Viel Einigkeit beim Thema Pressefreiheit (von links nach rechts): Harald Stocker, Thomas Morawski, Markus Söder, Markus Rinderspacher und Michael Busch
Foto: Maria Goblirsch

Bezirksverband München-Oberbayern

Söder: Bayerischer Rundfunk künftig ohne Werbung?

BJV-Streitgespräch zur Pressefreiheit im Münchner PresseClub

München, 17.04.2015

„Wenn Journalisten nicht mehr frei berichten können, verdüstert sich auch das Bild, das wir von einem Land und der Lage dort haben. Die Einschüchterungsversuche haben ja gerade das Ziel, die Berichterstattung generell zu verändern“, sagt Markus Söder, Finanz- und Heimatminister in Bayern.

Deshalb sei es wichtig, zu Staaten in denen die Pressefreiheit beschnitten wird, nicht nur gute Wirtschaftsbeziehungen zu pflegen. Politiker aller Parteien müssten sich bei ihren Gesprächen vielmehr auch für die Freiheitsrechte einsetzen. Eine freie Berichterstattung sei dabei das Wichtigste.

Da konnte ihm der Vorsitzende der bayerischen SPD im Bayerische Landtag, Markus Rinderspacher, nur zustimmen. „Wir müssen die Freiheitsrechte aus Deutschland und Europa zu einem Exportschlager machen“, fordert er. Die Politik habe sich lange etwas vorgemacht, als sie dachte, Freiheit und Demokratie seien international auf dem Vormarsch. „Die Realität ist eine andere. Nur jeder sechste Erdenbürger kommt heute in den Genuss der Pressefreiheit und kann sich aus freien Medien informieren“.

Einen Besuchsstopp oder einen Abbruch der Beziehungen zu Staaten mit Repressalien gegenüber der Presse lehnte der Oppositionsführer des Landtags ab. Aber: Die Freiheitsrechte müssten bei diesen Kontakten vehement eingefordert werden, erklärte er am Mittwoch im Münchner Presseclub bei der zweiten Veranstaltung der neuen Reihe „BJV-Streitgespräch“.

Experten und Zuhörer diskutierten das Thema „Pressefreiheit in Gefahr?“ Es moderierte Harald Stocker, Wissenschaftsjournalist und stellvertretender Vorsitzender des Bezirksverbandes München-Oberbayern. Über 70 Journalistinnen und Journalisten aus allen Mediengattungen waren zum Streitgespräch in den PresseClub gekommen.

Vielleicht lag die ungewohnte Übereinstimmung ja daran, dass Finanzminister Markus Söder und Rinderspacher beide eine journalistische Laufbahn eingeschlagen hatten, bevor sie auf das politische Parkett wechselten. Söder volontierte beim Bayerischen Fernsehen und ist heute Mitglied des ZDF-Fernsehrates. Sein „Gegenspieler“ ist Fernsehjournalist und war zuletzt Redaktionsleiter bei ProSieben. Er vertritt die SPD im Medienrat der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM).

EU-Standards für Gurken, nicht aber für Pressefreiheit
Warum gibt es europaweit Standards für Gurken, aber keine europaweiten Standards für Pressefreiheit, lautete eine Frage an den BJV-Vorsitzenden Michael Busch, der Anfang März eine Journalistenreise zum EU-Parlament in Straßburg leitete und dort Gespräche mit Parlamentariern führte. „Einen standardisierten Journalisten wird es hoffentlich nicht geben, wir zeichnen uns ja gerade durch unsere Unterschiedlichkeit aus“, sagte Busch.

In Straßburg und Brüssel ziehe man sich auf die Aussage zurück, Pressefreiheit und Medien seien in der Kultur angesiedelt und damit Sache der Mitgliedsländer. Damit habe sich das Europa-Parlament nicht zu beschäftigen. Und die EU-Kommission bringe auch keine entsprechende Vorlage ein.

