Täglich neue Nachrichten zum Brexit verunsichern die Unternehmen, warnte IHK-Referent Kurt Trautmann
Foto: Maria Goblirsch

Bezirksverband Mainfranken

„Der Brexit ist nicht der Untergang der EU“

Workshop der Bundesregierung für Regionaljournalisten zur Europawahl 2019

Würzburg, München, 25.03.2019

Was ist der Unterschied zwischen dem Europäischen Rat und dem Europarat? Oder dem Europäischen Gerichtshof und dem Gerichtshof für Menschenrechte? Was davon ist eine EU-Institution? Was nicht? Oder: Welche Institution ist für die Gesetzgebung in Europa zuständig, welche für die politischen Leitlinien und den Haushalt?

Bei so vielen Fragen kann einem als Regionaljournalist, der nicht täglich mit Europafragen beschäftigt ist, schon einmal der Kopf schwirren. Antworten auf diese und weitere wichtige Fragen zur am 26. Mai anstehenden Europawahl gab ein Workshop, den das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung in Kooperation mit dem BJV und der Stadt Würzburg am 21. März veranstaltete.

Fakten, Hintergründe und Recherchetipps erfuhren die 17 bayerischen Journalisten von fünf Referenten, die sich gerade intensiv mit den Themen Europawahl, Brexit und der Zukunft der Europäischen Union beschäftigen: Philipp Bauer, Pressereferent im Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments in Berlin, Steffen Schulz, Pressereferent in der Vertretung der Europäischen Kommission in München, Peter Riesbeck (@priesbeckbe), ehemaliger EU-Korrespondent u.a. der Frankfurter Rundschau, Kurt Treumann, Bereichsleiter International bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt und Dr. Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Professorin für Europaforschung und Internationale Beziehungen an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Den Workshop leitete Walter Liedtke, freier Journalist beim WDR Hörfunk und Geschäftsführer der pressto GmbH.

Presse-Toolkit zur Europawahl 2019
Wenn Großbritannien vor der Europawahl aus der Europäischen Union austritt, wird das vor allem negative Konsequenzen für die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament (englisch: Progressive Alliance of Socialists & Democrats) kurz S&D, haben, erklärte Pressereferent Philipp Bauer. Denn die britische Labour Party sei ein Teil der S&D, im Gegensatz zu den Englischen Konservativen, die nicht der Europäischen Volkspartei (EVP) angehören, sondern sich der EU-kritischen Partei der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) angeschlossen haben.

Solches Detailwissen muss man als Journalist sicher nicht parat haben. Aber es ist nützlich, zu wissen, wo man solche Hintergrundinformationen vor der Europawahl 2019 (und auch danach) schnell und zuverlässig recherchieren kann. Hier gab Bauer nach einem Überblick über Ablauf und Termine der Wahl wertvolle Tipps:

Zur Europawahl 2019 gibt es einen Presse-Toolkit, der laufend aktualisiert wird. Er enthält einen Fahrplan zur Wahl, Umfragen, Hochrechnungen und Infos zur Methodik sowie eine Übersicht aller Wahlergebnisse seit 1979.

Als Web-Applikation lassen sich diese Ergebnisse auch in Webseiten einbauen. Infoflyer gibt es über das Downloadcenter des Parlaments, Links zu Publikationen und zahleiche allgemeine Infos und Tipps über die Website des Berliner Verbindungsbüros. Im dortigen Presseteam wissen Judit Hercegfalvi, Philipp Bauer, Thilo Kunzemann und Swantje Reiher auf nahezu jede Frage die passende Antwort: presse-berlin@ep.europa.eu; Telefon 030 2280-1000).

„Der Brexit ist keine Katastrophe“
Kein Journalist könne alles über die Arbeit und die Institutionen der Europäischen Union wissen. Aber es wäre schade, „eine gute Story zu Europa fallen lassen, nur weil sie zu kompliziert erscheint oder weil man nicht weiß, wo man fragen soll“, sagte Steffen Schulz, der als Sprecher der EU-Kommission zuständig für Bayern und Baden-Württemberg ist. Also: Im Zweifel lieber einmal zu viel fragen, rät er.

Journalisten sollten „etwas weniger katastrophenmäßig“ über den Brexit berichten. Großbritannien verschwinde schließlich nicht von der Landkarte. „Es ist ein Einschnitt, aber nicht der Untergang der EU“, betonte der Pressereferent, „also lieber den Ball flach halten“.

Über seine Arbeit als Brüsseler EU-Korrespondent der DuMont Mediengruppe berichtete Peter Riesbeck im Wappensaal des Würzburger Rathauses. Er kritisierte Verallgemeinerungen in der Berichterstattung wie „Brüssel will …“. Stattdessen sei es wichtig, die Institutionen der EU richtig zu benennen und zu konkretisieren, auf welcher politischen Ebene sich das Geschehen gerade abspiele. „Also: Parlament, Kommission oder Rat – wer ist gerade am Zug?“

Nebelsuppe nach Brexit?
Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Brexit auf Unternehmen beleuchtete Kurt Treumann, Bereichsleiter International bei der IHK-Schweinfurt. Jedes achte international tätige Unternehmen plane bereits eine Verlagerung des Firmensitzes weg aus Großbritannien, berichtete er aus der Studie Going International 2019 des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT).

Die rechtliche Unsicherheit sei auch bei den mainfränkischen Unternehmen groß, die Sorge vor neuen Zöllen wachse, eine Vorbereitung sei angesichts täglich neuer Entwicklungen schwierig. Vor allem kleinere, mittelständische Unternehmen träfen die Folgen des Brexits hart. „Eine Nebelsuppe, man weiß gerade nicht, wie das ausgeht“, berichtete Treumann.

Die Krisen im Inneren und Äußeren der Europäischen Union analysierte beim EU-Workshop die Würzburger Politikwissenschaftlerin Dr. Gisela Müller-Brandeck-Bocquet. Die Schaffung einer europäischen Souveränität werde von Emmanuel Macron gerade leidenschaftlich gefordert, doch „was das sein soll, wissen wir noch nicht“. Ihr Appell: Nur gemeinsam könne Europa in einem sich verändernden internationalen Umfeld stark agieren.

Maria Goblirsch

Schlagworte:

Europa | Workshop

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