Ausgabe 3 / 2019
Wer verpfeift, lebt gefährlich
Mit einer neuen Richtlinie will die EU Whistleblower europaweit besser schützen. Jetzt muss diese in nationales Recht gegossen werden. Und da sollten Journalisten genau hinschauen.
Ob Panama Papers, Dieselaffäre oder Bayern-Ei-Skandal: Vielen großen Enthüllungen ging der Pfiff eines Einzelnen aus internen Kreisen voraus. Doch deckt ein Mitarbeiter Missstände oder Rechtsverstöße im eigenen Unternehmen auf, lebt er gefährlich. Whistleblower riskieren nicht nur Repressalien am Arbeitsplatz oder gar die Entlassung. Auch kann ihnen strafrechtliche Verfolgung drohen. Als Denunzianten werden sie von den einen beschimpft, als wichtiges Korrektiv von anderen in einer freien und demokratischen Gesellschaft gefeiert.
Ausreichend Schutz in zehn EU-Ländern
Ende April hat die EU nun eine Richtline vorgestellt, die Meldewege von Verstößen regeln, Vergeltungsmaßnahmen gegen Hinweisgeber erschweren und so Whistleblower besser vor Sanktionen schützen soll. Bisher haben nur zehn EU-Länder laut Europäischer Kommission einen umfassenden und ausreichenden Schutz für Hinweisgeber gesetzlich verankert, Deutschland zählt nicht dazu.
Was bedeutet die Neuerung konkret? Welche rechtlichen Fallstricke bergen Enthüllungen für Whistleblower weiterhin – und welche für Journalisten? Und mit welchen juristischen Winkelzügen könnten Unternehmen zu verhindern suchen, dass interne Missstände an die Öffentlichkeit dringen?
„Das ist ein Meilenstein für die Hinweisgeber und den Journalismus (...) Ein Sieg für den Schutz der Tippgeber und für die Pressefreiheit“, schrieb der Deutsche Journalisten-Verband, nachdem sich EU-Staaten und EU-Parlament Mitte März – zu diesem Zeitpunkt noch vorläufig – auf einen besseren Schutz von Whistleblowern geeinigt hatten. Allerdings müssen die Mitgliedstaaten nun im Laufe der nächsten zwei Jahre diesen erst noch in nationales Recht gießen.
Tatsächlich war vor allem aus deutschen Reihen der Widerstand gegen die EU-Richtlinie massiv – im Speziellen von Seiten der CSU/CDU, der Unternehmerverbände und einzelner Großunternehmen. „Meinungsfreiheit und Pressefreiheit werden in Deutschland so hoch gehängt. Und dann wird ein Bereich seit Jahren komplett ausgeblendet. Nämlich der, in dem wir arbeiten“, sagt der Berliner Rechtsanwalt Benedikt Hopmann.
„Meinungsfreiheit sollte nicht nur für den besonders Mutigen gelten“, fügt er an. Nicht nur ihn treibt die Sorge um, die Bundesregierung könne versuchen, den Schutz von Whistleblowern so gering wie möglich auszugestalten. Entsprechend fordert er Journalisten auf, den Gesetzgebungsprozess in Deutschland kritisch zu begleiten.
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