Reto Zimpel verstarb am 15. Dezember 2015
Foto: Guido Krzikowski

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Schnell gelebt – schnell gestorben

Nachruf des am 15. Dezember 2015 verstorbenen Fotografen Reto Zimpel

München, Starnberg, 16.12.2015

Wir trauern um den Münchner Fotografen Reto Zimpel. Der am 22. August 1962 im schweizerischen Chur geborene Kollege ist am 15. Dezember 2015 in Zürich an Krebs verstorben. Zimpel lebte zuletzt in Starnberg und hatte in München ein Büro. Er bat uns, seinen von ihm selbst verfassten Nachruf zu veröffentlichen. Diesem Wunsch kommen wir nach. Wir haben nur geringfügige Änderungen in seinem Text vorgenommen. Wir werden Reto Zimpel in guter Erinnerung behalten.

Schnell gelebt – schnell gestorben – Nachruf von Reto Zimpel

Den Einstieg in den Journalismus fand Reto Zimpel parallel zu seinem Studium der Philosophie durch seinen Mentor Guido Krzikowski 1987 bei der Abendzeitung in München.

Während er noch im Oberseminar zu Nietzsche saß, hatte der junge technikbegeisterte Reporter bereits ein Eurosignal in der Tasche um für die Redaktion erreichbar zu sein. So ein Pager war zu dieser Zeit normalerweise Notärzten und Politikern vorbehalten. Schnell entwickelte der Sohn eines Geographie-Professors das Gespür für exklusive Geschichten.

So entdeckte er die bitter armen Eltern des Großunternehmers Alfons Doblinger, der seinerzeit gerade die Neue Heimat für eine Milliarde Mark übernommen hatte. Oder Zimpel verfolgte Michael Jackson samt Kinderbegleitung durch München – und Jahre später bis nach Venedig.

Zimpel begleitet dokumentarisch den Tod von Franz Josef Strauß 1988. Er folgt als erstes Fahrzeug in einem großen Konvoi dem Leichenwagen von der Klinik in Regensburg bis München. Tausende Bayern stehen mitten in der Nacht auf Autobahnbrücken und säumen die Leopoldstraße um Abschied zu nehmen. Zimpels Bilder vom Trauerzug auf der Ludwigstraße, die er aus dem Badezimmerfenster seines Philosophieprofessors neben der Ludwigskirche aufnimmt, werden sogar in Kunstbüchern gedruckt.

Seine erfolgreiche berufliche Karriere war von Beginn an besonders von den politischen und technischen Umwälzungen der letzten Jahrzehnte gekennzeichnet. Also dem Ende der DDR, der Sowjetunion, des Eisernen Vorhangs, des Sozialismus sowie der Digitalisierung der Photographie und der Kommunikation.

So begleitete er das Ende der DDR auf verschiedenen Wegen. Exklusiv auch hier wieder, lieferte Zimpel damals schon die erste Geschichte über Neonazis im sterbenden sozialistischen Staat. Die strammen jungen Rechten waren ihm am Rande einer der Montagsdemonstrationen in Leipzig aufgefallen.

Zimpel, gerade mal 27, fuhr mit seinem Porsche 911 zu den Republikflüchtlingen in Prag (1989), er berichtete über die Währungsunion aus Leipzig, den Bürgerkrieg in Rumänien und die Aids Waisen (Temesvar 1989 und Bukarest 1990) für die Münchner Abendzeitung als sogenannter Fester Freier. Schon damals reiste er auch als Freelancer auf eigene Faust und lieferte eindrückliche Bildreportagen z.B. vom Ende der UDSSR aus Moskau.

Reto Zimpel war einer der ersten Reporter in Deutschland mit einem Autotelefon. Spätere Funktelefone, erst in Reisekoffer– und wieder später immer noch in Brikettgröße sollten folgen. Sogar der Spiegel berichtete über Zimpel als early adopter moderner Kommunikation.

Der inzwischen gänzlich als Freier Reporter arbeitende Zimpel landete 1990 einen weiteren Coup: Ihm gelang es, den von der gesamten deutschen Reporterschar gesuchten und vom BND versteckten Alexander Schalck-Golodkowski am Tegernsee aufzuspüren. Der Stern druckte die Photos exklusiv. Schalck-Golodkowski, not amused, zog Zimpel 1991 wegen angeblicher Nötigung vor Gericht. Halb Pressedeutschland stand damals vor dem Amtsgericht in Miesbach. Zimpel wurde in zweiter Instanz freigesprochen und Schalck-Golodkowski zollte Zimpel später sogar Respekt für seinen Einsatz.

