItag: „Professionalität der Freien stärken“

Was war, was wird: Interview mit Ulf J. Froitzheim zu 20 Jahren FREItag

München, 05.09.2019

Am Freitag, 11. Oktober 2019, findet in München der FREItag 2019 statt: „Sprechen.Sehen.Schreiben. Mit mehr Qualität erfolgreicher werden“, lautet das Motto. Der BJV-Kollege Ulf J. Froitzheim erfand 1999 mit weiteren Kolleg*innen diese ganztägige Fortbildungs- und Netzwerk-Tagung für freie Journalist*innen. Im Interview mit Thomas Mrazek schaut Froitzheim zurück und gibt Freien und Medienhäusern Tipps.

Der erste BJV-FREItag fand an einem Oktobersamstag in den Räumen der tss Telekabel GmbH in Augsburg statt. Einige der damaligen Referenten engagieren sich noch heute im BJV: Alois Knoller referierte zum Thema „Qualität hat ihren Preis“, Christian Weiß beantwortete die Frage „Wie gestalte ich eine Homepage?“. DJV-Freien-Referent Michael Hirschler vermittelte Informationen zu „Wasserdichten Autorenverträgen“.

Wie seid Ihr vor 20 Jahren auf die Idee gekommen, diese Veranstaltung anzubieten?

Es ergab sich irgendwie. Als Sprecher der Fachgruppe Freie gehörte ich damals im Landesvorstand zu dem vierköpfigen Team, das sich um Fortbildungsthemen kümmerte. Wir hatten so viele Ideen, dass es nahe lag, einiges davon zu einem kompakten Angebot zu bündeln. Ob ich von allein darauf kam oder mir jemand auf die Sprünge half, weiß ich selbst nicht mehr.

Geschäftsführerin Frauke Ancker war jedenfalls begeistert und zog hilfreich an diversen Strippen. Schatzmeister Peter Nützel hatte angesichts des stürmischen Mitgliederzuwachses auch genug Geld in der Kasse. So konnte ich mit Unterstützung meiner Stellvertreterin Viola Schenz ein Programm zusammenstellen, das den FREItag – der Name war definitiv meine Idee – zum Selbstläufer machte. Ich finde es toll, dass alle meine Nachfolger das seither jedes Jahr durchgezogen haben. Das macht nämlich ziemlich viel Arbeit.

Ich denke gerade an das Jahr 1999: viele Zeitungen waren mit Anzeigen pickepackevoll, es gab neue Print-Magazine – die New Economy boomte. Ging es freien Journalist*innen damals nicht blendend oder haben vom damaligen Hype nur die wenigsten freien Kolleg*innen profitieren können?

Dieses Strohfeuer entzündete sich erst, als wir den FREItag schon geplant hatten, und erlosch zweieinhalb Jahre später. Aber verglichen mit heute waren es natürlich goldene Zeiten – wenn man nicht für Lokalzeitungen schrieb.

Das größte Problem für Freie war, dass sie sich schlecht verkauften und nicht das erlösten, was der Markt hergab. Gleich danach kam die verbreitete Dummheit, unüberlegt die Total-Buyout-Autorenverträge zu unterschreiben, die gerade in den Verlagen in Mode kamen. Dahinter steckte oft mangelndes Selbstbewusstsein, das die Kolleginnen und Kollegen glauben ließ, dass selbstverständlich jemand anders den Auftrag bekäme, falls sie sich zierten oder wehrten.

Wer seinen Marktwert kannte und den vorgelegten Vertrag beim BJV hatte prüfen lassen, konnte selbstsicher auftreten und sich leisten, auf der Streichung der unsittlichen und teils sittenwidrigen Paragrafen zu bestehen. Unser Ansinnen in der Fachgruppe Freie war natürlich auch, die Solidarität der Freien untereinander sowie zwischen Angestellten in den Redaktionen und Freien zu fördern. Viele Redakteure hatten keine Ahnung, wieviel Tagesumsatz welchem Gehalt entsprach. Viele Freie übrigens auch nicht.

Was hat der BJV, was haben wir Freie mit dem FREItag nach 20 Jahren erreicht?

Zu wenig, sagt der Pessimist in mir. Der Optimist hofft, dass wir den Teilnehmern geholfen haben, die negative Entwicklung abzufedern, unter der wir seit 17, 18 Jahren leiden. Unser Ziel – ich spreche da einfach mal frech für alle Fachgruppe-Freie-Vorstandsteams seit meiner Zeit – war immer, neben handwerklicher Weiterbildung inbesondere die unternehmerische Professionalität der Freien zu stärken. Das ist quasi der Markenkern des FREItags, und ich denke, dass unsere Dozentinnen und Dozenten da so manches Aha-Erlebnis vermittelt haben. 

Dein Workshop-Thema beim FREItag 2019 lautet „VG Wort: Was hab ich davon – außer Geld?“ Offenbar gibt es da noch große Wissenslücken bei einigen Freien: Verschenken wir letztlich Geld?

Den Titel mit „außer Geld“ habe nicht ich mir ausgedacht. Es geht tatsächlich um drei Dinge: Geld, Geld und noch mal Geld. Und davon lassen viele Mitglieder noch zuviel links liegen. Vorigen Winter mussten DJV und VG Wort die Wahrnehmungsberechtigten – zum großen Teil Freie – mit der Nase auf eine zweistellige Millionensumme stoßen, die beim Online-Meldesystem METIS nicht abgerufen worden war. Ich kenne einen Kollegen, dem über die Jahre eine fünfstellige Summe durch die Lappen ging, weil er seine Texte nie gemeldet hat.