EU ist eine Wertegemeinschaft
„Wir sehen das beim BJV anders. Die Europäische Union ist nicht nur ein Wirtschaftsgebilde, sondern eine Wertegemeinschaft“, betonte der BJV-Vorsitzende. Daher sollten sich die EU und die Abgeordneten des Parlamentes sehr intensiv mit der Frage der Pressefreiheit beschäftigen. Die Journalistenverbände würden den schwierigen Weg einer Europäischen Bürgerinitiative einschlagen, um das Thema von außen ins Parlament einzubringen. Dafür müssten ein Viertel aller EU-Staaten immerhin eine Million Unterschriften sammeln. Man sei zuversichtlich, dieses Ziel zu erreichen bei auch von allen demokratischen Parteien unterstützt zu werden.

Korrespondenten sind keine Schönwetter-Journalisten
Thomas Morawski, Fernsehjournalist und früherer Leiter des ARD Studio Wien, beschrieb die Arbeitssituation der Korrespondenten auf dem Balkan. Man könne dort frei berichten, auch wenn man sich mit seinen Beiträgen keine Freunde mache und geschnitten werde. Aber: „Wir Journalisten sollten uns daran erinnern, dass wir keine Schönwetter-Journalisten sein wollen und nicht lamentieren“.

Als Korrespondent sei man Teil des politischen Geschäftes und werde auch so verstanden. Es sei Sache der Verlage und Sender, die entsprechenden Bedingungen zu schaffen und damit sicherzustellen, dass man als Journalist auch seinen Auftrag erfüllen kann forderte Morawski.

Die Kern-EU habe große Fehler gemacht, indem sie nicht ausreichend recherchiert und Länder wie Ungarn allein gelassen habe. So gebe es keine standardisierte Journalistenausbildung in den EU-Beitrittsländern. „Da kocht jeder sein Süppchen und die Oligarchen kochen fleißig mit“. Die deutschen Verlage hätten sich längst wieder abgemeldet, das große Engagement sei abgeklungen und man habe es wieder mit fröhlichen Urständen zu tun.

Bald regionale Werbung bei ProSiebenSat1?
Neben den Gefahren für die Pressefreiheit im In- und Ausland wurde auch die Frage der Finanzierung der Sender und damit ihre Unabhängigkeit lebhaft diskutiert. Und hier beziehen Finanzminister Söder und SPD-Fraktionsvorsitzender Markus Rinderspacher durchaus konträre Positionen. Während Söder mit dem Erhalt von journalistischen Arbeitsplätzen und der Medienvielfalt im privaten Rundfunk für eine Öffnung des Werbemarktes argumentiert, ist Rinderspacher strikt dagegen.

„Die ProSiebenSat1 AG braucht als größter Medienkonzern Europas diese zusätzlichen regionalen Werbeeinnahmen nicht, sie ist ein kerngesundes Unternehmen. Dagegen zählt bei den regionalen Fernsehstationen in Bayern jeder Cent“, stellte er klar. Nach einer aktuellen Studie der BLM würden von den 16 Lokal-TV-Sendern im Freistaat dreizehn ohne staatliche Subventionen Pleite gehen. Er befürworte die jährliche Finanzspritze von zehn Millionen Euro aus Steuergeldern an das bayerische Lokalfernsehen.

Aber: „Es ist nicht sinnvoll, diese Unternehmen mit staatlichen Geldern zu unterstützen und ihnen zeitgleich Einnahmen aus dem Werbemarkt zu nehmen“. Die Opposition habe über die Staatsverträge rechtliche Möglichkeiten, dagegen einzuschreiten und werde dies auch im Bayerischen Landtag tun.

Söder regt Dialog über Werbeverzicht beim BR an
Der bayerische Finanzminister Markus Söder wünscht sich einen offenen Dialog über die Werbeeinnahmen des Bayerischen Rundfunks. „Wer so viel Geld über Gebühren und Sponsoring einnimmt wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss nicht noch zusätzlich Werbeeinnahmen haben“, betonte er im Münchner PresseClub. Als Folge der Werbung habe die Quote inzwischen einen sehr dominanten Einfluss auf Programmfragen. Daher könne ein Verzicht auf Werbung sogar die Qualität der Sendungen beim BR verbessern.

„Ich bin offen für einen Dialog über Werbung in den Medien und ihre Unabhängigkeit“. Mit einem Werbeverzicht beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk tue man sich auch leichter, „die Probleme im regionalen Sektor zu lösen“. Denn für die nationalen privaten Programme sei die Werbung im öffentlich-rechtlichen Bereich die größte Herausforderung.

Maria Goblirsch  

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