Zimpel traf Manfred von Ardenne
Die Neugier auf die Weiterentwicklung Ostdeutschlands führte Reto Zimpel 1990 erneut in die ehemalige DDR und zwar nach Dresden, wo er mithalf die Morgenpost-Gruppe aufzubauen. Als Nachbarn hatte Reto Zimpel, den ebenfalls im Weißen Hirschen wohnenden Manfred von Ardenne, den Erfinder des Fernsehens und Mitentwickler der Russischen Atombombe, den er noch zu Lebzeiten in seinen Laboratorien porträtieren und interviewen konnte.

In Dresden lernte Zimpel den jungen Journalistenschüler und späteren Fernsehproduzenten Marc Schubert kennen, bei dem er später in Köln kurzzeitig als Art Director arbeitete und für den er mehrere Studiosets entwarf. Hier trifft er auch den RTL-Chefredakteur Dieter Lesche und den preisgekrönten Dokumentarfilmer Michael Harder. Bei einem von Lesche gegebenen Essen lernt er den ebenfalls als Gast anwesenden Udo Jürgens kennen.

In den frühen 1990er Jahren schloss sich Zimpel mehrmals RTL-Kollegen an und produzierte Bildreportagen aus den verschiedenen Kriegen in Ex Jugoslawien. Sein Photo von zwei Autofahrern, die nach dem Referendum mit Pistole und kroatischer Fahne winkend durch Zagreb fuhren, ging 1991 via REUTERS um die Welt.

Zimpel reist mit
Celibidache um die Welt
Über seine Musikerfreunde fand Reto Zimpel später den Weg zu den Münchner Philharmonikern und begleitete fortan in einem Gastspiel photographisch in den Jahren 1992 bis 1994 den weltberühmten Dirigenten Sergiu Celibidache auf seinen Konzertreisen durch Europa, Asien und Südamerika wo Zimpel in Rio de Janeiro den berühmten Bankräuber Ronald Biggs kennenlernte.

Zimpel war einer der ersten Reporter, der das Internet nutzte. Seit 1996 ist er mit der Domain zimpel.com online. Von Anfang an waren selbstgedrehte Filme von seinen Reportagen auf der Webseite eingebunden. Damals revolutionär. Erst später reduzierte er, beeindruckt vom ständigen Diebstahls geistigen Eigentums im Internet nach und nach den Inhalt auf seiner Website.

Galerist am Gärtnerplatz
Nach den unruhigen Jahren der Wanderschaft eröffnete Reto Zimpel 1998 in der Nähe des Gärtnerplatzes in München eine kleine Galerie in der er in den folgenden knapp zehn Jahren neben eigenen Bildern die Werke Münchner Künstler und Kollegen ausstellte.

Legendär war die Ausstellung zum 50. Geburtstag des Fernsehens, bei der besonders skurrile und seltene TV Geräte aus der Sammlung von Wolfgang Maria Weber gezeigt wurden. Ein weiteres Highlight war die Photoausstellung für den befreundeten DPA-Kollegen, Maurizio Gambarini, der als Embedded Reporter die US Streitkräfte im zweiten Irakkrieg begleitete. Die Idee zu dieser Ausstellung wurde im Anschluss von der Nachrichtenagentur selbst übernommen!

Arbeit für die führenden Redaktionen
Seinen Ausflug in den Kunstbetrieb finanzierte Zimpel mit Jobs für die führenden Redaktionen des Landes. Reportagen etwa für das Focus Magazin, für das er viele Jahre arbeitete, führten ihn während des Kosovokrieges und der späteren Befreiung erneut mehrmals auf den Balkan. 1999 sitzt Zimpel unzählige Male für das Magazin während des schneereichen Winters im Hubschrauber über den Alpen, wo er unter anderem über das Lawinenunglück in Galtür berichtete.

