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Der Bayerische Behindertenbeauftragte Holger Kiesel und die BJV-Behindertenbeauftragte Daniela Albrecht
Die Behindertenbeauftragten Holger Kiesel und Daniela Albrecht im Gespräch mit den Teilnehmer*innen des zweiten BJV-Inklusionsabends
Foto: 
Helena Werhahn

BJV-Landesvorstand

Vom Freien zum Regierungsbeauftragten

Der Behindertenbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung diskutierte beim Zweiten Inklusions-Themenabend des BJV

München, 01.04.2019

Die BJV-Behindertenbeauftragte und stellvertretende Landesvorsitzende, Daniela Albrecht, lud zum Inklusions-Themenabend mit Holger Kiesel ins Kulturhaus München-Milbertshofen ein.

Anlass war die Berufung des Journalisten zum Behindertenbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung. Deswegen wollte sie den Kollegen „schnell in unsere Runde holen“, sagte Albrecht. Kiesel hatte 17 Jahre als Redakteur beim Bayerischen Rundfunk, etwa für die Bayern 2-Sendungen „Notizbuch“ und „Das Tagesgespräch“, gearbeitet.

Seit 21. Januar 2019 hat der 44-Jährige nun das Amt des Behindertenbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung inne. Er wirkt an Gesetzesentwürfen mit und steht im Austausch mit den Ministerien. Seine Aufgabe ist es, darauf zu achten, dass die Belange von Menschen mit Behinderung berücksichtigt werden.

„Das ist eine ziemliche Sisyphos-Arbeit“, sagte Kiesel. In seinem neuen Job warte nun immer ein Team aus sechs Leuten auf seine Entscheidungen. Das sei ungewohnt, ebenso wie die ministeriale Umgebung. Warum hat er also das Leben als Freier Journalist für dieses Amt aufgegeben?

„Ich war mit Leib und Seele Journalist“, erklärte Kiesel. Trotzdem habe es ihn gelegentlich frustriert, dass er nicht mehr für Menschen mit Behinderung machen konnte. Als Behindertenbeauftragter möchte er sich nun aktiv für die Anliegen von Menschen mit Behinderung einbringen.

Dazu gehöre es beispielsweise Sorgen und Vorurteile bei Arbeitgebern auszuräumen. Wer bei Medienhäusern herausfinden möchte, wie viele Menschen mit Behinderung sie beschäftigen, stößt auf mehrere Hindernisse: Zum einen läuft häufig ein großer Teil der Arbeit über freie Mitarbeiter*innen, sodass hier der Anteil von Menschen mit Behinderung nicht nachvollzogen werden kann.

Zum anderen müssen Mitarbeiter*innen ihre Behinderung nicht angeben bei der Einstellung. Das sei auch ihr gutes Recht, sind sich Gastgeberin Albrecht und Kiesel einig. Es erschwert aber die Einschätzung der Situation im Journalismus.

Inklusion: Die Gesellschaft ist gefragt
Für Betriebe mit mindestens 20 Mitarbeitern gilt eine Beschäftigungspflicht, das bedeutet fünf Prozent der Arbeitsplätze sollen mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden. Außerdem verpflichtete sich Deutschland mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2008 der Inklusion.

Inklusion, das bedeute für Kiesel die Wahlfreiheit von Menschen mit Behinderung, beispielsweise bei der Schulwahl, zu sichern. Das heiße jedoch nicht, dass Eltern ihre Kinder auf inklusive Schulen schicken müssen. „Es gibt keinen Königsweg“, sagte Kiesel. Wenn Eltern sich einen Schonraum in Form einer Förderschule für ihr Kind wünschen, sei das legitim. Inklusion bedeutet aus Kiesels Sicht nicht, alles in Gesetzen festzulegen, sondern sich als Gesellschaft zu fragen, wie wir leben möchten.

Auch Medienhäuser und Journalist*innen sind gefragt
Wie blickt Kiesel aus seiner neuen Position auf sein altes Berufsfeld, den Journalismus? Häufig gelten im Journalismus rigide Zugangsvoraussetzungen, kritisiert Kiesel. So werde mittlerweile oft erwartet, dass Journalist*innen einen Uni-Abschluss mitbringen, dabei sei das gar nicht zwingend nötig für den Beruf.

Kiesel erwartet von Medienhäusern, dass sie aktiver auf potentielle Mitarbeiter*innen mit Behinderung zugehen. Außerdem sei es wichtig, dass Thema nicht als Nischenthema zu betrachten. Journalist*innen würden zu oft die Reichweite eines Themas mit der Zahl der Betroffenen gleichsetzen. Dabei sei das Thema für viele in der Bevölkerung wichtig, betonen auch die rund 15 Teilnehmer*innen des Themenabends, die sehr engagiert mit Kiesel diskutierten.

Offener Umgang mit Behinderten
Dass das Thema häufig unterschätzt werde, liege auch daran, dass die Diversität von Menschen mit Behinderung nicht ausreichend dargestellt wird. Viele Behinderungen seien außerdem auf den ersten Blick nicht sichtbar. Auf die Rückfrage, ob es denn okay sei nachzufragen, sind sich die BJV-Behindertenbeauftragte Albrecht und ihr Gast einig: Man solle lieber nachfragen und offen das Gespräch suchen, als sich selber Vorstellungen zu machen. Austausch ist wichtig. Nur wenn wir uns als Gesellschaft überlegen, wie Inklusion aussehen soll, kann diese gelingen.

Helena Werhahn

Schlagworte:

Inklusion

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