Du bist einer der erfahrensten freien Journalisten im BJV: Was würdest Du Kolleg*innen raten, die etwa nach ihrer Ausbildung ins Freiendasein ob freiwillig oder unfreiwillig einsteigen?

Niemand sollte auch nur versuchen, sich ohne eine Art Businessplan selbständig zu machen. Dazu gehört, sich – vielleicht nach einer nicht zu langen Phase des Ausprobierens – möglichst zielstrebig auf die eigenen Stärken zu fokussieren und eine Marktnische zu finden, in der man richtig gut ist.

Das kann eine inhaltlich-thematische Spezialisierung sein oder auch eine in der Anwendung technischer Hilfsmittel – zum Beispiel Recherche in großen Datenmengen. Wer etwas kann, das nicht alle können, kann höhere Honorare verlangen. Aber er/sie muss auch die eigenen Kosten kennen, kaufmännisch denken und Marketing lernen – auf dem FREItag und in anderen Fortbildungsveranstaltungen, wie sie vom Bildungs- und Sozialwerk des BJV (BSW) und der Akademie der Bayerischen Presse angeboten werden. Gut recherchieren und schreiben zu können ist eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für einen Markterfolg.

Sich verkaufen zu können, ist genauso wichtig. Und noch eins: Ich würde versuchen, einen Platz im Mentoring-Programm des BJV zu ergattern. Von unseren Mentoren kann man eine Menge lernen.

Was könnten freie Journalist*innen von sich aus noch besser machen?

Siehe vorige Antwort: Es gibt Freie, die seit vielen Jahren im Geschäft sind und sich so gut wie nie weiterbilden. Die sparen am falschen Ende.

Es gibt auch Freie, die man nicht oder zumindest nicht auf Anhieb im Netz findet. Wie wollen die denn in einer Branche, die vom Networking lebt, neue Kontakte finden oder gefunden werden? Wie wollen die virtuelle Teams bilden, die gemeinsam Aufträge übernehmen, die eine/r allein nicht bewältigen kann?

Ich verstehe jeden, der über die Sozialschwachen Medien™ schimpft und die Finger von Facebook und Twitter lässt, aber eine Website als Visitenkarte und Schaufenster sollte schon sein. Zur Not tut es auch ein Profil bei Torial, Kressköpfe und/oder Xing.* Ja, und dann noch mein Ceterum censeo: Lasst Euch nicht über den Tisch ziehen! Lernt, „Nein" zu sagen, wenn der Auftrag nicht lukrativ ist. Das ist gelebte kollegiale Solidarität. Erst wenn schlechte Zahler niemanden mehr finden, der für wenig Geld gute oder auch nur brauchbare Qualität liefert, wird sich die Wertschätzung auf dem Konto niederschlagen.
* Es gibt auch eine Datenbank Freie Journalisten des DJV. T.M.

Was wünscht Du Dir von Medienhäusern: Wie könnten sie, vielleicht nicht ganz uneigennützig – auch in schwierigen Zeiten für den Journalismus – die Zusammenarbeit mit freien Journalist*innen verbessern?

Plump gesagt: Eine Zeitung, deren Chefs meinen, mit 30 Cent Zeilengeld und 8 Euro Fotohonorar ein Blatt machen zu können, das irgendjemanden interessiert, geht in wenigen Jahren den Bach runter – einschließlich ihrer Online-Ausgabe.

Wer insbesondere im tagesaktuellen Journalismus überleben will, muss in Qualität investieren, und die entsteht nicht im Akkord am Schreibtisch, sondern nur, wenn Reporter zu den Menschen gehen und unter „Internet" nicht „Google“ verstehen.

Wer Freie nur als billige Alternative zu angestellten Redakteuren sieht und sich mit lieblos heruntergetipptem „Content“ begnügt, macht unternehmerisch einen miserablen Job. Wertschöpfung entsteht im Journalismus nur durch Exklusivität, durch Inhalte, die nicht kostenlos aufs Handy gesendet werden. Freie sind oft Themenexperten, deren Know-how sich ein Verlag leisten kann, wenn bzw. weil er sie bedarfsgerecht engagieren kann und nicht für jedes Fachgebiet jemanden fest anstellen muss.

Wer also noch etwas retten will, sollte schleunigst ein Geschäftsmodell entwickeln, das seine Medienangebote wieder attraktiv macht. Und das gelingt nur mit einem Stamm an kompetenten Freien, die von der Arbeit anständig leben können.

Nachwort
Ulf J. Froitzheim kenne ich seit über 20 Jahren. Wir lernten uns über das u.a. von Jochen Wegner 1994 gegründete JoNet kennen. Ich bat Ulf damals über diese Mailingliste um Teilnahme an einer Expertenbefragung für meine Abschlussarbeit. Er lehnte brüsk ab. Meiner 1998 bei Peter Glotz eingereichten Magisterarbeit „Internet und Journalismus – Auswirkungen eines neuen Mediums auf den Journalismus“ schadete dass nicht – und unserer guten kollegialen Zusammenarbeit in den Folgejahren ebenso wenig.
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.

Thomas Mrazek

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