Ein besonders interessanter Auftrag führte ihn 2004 für den Spiegel nach Paris, wo er Holger Pfahls im Gefängnis La Santé ablichten sollte. Er mietete sich in eine dem Gefängnis gegenüberliegende Wohnung ein und saß tagelang zwischen Gummidinosauriern im Kinderzimmer der gastgebenden Familie auf der Lauer, als es hinter ihm klickte und er in eine Pump Gun blickte. Sein Pech war, das im selben Knast auch Al Quaida-Gefangene saßen. Jemand musste Zimpel mit dem Tele am Fenster gesehen, Verdacht geschöpft und ein Sondereinsatzkommando bestellt haben ... Nachdem die Pariser Polizei – nach diesem Großeinsatz mit zirka 50 Mann und etwa zehn Einsatzfahrzeugen – Zimpel die Ausreise nahegelegt hatte, er sich bei der Familie anschließend wieder von München aus durch das Pariser Spiegel-Büro entschuldigen ließ, lautetet deren lapidarer Kommentar nur: „Der war sympathisch, der kann gerne wiederkommen!“ Gesagt, getan: Im zweiten Anlauf und besser getarnt, gelangen dann die Aufnahmen des ehemaligen Verfassungsschutz-Präsidenten hinter Mauern und Stacheldraht, die neben dem Spiegel unter anderem die Süddeutsche Zeitung auf Seite 1 druckte.

In den Jahren 2002 bis 2009 arbeitete Zimpel dann überwiegend für die Bild. Die mit Beginn des [kommerziellen] Internets einsetzende schleichende Agonie der Branche beeinflusste auch die Arbeitsweise von Reto Zimpel. Er war aus ökonomischen Gründen gezwungen die Berichterstattung weg von politischen und wirtschaftlichen Themen, hin zu immer mehr Celebrity-Geschichten zu verlagern.

Zimpel war kein Freund von Onlinejournalismus
Diese Boulevardisierung des Nachrichtengeschäfts war Zimpel einerseits ein Dorn im Auge, andererseits lebte er davon. Besonders aber der immer präsenter werdende Gratis- und Onlinejournalismus, „gemacht von pickeligen Kindern“ ging ihm gegen den Strich, da dieser nur allzu häufig auf die Klickraten schielt denn auf seriöse Recherche Wert legt. Zimpels Aversion gegen die in seinen Augen meist oberflächliche und austauschbare Berichterstattung im Internet blieb er zeitlebens treu und untersagte jedes mal die Nutzung seines Exklusivmaterials auf Gratisplattformen.

Zimpel arbeitete zuletzt vornehmlich für die verbliebenen liquiden Redaktionen von Bunte und Bild. Oft genug musste er seine Produktionen vorfinanzieren um sie hinterher entsprechend verkaufen zu können. Auftragsrecherchen, wie die Suche nach Thomas Middelhofs Spuren in Saint Tropez (2009) für den Spiegel, oder nach dem Luxusleben von Flowtex-Betrüger Manfred Schmider auf Mallorca (2009) für die Bunte oder die Suche nach der ersten Frau Gerhild von Bundespräsident Joachim Gauck in Rostock (2013) blieben die Ausnahme. Die Branche konnte sich so etwas nicht mehr leisten.

Im Rahmen dieses neuen schwierigen wirtschaftlichen Umfelds entstanden so zum Beispiel ein zunächst selbst produziertes Exklusivinterview mit dem Ex Hypo Real Estate-Boss Georg Funke (2012) auf Mallorca. Oder Zimpel sucht in Kalifornien Doris Day und trifft dabei auf Clint Eastwood in Carmel-by-the-Sea. Er macht Exklusivaufnahmen des zu Hausarrest verurteilten Roman Polanski in Gstaad (2010) oder sucht den wieder in Freiheit befindlichen Jörg Kachelmann in Kanada. Reto Zimpel beobachtete Lothar Matthäus während dessen Trainerzeit in Israel (2008) und begleitete ihn anschließend mit neuer Liebe auf Zypern (2011) und später mit neuem Nachwuchs durch Budapest (2014).

Um den Kopf anschließend wieder frei zu bekommen, nahm sich Reto Zimpel immer wieder die Zeit Reportagen von zwar finanziell uninteressanten Flecken der Welt zu liefern, von Orten und Themen aber, die ihm besonders wichtig waren.So reiste er während des arabischen Frühlings zur Revolution nach Ägypten. Am 31.01.2011 steht er mit Omar Sharif auf dessen Hotelbalkon hoch über dem Tahir Platz und diskutiert mit ihm über die Zukunft Ägyptens. Sehr zum Unmut der Schauspielerlegende, der extra wegen der Revolution in seine Heimat zurück kam, und euphorisch auf die Proteste der Jugend blickt, sieht Zimpel die politische Entwicklung im Nil Land kritisch. Nichts würde sich ändern meint Zimpel. Nichts. Er sollte Recht behalten.Seine Bilder aus Kairo wurden zwar international gedruckt, deckten aber gerade mal die Reisekosten. Auf diese Weise entstanden zuletzt Reportagen aus Beirut, Israel und Australien.

Zurück aus Kairo erwischte er exklusiv den gerade freigelassenen John Demjanjuk putzmunter und aufrecht gehend vor seinem Altersheim in Bayern. Demjanjuk lag nämlich während seines Prozesses wimmernd in einem Bett mitten im Gerichtssaal ...

Bis zuletzt war Zimpel am Puls der technischen Entwicklung: Noch 2014 kaufte er eine Photodrohne und setzte sie etwa bei den Kornkreisen in Raisting erfolgreich ein. Die Entwicklung der Branche und der Gesellschaft, die für überflüssige Promiberichte viel, für politische außerordentlich wichtige Reportagen aber so gut wie kein Geld mehr hatte, Kollegen die Ihr Material mit Flatrates auf den Markt werfen und damit die Agonie des Berufes beschleunigten, frustrierte Reto Zimpel. Von der in den letzten Jahren immer größer gewordenen Schaar alles abmahnender Presseanwälte, den „Zensoren der Neuzeit“ wie sie der mit Reto Zimpel befreundete Michael Graeter verächtlich nannte, ganz zu schweigen.

Seine Arbeit als Reporter brachten Zimpel aber nicht nur Ruhm und Anerkennung. Die Gaddafi Familie war wenig begeistert von Zimpels Recherchen zum glamourösen Leben ihrer Söhne in München und dem Verstecken des Familiensilbers während des Zusammenbruchs Libyens. Nachdem ein Magazin die Geschichte fatalerweise mit Autorennennung veröffentlicht hatte, stand der Lybische Geheimdienst vor Zimpels Tür.Seine Exklusivstories vom FC Bayern, z.B. von Klinsis Buddhas auf dem Dach des Vereinsgebäudes oder die Photos vom Golf spielenden Freigänger Uli Hoeneß, machten ihn mehrmals zur Persona non grata beim Münchner Fußball Club.

Bis zuletzt interessierten Reto Zimpel, der sich als weltreisender ständig neugieriger Reporter verstand, die politischen Entwicklungen in der Welt weit mehr: Bereits stark vom Krebs geschwächt covert er eine Pegida-Demonstration Anfang 2015 in Dresden und gestützt durch seinen Assistenten fliegt er noch im August 2015 nach Kos in Griechenland um sich vor Ort ein Bild von der heraufziehenden Flüchtlingskrise zu machen.

Weitere von Reto Zimpel photographierte Personen und Ereignisse: Helmut Kohl, Peter Gauweiler, Amy Winehouse, Stones, Steve Wonder, Jeanne Moreau, Michail Gorbatschow, Liselotte Pulver, Leo Kirch, Diego Maradona, Woody Allen, Karl Theodor zu Guttenberg, Charlie Rivel, Familie Seehofer, Erich Sixt, Boris Becker, Marianne Sägebrecht, Gerhard Richter, Dustin Hoffman, Paris Hilton, Lothar-Günther Buchheim, Dieter Meier, Loriot Vicco von Bülow, Angela Merkel, Jacques Piccard, Gerard Depardieu, Pete Doherty, Paul Kuhn, Dieter Hildebrandt, Gerhard Polt, Hochzeit Tina Turner, Trauerfeier Pavarotti, Flugunglück Ramstein, Flugunfall Remscheid, Befreiung Kosovo, und viele mehr.

Reto Zimpel starb am 15.12.2015 an Krebs.

Hinweis:
Den photographischen Nachlass wird es auch in Zukunft nicht als Flatrate geben. Das Onlinearchiv ZimpelMedia bei PictureMaxx wird fortan von Guido Krzikowski betreut. +49 170 2106139 / krzikowski@aol.com

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